Foto-Ausstellung im Kunsthaus: Seelenbilder von luftiger Weite

24.09.2013, 15:25 Uhr

Warum fotografieren wir? Um das Außergewöhnliche festzuhalten? Den fernen Ort, den wir bereisen? Um unsere Anwesenheit da und dort zu dokumentieren? Die verloren gehende Zeit im Moment zu fixieren? Warum hat Arno Schmidt fotografiert, dieser literarische Solitär, den seine Gemeinde verehrt, und der außerhalb dieser Gemeinde so wenig bekannt ist?

„Der Schriftsteller als Fotograf“ ist die Ausstellung betitelt, die Schmidts fotografisches Werk in 118 Bildern präsentiert. Fotografisches Werk? Er hat seine Bilder nie als Kunstform zur Diskussion gestellt. Man fand auch keine Fotos in seinen Zettelkästen, sie dienten ihm also nicht als Inspirationsquellen oder Gedächtnisstützen für die Romane, Erzählungen, Essays.

Trotzdem hat Arno Schmidt (1914— 1979) rund 2500 Farbdias hinterlassen und 1550 Negative in Schwarzweiß, darunter wenige flüchtige Knipsereien und viele konsequente Kamerablicke auf sein Umfeld im Wohnen, bei Spaziergängen, auf Reisen zu den Schauplätzen seiner Bücher.

Im Künstlerhaus werden einige Porträts gezeigt, die Schmidt von seiner Frau Alice machte und andere, die Alice von ihm machte. Hauptsächlich sind jedoch Landschaftsaufnahmen zu sehen. Kurator Janos Frecot aus Berlin hat sie nach Himmeln sortiert, nach Bächen, Baumvorhängen oder den Sandwegen der Heide um Bargfeld, wo der Autor lebte. Es gibt auch einige „Stillleben“ mit Pilzen oder Herbstblättern. Da hat sich der Schriftsteller hinter der Kamera für ein natürliches Arrangement interessiert oder hat selbst ein besonderes Lichtspiel arrangiert.

Meist aber hat er die Kamera auf die Horizonte gerichtet, die im Norden Deutschlands so weit hinten liegen und den Himmel mit glatten Schnitten von der Erde trennen. Oft stoßen Felder, Wiesen, Wege aus dem Vordergrund massiv und massig auf die Horizonte zu. Arno Schmidt erweist sich hier als ein Fotograf der Weite und der Fläche.

Bei einem Autor liegt es nahe, Bilder und Texte aufeinander zu beziehen (das umfangreiche Begleitprogramm zur Ausstellung bietet dazu einiges). Aus der Erzählung „Seelenlandschaft mit Pocahontas“ ließe sich etwa Folgendes zitieren: „Im bleiernen Wolkenkolosseum (das überall goldene Ränder kriegte): auf den lindgrünen Wiesenscheiben schnoben die Bauern, rannten Gabeln in rundrückiges Grummet…“ Wobei man sich die Bauern aus den Fotos fortdenken muss. Schmidts Bilder sind meist menschenleer. Vielleicht zeigen sie ja seine eigene Seelenlandschaft ohne Begegnung.

In einem Brief an den Maler Eberhard Schlotter schrieb er: „Die Biographie eines Menschen wird nicht nach Zeiten unterteilt sondern nach Orten (= Umgebungen)“. Insofern zeichnet die Ausstellung Stationen seiner Biografie nach. Womöglich war das der Impetus von Schmidts eifriger Arbeit mit der Kamera: Lebensspuren festhalten, Bezirke dokumentieren, die man durchwandert und deshalb in sich aufgenommen hat.

Arno Schmidt war als Fotograf kein Künstler, aber er hat die Kamera als Ausdrucksmittel beherrscht. Seine Bilder erzeugen Stimmungen wie mit eigener Handschrift. Vor allem machen sie tatsächlich wieder Lust auf seine Bücher.

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