Handy als Waffe

Gegen Hass: So sollen Schüler vor Straftaten im Netz geschützt werden

5.7.2021, 17:15 Uhr
Gegen Hass: So sollen Schüler vor Straftaten im Netz geschützt werden

© Roland Fengler, NNZ

Ein Gewaltvideo aus dem Internet, ein Comic mit einem Hakenkreuz oder Kinderpornografie - Bayerns Staatsanwaltschaften sind immer häufiger mit strafbaren Inhalten auf Smartphones von Schülern beschäftigt.

Deshalb will die bayerische Regierung aufklären - und Justizminister Georg Eisenreich (CSU) tourt persönlich durch das Land. Jüngst besuchte er Würzburg, nun diskutiert er in Nürnbergs Strafjustizzentrum mit Schülerinnen und Schülern der 7. Jahrgangsstufe der Dr.-Theo-Schöller-Mittelschule. "Mach dein Handy nicht zur Waffe" lautet die Aufklärungskampagne, die er gemeinsam mit Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) gestartet hat.

Ab 14 Jahren: Bedingt strafmündig

Begrüßt werden die Jungen und Mädchen, fast alle 14 Jahre alt und damit bedingt strafmündig, von Thomas Dickert, dem Präsident des Oberlandesgerichts Nürnberg. Er stellt sich als 62-jähriger Vater zweier erwachsener Söhne vor, und sagt, dass er in seiner eigenen Jugendzeit heimlich in einer Telefonzelle stand, um sich ohne Wissen seiner Eltern zu verabreden.

Heute könne er sich ein Leben ohne Handy nicht mehr vorstellen. Und dies trifft freilich auch auf Justizminister Eisenreich und die Nürnberger Jugendrichterin Melanie Marston zu. Die Botschaft an die Schüler: Ein modernes Smartphone ist zwar vielfältig und praktisch wie ein Schweizer Taschenmesser - doch seine Funktionen können auch missbraucht werden.

Per Video zugeschalten: Falco Punch, einer der bekanntesten deutschen Stars der Videoplattform Tik Tok. Ein Influencer, der mit seinen Musikvideos knapp zehn Millionen Follower sammelt. Im Ministerium traut man ihm zu, Jugendliche auch für dieses Thema zu sensibilisieren.


Was ist strafbar?

Genau wie in der analogen Welt können in Chat-Apps, Foren und Social Media Plattformen Straftatbestände verwirklicht werden. Cybermobbing, also das Verbreiten von beleidigenden Gerüchten, Beschimpfungen und Bedrohungen, nimmt zu. Es ist strafbar, kinder- oder jugendpornografische Bilder über Chatgruppen zu versenden.

Es steht unter Strafe, kinder- oder jugendpornografische Bilder zu besitzen. Und Nutzer können sich auch strafbar machen, wenn sie kinderpornografische Bilder - unaufgefordert - über Chatgruppen zugesandt bekommen und diese nicht unverzüglich löschen oder den zuständigen Stellen melden.

Es ist auch strafbar, freiwillig hergestellte Nacktfotos der Freundin oder des Freundes ohne deren oder dessen Einwilligung über Social Media-Plattformen der Schulklasse zugänglich zu machen.

Auch beleidigende Äußerungen in einem sozialen Netzwerk zu posten, ist strafbar.


Im Video übersetzt Falco Punch all dies in jugendgerechte Sprache. Bässe wummern, während der Influencer warnt: "Beleidigungen sind nicht witzig! Nacktfotos von anderen Leuten zu verschicken ist dumm und peinlich. Hetze, Hass und Hakenkreuz sind kein Witz, Leute. Und sowas sollte man auch nicht liken. Es ist extrem widerlich".

Gegen Hass: So sollen Schüler vor Straftaten im Netz geschützt werden

© Roland Fengler, NNZ

Doch woher sollen die Schülerinnen und Schüler eigentlich wissen, was im digitalen Raum erlaubt ist und was nicht? Persönlichkeits- und Urheberrecht, Datenschutz und Datenmissbrauch - all dies gehört längst zu unserem Alltag, doch leicht ist es nicht, die schmale Linie zwischen Spaß und Straftat zu kennen. Richterin Melanie Marston beschreibt die Grenzen des Zulässigen, die Schülerinnen und Schüler haben Fragen mitgebracht.

Strafen werden immer im Einzelfall gebildet

"Aber welche Strafe droht genau, wenn ich Bilder mit Kinderpornografie verschicke?", will eine Schülerin wissen und ein Schüler hakt nach: "Darf ich Nacktfotos von meiner Freundin, wenn sie unter 13 Jahre ist, machen?" Ein konkretes Strafmaß kann die Jugendrichterin nicht nennen, sie erklärt, dass Art und Umfang von Strafen immer im Einzelfall gebildet werden, schon weil es eine wichtige Frage sei, ob der Betroffen bereits Vorstrafen habe. Von Nacktfotos rät sie grundsätzlich ab - schließlich geht im Internet nichts verloren, doch Beziehungen können schnell enden.

"Und wenn ich heimlich Filmaufnahmen mache, um meine eigene Unschuld zu beweisen?", will ein anderer Schüler wissen. Auch dies sei schwierig, so die Richterin, sie selbst setze in Verhandlungen immer viel lieber auf Augenzeugen.

"Bekommen auch die Eltern eine Strafe, wenn die Kinder Strafbares auf dem Handy haben?" Minister Eisenreich: "Bestraft wird immer nur der Täter, der selbst gehandelt hat - aber bei Eltern kann durchaus die Frage hinzu kommen, ob sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben."

In den Worten von Falco Punch: "Du bekommst Besuch von der Polizei, dein Handy wird beschlagnahmt, du machst Bekanntschaft mit dem Staatsanwalt, dem Richter oder dem Jugendamt, bekommst Sozialstunden aufgebrummt oder musst sogar in den Knast."

Bayerns Schüler verbreiten immer häufiger illegale Inhalte: Im Jahr 2019 wurden in Bayern 39 Jugendliche und Heranwachsende (im Alter von 14 bis 20 Jahren) verurteilt, weil sie kinderpornografische Inhalte verbreitet, erworben oder besessen haben.

Und in den vergangenen Jahren, so hält es die polizeiliche Kriminalstatistik unabhängig vom Tatort Schule fest, stiegen die Anzeigen im Bereich Kinderpornografie - bundesweit. Im Jahr 2018 wurden 1373 Tatverdächtige unter 18 Jahren erfasst, im Jahr 2019 waren es 4139 und im Jahr 2020 kletterte die Zahl auf 7643 Verdächtige - auch die Corona-Kontaktbeschränkungen sind ein Grund für die steigenden Zahlen.

Melanie Marston schildert, dass sie als Jugendrichterin in den Akten von immer krasseren Beleidigungen lesen muss, meist über das Handy per Whats-App versendet. "Ich bin mir sicher, dass die meisten Jugendlichen diese Worte und Sprüche im persönlichen Gespräch niemals sagen würden", sagt sie - und betont, dass die Ausrede "war doch nur Spaß" nicht gilt.

Sie gibt den Schülerinnen und Schülern eine einfache Grundregel mit auf den Weg: Fragt euch selbst, ob die Betroffenen mit dem Chat einverstanden wären - oder sich beleidigt fühlen könnten. Und dann sollte man eben nicht auf "senden" drücken.

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