Aktivisten greifen zur Kreide
Grausame Freier-Zitate säumen Nürnbergs Wege - Was es mit der Aktion auf sich hat
01.05.2025, 12:58 Uhr
Rund um die Straße der Menschenrechte ist an diesem 1. Mai viel los. Tausende sind unterwegs, zu Demos, Veranstaltungen oder um ihren freien Tag in Cafés oder Museen der Innenstadt zu verbringen. Dort sorgen Aktivistinnen und Aktivisten am Donnerstagvormittag gezielt für Irritation: Ein Verein nutzte den Tag der Arbeit für eine Aktion, die es in sich hat - und griff dafür wieder einmal zur Kreide.
Es sind grausame Sätze wie „Zum Druckabbau ist sie super, mehr aber auch nicht“ oder „Drei Loch begehbar. Nie ein Kondom gesehen“, die auf Radwegen, in den Gassen und auf den Plätzen stehen. Es sind viele unterschiedliche, erschreckende Aussagen, die die Verachtung für die betroffenen Frauen deutlich machen. Auch von Vergewaltigungen ist unverhohlen die Rede. Der Kontext wird dabei schnell klar. Unter den Sätzen steht „Freierforum Nbg“ und ein Datum, an dem jene Sätze in den einschlägigen Internetforen veröffentlicht wurden. Hinter der Aktion steckt die Nürnberger Ortsgruppe des Vereins „Sisters“, der sich hier seit Dezember etabliert hat.
Die Gruppe mit Hauptsitz in Stuttgart setzt sich für Menschen ein, die aus der Prostitution aussteigen wollen. Eine Sprecherin des Nürnberger Ablegers sagt zu der Aktion: „Viele Menschen wissen gar nicht, wie entwürdigend und gewaltvoll Prostitution in der Realität oft ist - und wie darüber im Netz gesprochen wird.“ Der Verein wolle so sichtbar machen, was normalerweise im Verborgenen bleibe.

Die Aktion erinnert an das Ankreiden sogenannter Catcalls, also belästigende Kommentare in der Öffentlichkeit, die ebenfalls mit Kreide auf die Straße angebracht und damit für alle sichtbar gemacht wurden. Jene Catcalls waren vor allem um das Jahr 2020 häufig auch in der Region zu finden. Die „Sisters“ lassen mit ihrer Maßnahme das Kreiden quasi wieder aufleben, wenn auch vor einem anderen Hintergrund. Sie wollen zu einem Umdenken anregen, sagen sie. Der Verein ist auch für politischen Aktivismus wie diesen durchaus bekannt und setzt sich für das sogenannte Nordische Modell ein. Darunter ist ein Sexkaufverbot zu verstehen, das die Freier und nicht die Prostituierten kriminalisiert. Anbietende werden dabei nicht bestraft. Erstmals wurde das Modell 1999 in Schweden eingeführt.
Auch der Verein Kassandra setzt sich in Nürnberg gegen die Ausbeutung von Prostituierten samt Beratungsstelle ein - jedoch unter einem ganz anderen Leitbild. Im Dezember haben wir in einem Podcastformat mit zwei Mitgliedern über ihre Erfahrungen und Perspektiven gesprochen.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen