Nürnberg: Sensibilität gegenüber Baudenkmälern nimmt zu

02.02.2014, 07:01 Uhr
1942 wirkte die Adlerstraße 36 noch gut gepflegt (li.). Heute befindet sich darin eine Disco. Auch wenn sich Fassade und Dach komplett verändert haben (re.): Der Kern ist original. Ein Fall für die Altstadtfreunde?

© Stadtarchiv/Roland Fengler 1942 wirkte die Adlerstraße 36 noch gut gepflegt (li.). Heute befindet sich darin eine Disco. Auch wenn sich Fassade und Dach komplett verändert haben (re.): Der Kern ist original. Ein Fall für die Altstadtfreunde?

Karl-Heinz Enderle, der Vorsitzende der Altstadtfreunde, erkennt trotz vereinzelter Fälle dennoch einen positiven Trend: Insgesamt habe die Sensibilität für alte Häuser zugenommen. Er kann sich an deutlich schlimmere Zeiten erinnern.

Die Abrisswut hat ihren Höhepunkt in den 1960er Jahren erreicht. Über 3000 historische Häuser gab es vor dem Zweiten Weltkrieg in der Nürnberger Altstadt. Die Bomben lassen 330 übrig. Vor allem in der westlichen Altstadt bleibt einiges an Substanz erhalten, wohingegen der Osten nahezu völlig zerstört wird. „Aber die erschreckendste Zahl ist für mich, dass nach Kriegsende noch einmal 80 Häuser abgerissen wurden“, sagt Karl-Heinz Enderle. „Die Menschen schämten sich damals regelrecht der alten Gebäude, Ornamente wurden einfach mit dem Hammer abgeschlagen.“

Bis Anfang der 1970er Jahre hält sich der unbedingte Glaube an Fortschritt und Moderne. Dem fallen auch die beiden verbliebenen Weberhäuser an den „Sieben Zeilen“ zum Opfer, die dem Bombenhagel entgangen waren. Ein Berliner Architekt lässt die bereits restaurierten und noch im Originalzustand erhaltenen Gebäude 1972/73 abreißen.
Damit sind die letzten Originalzeugnisse einer der ersten Arbeiterwohnsiedlungen Deutschlands zerstört. Im 15. Jahrhundert ließ die Stadt die Häuser errichten, um darin aus Schwaben angeworbene Weber unterzubringen, die das Textilgewerbe in Schwung bringen sollten.

Dann, 1973, erinnert sich Karl-Heinz Enderle, kippt die Stimmung. Der Fortschrittsglaube weicht einer Welle der Nostalgie – ein Wort, das es vorher im Deutschen nicht einmal in seiner jetzigen Bedeutung gab, so der Altstadtfreunde-Chef. „Als Student sagte mir dieser Begriff Anfang der 70er Jahre noch gar nichts. Das Bedürfnis war neu.“ Plötzlich sind Gründerzeit-Möbel wieder schick, auf Flohmärkten wird eifrig gehandelt.

Nun haben auch historische Gebäude wieder eine Chance. 1973 tritt das Bayerische Denkmalschutzgesetz in Kraft. Die Altstadtfreunde gewinnen unter ihrem damaligen Vorsitzenden Erich Mulzer an Einfluss.

Bis heute haben sie sich vieler Häuser angenommen und sie vor dem Verfall bewahrt; zuletzt etwa die Irrerstraße 1, die Kühnertsgasse 18–22 (dort befindet sich jetzt ein Museum) und der neue Sitz der Altstadtfreunde in der Weißgerbergasse10. Darüber hinaus hat der Verein an vielen alten Häusern das Fachwerk freigelegt.

Mittlerweile zählen die Altstadtfreunde 5700 Mitglieder. „In der Innenstadt wird über den Abriss historischer Gebäude nicht mehr diskutiert“, formuliert Karl-Heinz Enderle den Verdienst seines Vereins. Dennoch: Zu tun gibt es für die Altstadtfreunde weiterhin mehr als genug. Aktuell kämpfen sie beispielsweise für die Ausmalung des Historischen Rathaussaals.

Auch die Adlerstraße 36, in der sich derzeit eine Diskothek befindet, würde der Verein gern in seinen historischen Originalzustand zurückversetzen.

Eine schwächere Lobby haben Gebäude außerhalb der Altstadt: Das Bauernhaus an der Elisenstraße (Schweinau) etwa wurde abgerissen, der Milchhof systematisch zerstört. Auch das Frankenburger-Haus, in dem die Deutsche Rentenversicherung residierte, konnte nicht gerettet werden. Die Zukunft der Sandsteinkaserne an der Bärenschanzstraße ist zumindest ungewiss. Und auch für den Erhalt des Volksbads ist keine Lösung in Sicht.



Um Gebäude außerhalb der Altstadt kümmert sich auch die Stadtbild-Initiative, die sich im Jahr 2012 gegründet hat. Sie ist für Enderle ein Zeichen dafür, dass die Sensibilität gegenüber stadtbildprägenden Gebäuden mit Charakter zunimmt. „Ich spüre Rückenwind“, sagt der Altstadtfreunde-Chef.
 

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