Reaktion der Behörden
Nach Tod durch Polizeiwaffe in Nürnberg: Schwere Vorwürfe gegen Behörden in Sozialen Netzwerken
02.05.2025, 16:03 Uhr
Eine Polizeistreife war am 4. März in die Heisterstraße in der Werderau in Nürnberg gefahren, um einen Haftbefehl zu vollstrecken. In der Wohnung soll der 38-Jährige die Beamten angegriffen haben, später spricht die Polizei davon, dass er mit einem Küchenmesser bewaffnet war. Einer der Polizisten schießt, der 38-Jährige stirbt noch vor Ort.
Recht viel mehr ist über den Fall noch nicht bekannt. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gibt an, wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens nur begrenzte Informationen herausgeben zu können. Auch über den 38-Jährigen gab es lange wenig Informationen. Doch jetzt hat die aktivistische Gruppe Migrantifa Nürnberg einen Post auf Instagram mit dem Titel „Gerechtigkeit für Qabel“ verfasst.
Laut Migrantifa wurde Qabel, der am 4. März von dem Polizeischuss starb, als Teil der verfolgten und unterdrückten Minderheit der Mändäer im Irak geboren. Zunächst lebte er als Geflüchteter in Kuweit, bis er mit 12 Jahren nach Deutschland kam. Er ist Vater von zwei Kindern und hatte zusätzlich zwei kleine Hunde. „Sein Leben hat er der Kampfkunst und der Selbstverteidigung gewidmet. Vor allem Kindern, Jugendlichen, Frauen und auch Polizisten selbst hat er all sein Wissen vermittelt und nicht nur die Kunst der Selbstverteidigung beigebracht, sondern auch des Selbstbewusstseins“, schreibt Migrantifa. Für seine Schülerinnen und Schüler sei er Mentor und Vorbild gewesen, zu seiner Beerdigung seien hunderte Menschen gekommen, heißt es weiter.
Schwere Vorwürfe
Doch Migrantifa gibt dem 38-Jährigen aus der Nürnberger Südstadt nicht nur ein Gesicht und eine Geschichte. Die Gruppe erhebt auch schwere Vorwürfe gegen die Behörden. „Der Mord von Qabel ist kein Einzelfall, sondern reiht sich in eine Serie rassistischer Morde seitens der Bullen ein. Nicht mal im eigenen Zuhause ist man als Migrant:in sicher“, heißt es in dem Post.
Konkret sagt die Gruppe, dass der Haftbefehl, zu dessen Vollstreckung die Polizisten überhaupt erst in die Heisterstraße gekommen sind, nicht gerechtfertigt war. Der Haftbefehl geht laut Informationen der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth auf eine Körperverletzung gegen zwei Erwachsene 2024 zurück. Ein Haftbefehl sei aufgrund der Fluchtgefahr erlassen worden. Die besteht aus Sicht der Behörden meist dann, wenn die Person zum Zeitpunkt des Haftbefehls nicht über einen festen Wohnsitz verfügt. Migrantifa aber schreibt: „Die Behauptung der Fluchtgefahr ist und bleibt unerklärlich, denn Qabel war ein Mensch mit einer festen Anstellung, festem Wohnsitz und einem stabilen sozialen und familiärem Netzwerk.“
Was die Behörden zu den Vorwürfen sagen
Auf Nachfrage unserer Redaktion betont Heike Klotzbücher, Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, dass der Erlass eines Haftbefehls bei nicht allzu schweren Delikten immer sorgfältig geprüft werde. Im Fall von Qabel habe die Fluchtgefahr nach Ansicht der Staatsanwaltschaft und des Ermittlungsrichters aber vorgelegen. Sollte er zum entsprechenden Zeitpunkt über einen festen Wohnsitz verfügt haben, könne das möglicherweise nicht aus den Akten hervorgegangen sein. Mehr könne Klotzbücher aufgrund der laufenden Ermittlungen nicht sagen.
Migrantifa wirft der Polizei außerdem vor, die Angehörigen nicht über den Tod des 38-Jährigen informiert zu haben. „Sie mussten es nach Stunden durch die Medien erfahren“, heißt es. Auf Nachfrage unserer Redaktion gibt ein Pressesprecher der Polizei Mittelfranken an, dass eine Angehörigenverständigung am Nachmittag stattgefunden habe. Qabel wurde schon am Morgen um 8 Uhr erschossen. Dass die Angehörigen erst so spät von der Polizei verständigt wurden, habe an der Ermittlung der Angehörigen gelegen. Die sei nicht reibungslos verlaufen. Manchmal dauere es länger, bis die Angehörigen ermittelt sind, so der Sprecher weiter. Außerdem sei bei einem solchen Fall vor Ort viel zu tun. „Es kann sein, dass die Verständigung der Angehörigen da nicht an erster Stelle stand“, sagt der Polizeisprecher. Das sei bedauerlich, da „wir immer bemüht sind, die Nachricht persönlich zu überbringen“. Diesmal sei das leider nicht gelungen. Bis zur offiziellen Verständigung durch die Polizei hatten Angehörigen offenbar schon von dem Tod erfahren und sich proaktiv bei der Polizei gemeldet.
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„Wir sind wütend“, schreibt Migrantifa, „Und wir geben keine Ruhe, bis es Gerechtigkeit gibt.“ Der Fall liegt weiterhin bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, die Ermittlungen laufen weiter. Wie lange das Verfahren noch andauern wird, kann Klotzbücher nicht sagen. Auch wie viele Schüsse der Polizist letztendlich abgegeben hat, ist weiterhin Teil des laufenden Ermittlungsverfahrens.