Tausende Schaulustige waren dabei

Freibier und Freifahrten: Vor 50 Jahren wurde Nürnbergs erste U-Bahn-Strecke eingeweiht

Johannes Handl

Lokalredaktion

E-Mail zur Autorenseite

1.3.2022, 05:59 Uhr
Der Andrang am U-Bahnhof Langwasser Süd war enorm. Zur Einweihung der neuen U-Bahn-Strecke gab es an den ersten fünf Tagen Freifahrtscheine. Fast 160.000 Menschen ließen sich die Gelegenheit nicht entgehen.

© Friedl Ulrich/VNP, NNZ Der Andrang am U-Bahnhof Langwasser Süd war enorm. Zur Einweihung der neuen U-Bahn-Strecke gab es an den ersten fünf Tagen Freifahrtscheine. Fast 160.000 Menschen ließen sich die Gelegenheit nicht entgehen.

Als Freibiergesicht musste sich am 1. März 1972 kein Beobachter bezeichnen lassen. Denn über das "Rahmenprogramm" war im Vorfeld offenbar wenig bekannt, wie aus den launigen Zeilen eines damaligen Redakteurs unseres Hauses hervorgeht. Über den Start des ersten Nürnberger U-Bahn-Teilstücks von Langwasser Süd zur Bauernfeindstraße schrieb er: "Die Einweihung der U-Bahn an der Haltestelle ,Gemeinschaftshaus Langwasser‘ war ein Volksfest. Kein Mensch wußte, daß es Brezen gibt umsonst und jenes Bier, das seit seiner Erfindung nicht teurer wurde, Freibier nämlich. Und trotzdem waren Tausende da, die sich freuten, daß es mit dieser Stadt unterirdisch aufwärts geht."

Fünf Tage lang durften Fahrgäste die U-Bahn umsonst nutzen. Fast 160.000 Menschen ließen sich diese Gelegenheit nicht entgehen. Die Freifahrten hatten allerdings auch zur Folge, dass schon am ersten Tag Scharen von Kindern und Jugendlichen die U-Bahnhöfe und die U-Bahn zum Spielplatz erkoren.

"Sie liefen mit Rollschuhen auf den Bahnsteigen, setzten sich auf die Bahnsteigkanten und ließen die Beine in den Gleisbereich baumeln, kletterten gar auf den Gleiskörper und störten den Fahrbetrieb auch durch Blockieren. Dabei gab es lebensbedrohliche Situationen", war am Folgetag in den Nürnberger Nachrichten zu lesen. Durch die gefährlichen Spielereien konnte der Fahrplan längst nicht immer eingehalten werden.

Glänzender Einstand

Dennoch bescheinigte die Zeitung "Nürnbergs Verkehrsmittel der Zukunft" einen glänzenden Einstand. "Der U-Bahn, deren erster Abschnitt feierlich in Betrieb genommen wurde, kommt möglicherweise eines Tages die gleiche Bedeutung zu wie der ersten deutschen Eisenbahn im Jahre 1835."

Nürnbergs damaliger Oberbürgermeister Andreas Urschlechter betonte mit Blick auf die bevorstehenden Olympischen Spiele in München: "Wir bauen die U-Bahn nicht, weil uns große internationale Veranstaltungen dazu veranlassen. Wir bauen sie, um die Wirtschaftskraft der Stadt, ihren Wohnwert, ihren Industriewert und ihren Freizeitwert zum Wohl der Bürger zu steigern." Er betonte, dass nach den Spielen Finanzreserven frei würden und Nürnberg dann endlich gleichrangig mit München behandelt werden sollte.

Unter den Prominenten fehlte ein wichtiger Mann. Stadtkämmerer Hansgeorg Schmitz soll am Morgen der Eröffnung in seinem Kämmererstübchen am Defizit herumgerechnet haben. Als er gebeten wurde mitzukommen, sagte er nur: "1835 bei der ersten Eisenbahn, da war ich doch auch nicht dabei." Ein Argument, dem man sich schlecht verschließen könne, schrieb der Autor und ergänzte: "Nur ganz Böse sagten, er hat halt nicht kommen mögen, weil ihm selbst eine Freifahrt zu teuer ist." Dank seiner Abwesenheit lief Schmitz immerhin nicht Gefahr, sich einen Fauxpas zu leisten wie Kurt Scherzer. So hatte ausgerechnet der Oberbürgermeister von Fürth den Anschluss zum ersten Prominentenzug verpasst.

Zur feierlichen Eröffnung der ersten U-Bahn-Strecke gab es jede Menge Freibier. Tausende von Nürnberger Bürgern ließen es sich schmecken.

Zur feierlichen Eröffnung der ersten U-Bahn-Strecke gab es jede Menge Freibier. Tausende von Nürnberger Bürgern ließen es sich schmecken. © Friedl Ulrich/VNP, NNZ

Der Nürnberger Baureferent Otto Peter Görl dagegen glänzte mit Weitsicht. Um ein Band zu zerschneiden, soll er gleich sechs Scheren in seiner Tasche gehabt haben - es hätte ja eine kaputtgehen können. Das von OB Urschlechter, dem bayerischen Verkehrsminister Anton Jaumann und Staatssekretär Karl Wittrock durchschnittene Band zerschnippelte später Nürnbergs Pressechef Walter Schatz zum Andenken. Jeder, der wollte, bekam ein Stück davon ab.

Keine Kommentare