Ein Mann sieht gelb: Nürnberger holt sich seine Briefe selbst
23.06.2015, 11:00 Uhr
Nachdem seine Firmenpost in der Schmausenbuckstraße schon seit Tagen nicht mehr sortiert und zugestellt wird, hat er sich eine überfallartige Operation ausgedacht, um an seine Briefe und Päckchen zu kommen. Der Plan: Er marschiert mit drei Mitarbeiterinnen in den Zustellstützpunkt ein, kämpft sich durch die Berge von nicht zugestellter Post und nimmt mit, was an ihn adressiert ist.
Für Achim Raak ist die Aktion nach dem Motto „Selbst ist der (Post-)Mann" ein Befreiungsschlag. „Es kann doch nicht angehen, dass da wochenlang die Post lagert“, schimpft der Unternehmer, der nach eigenem Bekunden seit einer Woche keine Zuschriften mehr erhält. „Das ist Anarchie!“
Derselben Meinung - wenn auch unter anderen Vorzeichen - ist auch ein aufmerksamer Postmitarbeiter, der seinen Vorgesetzten angerufen hat. „Es kann doch nicht einfach jeder reinkommen und sich durch die Post wühlen“, sagt der Beamte. „Ich bin schon seit 40 Jahren hier, aber so etwas habe ich noch nie erlebt.“
Raak ist Chef des Preußler Verlags und verschickt täglich eine Palette Zeitungen und andere Druckerzeugnisse, von denen derzeit nur ein Teil beim Kunden ankommt. Als Empfänger wiederum warte er vergeblich auf wichtige Post. So etwa die extern erstellten Lohnabrechnungen für seine Mitarbeiter oder Lieferantenrechnungen.
Zahlungen trotz nicht erfolgter Leistung
Und trotzdem, schimpft Raak, buche ihm die Post weiter Geld ab, für eine Leistung, die nicht erbracht werde. Post-Pressesprecher Erwin Nier verweist auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des gelben Riesen. Denen zufolge habe die Post nämlich „im Streikfall keine Schadensersatzpflicht - zum Beispiel wegen verspäteter Auslieferung“, so Nier. „Das Risiko liegt immer beim Absender.“
Die Aktion in Mögeldorf bewertet Nier ganz klar als Hausfriedensbruch. Der Kunde habe sich die offene Türe während des Beladeprozesses zunutze gemacht und sich unerlaubt Zutritt zum streikbedingt dünn besetzten Gebäude verschafft. „Aufforderungen unseres Mitarbeiters, die Räume zu verlassen, beeindruckten ihn nicht.“ Das Unternehmen behält sich aber nicht nur rechtliche Schritte wegen Hausfriedensbruchs vor, sondern auch wegen Verletzung des Post- und Briefgeheimnisses. „Dazu müssen sie nämlich gar keine Umschläge öffnen“, erklärt Nier. „Es reicht, wenn sie Kenntnis erlangen, wer mit wem auf dem Postweg verkehrt.“
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