Die Hautfarbe als Makel: Eine Familie ohne Bleibe

19.6.2014, 05:57 Uhr
Eine Familie, die kein Vermieter haben will: Christopher Okoli mit den Kindern Glady und Jerôme sowie Partnerin Elisa Cavele (von links).

© Ralf Rödel Eine Familie, die kein Vermieter haben will: Christopher Okoli mit den Kindern Glady und Jerôme sowie Partnerin Elisa Cavele (von links).

Der fünfjährige Jerôme wird fürs Zeitungsfoto aus dem Mittagsschlaf geweckt. Er krabbelt verschlafen aus einem notdürftig aufgestapelten Matratzenlager in einem winzigen Raum, den er sich mit den Kindern der Wohnungsinhaber teilen muss.

Eng ist es überall in der Mietwohnung in Langwasser. So eng, dass Mutter Elisa Cavele (24) nach einem Jahr Suche einen Hilfeschrei per Kleinanzeige losließ. „Wir sitzen bald auf der Straße: Deutsche, dunkelhäutige Familie sucht Wohnung bis 750 Euro.“

Der Text stand zwischen den Gesuchen von Ärzten, leitenden Angestellten - oft Nichtraucher ohne Haustiere - und den Annoncen von Studiendirektoren und Akademikern. Das Ergebnis: keine Chance. Selbst das Stichwort „deutsch“, das auf die Staatsangehörigkeit von Elisa Cavele verweist, half nichts.

Die zunehmende Knappheit auf dem Wohnungsmarkt führe dazu, dass sich potenzielle Mieter und Vermieter nicht mehr auf Augenhöhe gegenüberstünden. Das sagt Martina Mittenhuber vom Menschenrechtsbüro der Stadt, die sich häufig mit dem Problem der ethnischen Diskriminierung bei der Wohnungssuche auseinandersetzen muss. Vermieter könnten sich die Kandidaten heute aussuchen.

"Nicht einmal die Hand gegeben"

Am Telefon habe es oft geheißen, die Wohnung sei frei, berichtet die 24-Jährige, die mit ihrem nigerianischen Partner Christopher Okoli (36) noch Gladys, die zweijährige Tochter, hat. Doch wenn das Paar dann zur Besichtigung antrat, wurde abgewunken. Elisa Cavele: „Eine Vermieterin in Eibach wollte mir nicht einmal die Hand geben.“ Wenn es am Ende hieß, die Wohnung sei leider schon vergeben, dann halte sie das für vorgeschoben, sagt die zweifache Mutter.

Besonders schwer war die Suche anfangs, weil Jerômes Zwillingsbruder, ein Frühchen, nach einer Hirnblutung im Rollstuhl saß. Die neue Bleibe musste also rollstuhlgerecht sein. Ein Ding der Unmöglichkeit, wie sich zeigte. Das Kind starb im vergangenen Jahr. Doch auch zu viert kam die Familie auf keinen grünen Zweig.

Bei Genossenschaften und Wohnungsunternehmen kam das Paar offenbar ebenso wenig an, obwohl es ein Familieneinkommen bis zu 2000 Euro habe vorweisen können, sagt Cavele. Inzwischen schluckt sie Tabletten gegen Depressionen. Das verlorene Kind, die Enge und die zermürbende Suche, das habe sie aufgerieben.

Nachweis ist schwierig

Der Nachweis, dass Vermieter aus rassistischen Motiven ablehnten, sei schwierig. Detlev Janetzek, kommunaler Beauftragter für Diskriminierungsfragen, hat von 2012 auf 2013 insgesamt 180 ernstzunehmende Beschwerden auf dem Schreibtisch gehabt. Etwa 30 davon hatten mit Problemen bei der Wohnungssuche zu tun. Janetzek: „Der überwiegend Teil klagte über ethnische Diskriminierung.“

Er gehe auf die Vermieter zu, bekomme immer eine Rückmeldung von den Angesprochenen, manchmal auch eine Begründung ihres Verhaltens. Das Problem sei der kaum zu überprüfende Wahrheitsgehalt solcher Aussagen. Oft gebe es Druck von potenziellen Nachbarn, die keine dunkelhäutige Familie im Haus haben wollten, sagt der Ombudsmann.

Ob der Verhaltenskodex etwas ändern kann, den 22 Geschäftsführer der großen Nürnberger Wohnungsunternehmen bereits 2010 unterzeichnet haben?

Elisa Cavele glaubt nicht daran. Am Ende hat ihr die Zeitungsanzeige geholfen. Ein gemeinnütziger Verein hat der Familie eine Wohnung verschafft. Ohne Ansehen der Hautfarbe.

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