Nürnberg feilt an Masterplan gegen baumlose Meilen

24.1.2020, 05:24 Uhr
Nürnberg feilt an Masterplan gegen baumlose Meilen

© Eduard Weigert

Graue Straßen gehen in graue Gehwege über. Manchmal liegt noch eine ebenso graue Radspur dazwischen, aber ein Baum wächst hier nicht. Diesen Anblick kennen viele Nürnberger aus der Südstadt, der Nordstadt, aus Gosten- oder Muggenhof und vielen weiteren Vierteln.

Das ist ein Problem. Um sich gegen den Klimawandel zu wappnen, braucht es genügend Straßenbäume in der Stadt – und einen Masterplan, wie die Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen aktuell in einem Antrag fordert. "Bisher gab es viele Einzelmaßnahmen, aber das Ganze muss jetzt zusammengeführt werden", begründet die Grünen-Stadträtin Andrea Bielmeier den Vorstoß.

 

 

 

Elf für mehr Bäume

"Die Bäume müssen mehr Priorität bekommen und von vornherein mitgedacht werden", sagt Bielmeier. Um ihre volle Wirkung entfalten zu können, müssen sie nahe genug beieinanderstehen. Laut Bund Naturschutz (BN) braucht es mindestens alle 20 Meter einen Baum auf beiden Seiten der Straße; statistisch betrachtet wächst aber nur etwa alle 38 Meter ein Baum. Rund 29.000 Exemplare stehen derzeit im Stadtgebiet – viel zu wenig. Laut BN bräuchte es 55.000.

Das ergibt ein Defizit von 26.000 Straßenbäumen. Zwar findet ein Umdenken bei den Menschen und in der Politik statt, doch es geht zu langsam, sagt Bielmeier. Der Masterplan umfasst elf Punkte für eine Gesamtstrategie: dienststellenübergreifend arbeiten, Haushaltsmittel anpassen, weitere Standorte ermitteln, Baumregister erstellen und den Zustand der Bäume kontinuierlich dokumentieren. "Das benötigt Geld, Infrastruktur und vor allem Mitarbeiter", fasst Bielmeier zusammen.

"Wir können nicht alle bewässern"

Besonders stark verdichtet ist die Stadt innerhalb des Mittleren Rings. "Dort leiden die Bäume am meisten", sagt André Winkel, Sprecher des Servicebetriebs Öffentlicher Raum (Sör). Beim Bewässern konzentriert sich Sör deshalb auf diesen Raum. "Wir kontrollieren zwar 98.000 Bäume, die im Baumkataster für das ganze Stadtgebiet stehen. Wir können aber nicht alle bewässern, betont Winkel.


400 Jahre und gesund: Das sind Nürnbergs älteste Bäume


"Etwa die Hälfte aller Probleme rühren vom Wassermangel her", sagt Mathias Schmidt vom BN. Er gehört der Projektgruppe Straßenbäume an. Die Aspekte des Masterplans entsprächen ziemlich genau dem, was der Arbeitskreis seit mindestens zehn Jahren fordert, weshalb er den Antrag der Grünen sehr begrüßt. Auch er fordert eine Gesamtstrategie, an die sich "alle Ämter gebunden fühlen, damit es schneller vorangeht".

Häuser kühlen nicht mehr ab

Alle Welt redet vom Klimawandel, und schon jetzt wird es in den Hitzesommern ungemütlich in den dicht besiedelten Gebieten Nürnbergs, weil die Häuser nachts nicht mehr herunterkühlen, weiß Schmidt. Bäume funktionieren wie natürliche Klimaanlagen: Sie spenden Schatten, kühlen und befeuchten ihre Umgebung. Das hätten mittlerweile viele erkannt – auch bei Sör, sagt Schmidt.

So haben sie die Bewässerung schon deutlich ausgebaut und mit der Baum-Managerin Petra Wang eine neue Stelle geschaffen. Winkel sagt, die meisten Forderungen, wie ein Baustellenmanagement oder Baumregister, würden schon erfüllt. "Bleibt nur die Frage nach dem ,Wie viel’", sagt der Sör-Sprecher. Aber darüber müsse der Stadtrat entscheiden, ob mehr für die Bäume geleistet werden muss. Der Etat sei bereits um eine halbe Million Euro aufgestockt.

Derzeit fällt Sör wieder wöchentlich Bäume, da sie abgestorben sind. Viele konnten der Trockenheit nicht standhalten oder Pilze haben sie befallen. Allein letztes Jahr mussten 365 weichen. 423 haben die Mitarbeiter neu gepflanzt, 192 davon waren Ersatz. Die Fällarbeiten stoßen häufig auf Unmut, weil die Anwohner oft nicht wissen, warum die Bäume gefällt werden.

Bereits im Oktober bemängelte die Grünen-Fraktion die fehlende Transparenz. Ist nun ein Pilzbefall oder die Trockenheit schuld? Im Fall Brückenstraße in St. Johannis hätten die Bürger laut des Grünen-Antrags widersprüchliche Aussagen bekommen.

Bielmeier wünscht sich für die Zukunft auch hier mehr Bürgerbeteiligung. Zum einen sollen sich die Menschen äußern können, wo sie gerne mehr Grün hätten. Zum anderen sollen sie sich in natürlicher Konsequenz um Baumscheiben kümmern: "Uns geht es um den gesamten Lebenszyklus Baum."

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