Erinnerung an den ersten Lokführer

19.04.2010, 00:00 Uhr
Erinnerung an den ersten Lokführer

© Flassak

»Keinen Augenblick müßig, auf alles achtend, die Minute berechnend, da er den Wagen in Bewegung zu setzen habe, erschien er als der regierende Geist der Maschine und der in ihr zu der ungeheuren Kraftwirkung vereinigten Elemente«, so beschrieb das »Morgenblatt für die gebildeten Stände« den gebürtigen Engländer.

Wilson starb am 17. April 1862 und ist auf dem Johannisfriedhof (Grab B 170/40) unweit der Arkaden begraben. An ihn erinnert auch die William-Wilson-Straße in der Siedlung Rangierbahnhof. Im Zuge des 175-jährigen Jubiläums der »Adler«- Jungfernfahrt ließ die Stadt Nürnberg an Wilsons Todestag auf dessen Grab einen Kranz niederlegen. Vor Ort: der Ur-Ur-Enkel und letzte Nachfahre des Bahnpioniers.

Klaus Nudinger ist gelernter Bankkaufmann und wohnt im Stadtteil Schniegling. Er machte sich 1974 selbstständig, war eine Zeitlang an der Londoner Börse tätig und arbeitete später in der Immobilienbranche. Jedoch den Wunsch, Lokomotivführer zu werden, hegte er nie, gesteht Nudinger. »Als Kind hatte ich eine imposante Märklin-Modellbahn. Einen weiteren Bezug zur Eisenbahn gab es nicht«, erinnert sich der 58-Jährige.

Wilson gehörte zu den stilvollsten Männern der Stadt

Auf dem hohen schwarzen Grabstein steht »Ruhestätte der Familie Nudinger«. Hier beerdigt wurde auch Wilsons 1848 geborene Tochter Anna, die Sebastian Nudinger heiratete. An Wilson selbst erinnert eine Tafel, die auf der Rückseite des Grabsteins angebracht wurde.

Geliefert wurden die Einzelteile des »Adler«, das Wappentier des deutschen Kaisers, einst per Schiff und Kutsche. Absender war die englische Firma Stephenson aus Newcastle. Mit diesen Lieferungen kam auch William Wilson nach Nürnberg, er sollte in der Maschinenfabrik Johann Wilhelm Spaeth den Zusammenbau organisieren und überwachen. Später bildete der im englischen Kaff Wallbottle geborene Ingenieur den fränkischen Zugführer-Nachwuchs aus.

»Eigentlich sollte der Nürnbergaufenthalt nicht dauerhaft sein. Doch Wilson war sehr beliebt und wurde mit einer Summe von 1500 Gulden jährlich zum Hierbleiben geködert. So viel verdiente nicht einmal der Direktor der Eisenbahngesellschaft«, sagt Nudinger. Sein Vorfahre gehörte »zu den am besten gekleideten Männern der Stadt«. Überliefert ist, dass er bei der Jungfernfahrt des »Adler« Frack und Zylinder trug.

Doch die Eisenbahn in ihren Kinderschuhen hatte nicht nur Anhänger. Ärzte warnten vor Krankheiten wie Lungenentzündung, die durch den Fahrtwind bei dieser ungeheuerlichen Geschwindigkeit entstehen würden. Die Franken sollten nicht mit der Ludwigs-Eisenbahn fahren, da man durch die vorbeisausende Landschaft bewusstlos oder wahnsinnig werden könne. Außerdem würde der giftige Qualm Mensch und Vieh vergiften. Ein Pfarrer aus Schwabach versteifte sich sogar auf folgende Einschätzung: »Die Eisenbahn ist ein Teufelsding, sie kommt aus der Hölle, und jeder, der mit ihr fährt, kommt geradezu in die Hölle hinein.«

Mit Unverständnis reagiert Nudinger auf die Einschätzung, man würde der Figur seines Ur-Ur-Großvaters vielleicht eine zu große Bedeutung verleihen. Für die damalige Zeit sei das mit Koks betriebene, 14 Tonnen schwere und 41 PS starke Vehikel ein Wunderwerk der Technik gewesen.

Und Wilson war nicht nur ein Lokführer: »Die erste Eisenbahnfahrt ist gleichbedeutend mit dem ersten Mondflug. William Wilson war ein Pionier wie Juri Gagarin.« Wilson lebte fast 30 Jahre in Nürnberg. Die genaue Todesursache ist nicht bekannt.

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