Corona-Krise: "Leben wir in einer Zwei-Klassen-Gesellschaft?"

24.3.2020, 05:55 Uhr
Corona-Krise:

© Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Liegt ein Verdacht vor, an Covid-19 erkrankt zu sein, verwandeln sich die eigenen vier Wände zum unerträglichen Wartezimmer. Wie viele Bürger auf einen Test und dessen Ergebnis warten, ist unklar. Sicher ist, dass bei einigen die Nerven blank liegen. Wenn Politiker wie OB-Kandidat Marcus König (CSU) nach einem Tag sein Testergebnis in der Tasche hatte, treibt das Leser auf die Palme. "Ja, es gibt viel zu tun", schreibt eine Leserin. "Doch ich frage mich, ob wir in einer Zwei-Klassen-Gesellschaft leben?" Eine andere Leserin fragt sich, "mit welcher Priorisierung getestet wird?"



Der Großteil der verunsicherten Bürger, der fürchtet, sich angesteckt zu haben, meldet sich bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) unter der Telefonnummer 116 117. "Bürger, die anrufen und einen Test bekommen, werden von der KVB auf keinen Fall priorisiert", weist KVB-Sprecher Axel Heise den Gedanken zurück. Die KVB vergibt über die 116 117 Termine. "Das dauert in der Regel ein, zwei Tage. Bis das Ergebnis vorliegt und dem Patienten mitgeteilt wird, dauert es mehrere Tage."

Gesundheitsreferent schließt Priorisierungen aus

Laut Heise werden die Telefonkapazitäten laufend erweitert. "Inzwischen sind auch Konferenzräume in der KVB zu Telefonzentralen umgebaut und Mitarbeiter aus anderen Abteilungen helfen bei der Bewältigung der Anrufe." 250 Fahrzeuge stehen dem ärztlichen Bereitschaftsdienst der KVB zur Verfügung.


Drive-Through in Fürth: Corona-Test durchs Autofenster


Mittlerweile sind nicht nur die Bereitschaftsärzte damit auf Achse, sondern auch Freiwillige, etwa Ärzte im Ruhestand sowie Fahrer, die die Mediziner zu den Patienten chauffieren. Ein Kollege der Redaktion, der mit seiner Familie selbst in Quarantäne stand, berichtet: "Total verhüllt stand ein Arzt bei uns zu Hause und hat den Abstrich genommen. Er trug Schutzanzug, Schutzbrille, Mundschutz und Handschuhe. Mindestens 48 Stunden würde es dauern, bis das Testergebnis da sei. Es hat sechs Tage gedauert. Glücklicherweise sind wir alle gesund."

Laut KVB werden täglich bis zu 8000 Anrufe bearbeitet und im Schnitt 1500 Abstriche genommen. "Am 2. März starteten wir den Fahrdienst zur Abstrichentnahme, um zu verhindern, dass Patienten mit Coronasymptomen in die Praxen der niedergelassenen Ärzte oder sogar in die Notaufnahme der Krankenhäuser gehen und dort oder auf dem Weg dorthin andere anstecken", sagt KVB-Sprecher Heise. Seit vergangener Woche ergänzt die KVB den Hausbesuchsdienst durch mobile Stationen. Diese sogenannte Drive-Through-Lösung macht in zahlreichen bayerischen Städten Halt, auch in Nürnberg. Patienten mit Symptomen erhalten einen Termin. Dafür müssen sie sich an der mobilen Station einfinden.

In Nürnberg ermittelt das Gesundheitsamt Personen, die Kontakt mit Infizierten hatten und bittet diese zum Test im Hof der Behörde. Gesundheitsreferent Peter Pluschke schließt aus, dass es Priorisierungen gibt. "Nur wenn Engpässe entstehen sollten, kann es sein, dass man Vertreter systemrelevanter Berufe wie Ärzte und Ärztinnen oder Pflegepersonal vorzieht." Abstriche schickt die Behörde in die Labors des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit.

Staat braucht vertretbare Gründe

In Artikel 3 Grundgesetz ist eindeutig formuliert: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Haben wir nun Schwierigkeiten mit diesem so simpel klingenden Satz? Nein. Justizsprecher Friedrich Weitner und Professor Christoph Safferling, Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht und Völkerrecht an der Universität Erlangen-Nürnberg winken ab.

Das Bundesverfassungsgericht stellte bereits 1951 quasi eine Formel auf: Demnach sei der Gleichheitsgrundsatz immer dann verletzt, wenn wesentlich Gleiches willkürlich ungleich behandelt werde. Im Klartext: Der Staat muss vertretbare Gründe vorweisen, wenn er zwischen den Bürgern Unterschiede macht. Und: Nach dieser Formel muss zunächst gefragt werden, ob die Betroffenen wesentlich gleich sind. Für die Verwaltung bedeutet die Bindung an den Gleichheitssatz, dass sie ihr Ermessen nicht willkürlich ausüben darf. Für die Rechtsanwendung ergibt sich unter anderem das Recht des Einzelnen auf gleichen Zugang zum Gericht. Die besonderen Diskriminierungsverbote meinen, dass Menschen wegen des Geschlechts, der Herkunft oder des Glaubens weder bevorzugt noch benachteiligt werden dürfen. Zurück zur Formel und zur Frage, ob die Betroffenen wesentlich gleich seien, ergibt sich auch, dass eine unterschiedliche Behandlung von Staatsbürgern und Ausländern zulässig ist.


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