Per Einkaufswagen auf Hamsterkauf

30.12.2007, 00:00 Uhr
Per Einkaufswagen auf Hamsterkauf

© Stefan Hippel

Den überladenen Einkaufswagen des Hintermannes in den Kniekehlen, vor sich in der endlosen Kassenschlange schwitzende Leidensgenossen, so haben sich gestern wieder Massen an piepsenden Scannern vorbeigequält.

Morgen wird’s noch schlimmer: Nur ein halber Einkaufstag vorm Feiertag und der Konsument reagiert, als gäbe es nie wieder was zu essen. Schon vor Weihnachten ging es heuer dermaßen hektisch zu, dass selbst ein sturmerprobter Marktleiter wie Helmut Mehlich von der Karstadt-Feinkostabteilung von «Irrsinn» spricht, und davon, dass er derlei in 32 Dienstjahren noch nicht erlebt habe.

Sonntagsdienst

Silvester dräut und zum zweiten Mal geht seine 100-Mann-Mannschaft im Untergeschoss daran, mit eisernem Lächeln entnervte Kunden zufrieden zu stellen. Das Gros seines Teams werde am Sonntag antreten und vorbereiten, was ihnen montags ab acht Uhr früh aus den Händen gerissen wird.

Dabei sehen die appetitlichen Fischreihen und die mausetoten Scampi-Familien, die Manfred Bodisch auf seine Waage packt, gar nicht so aus, als würden sie jemals weniger werden.

Doch die Kundschaft, so Feinkost-Chef Mehlich, habe nun mal feste Vorstellungen von der Ware, die an Silvester auf den Tisch kommen soll. Frisch, sofort und wie’s im Rezept steht, so muss es sein. Die Gesetze der Hochseefischerei sind den Leuten schnuppe. Mehlich: «Die Fischer fangen ja nicht mehr, nur weil Silvester ist.»

Ähnliches gelte für die Jäger, die Wild liefern. Hunderte von Bestellungen sind abzuarbeiten, alle Kassen besetzt, «und trotzdem knallt es mal, wenn was schief geht.» Wer seinen Wildlachs lieber nach Hause geliefert bekommen möchte, hat schlechte Karten. Den Kurierdienst gebe es nicht, der diese Fracht an einem halben Tag bewältigen könnte.

Doch Mangel verdaut der Verbraucher schlecht. Brigitte B. aus Laufamholz, die Steinbeißer und Heilbutt nicht in der Großfamilienportion ergattern konnte, die auf ihrem Einkaufszettel stand, sieht aus, als würde sie am liebsten mit dem Fuß aufstampfen. Jetzt wühlt sie verzweifelt im Tiefkühlregal.

100 Prozent mehr Umsatz an Weihnachten, 50 Prozent mehr vor Silvester. Fischhändler Bernhard Schels pariert den Ansturm in der Blumenstraße mit einer zweiten Theke und sieben statt drei Mitarbeitern.

Frischer Lachs, geräucherter Biolachs, wilder Lachs - unter den Wanderfischen mit dem rosigen Fleisch richten die Feiertage ein gigantisches Fischsterben an. Den Austern geht’s nicht viel besser.

Morgens um vier tritt Schels den Dienst an, packt ein und aus, damit fünf Stunden später alles gut wird. Seit Fische die Stars in allen möglichen Kochsendungen sind, sei die Nachfrage riesig. Egal, die Fischer, sagt Schels, machen zwischen den Jahren Urlaub.

Warum die Verbraucher vor Feiertagen die Läden wie die Lemminge stürmen, ist nicht wirklich erforscht. GfK-Marktforscher Rolf Bürkl weiß nur, dass der (Lebensmittel-)Einzelhandel 40 Prozent seines Umsatzes in der Weihnachtszeit macht - und dass er selbst morgen noch schnell frische Forellen holen wird. Das Schlange Stehen werde eben in Kauf genommen, sagt er.

Noch eine Frühaufsteherin: Ulrike Langer von Käse-Langer in Mögeldorf bindet sich um halb vier morgens die Schürze um. Auch den Sonntag hat sie drangegeben, um den Stoff für Raclettes, Fondues, den edlen Schinken und das bestellte Bio-Geflügel vorzubereiten. Staus freilich gibt es in ihrem kleinen, feinen Lädelchen nicht. Wenn es voll sei, gingen die Leute wieder und kämen später, sagt sie. Wetten, dass die Wartezeit in der Marktkauf-Kassenschlange vergeht? CLAUDINE STAUBER