"Muna-Süd" oder Harrlach?

Protest gegen ICE-Werk: "Bahn zündet nur Nebelkerzen"

3.10.2021, 11:13 Uhr
Protest gegen ICE-Werk:

© Gunther Hess, NN

„Kein ICE-Werk im Reichswald“. Dieser Wunsch auf etlichen Transparenten hat rund 400 Protestierende in Röthenbach, neben dem Geschäft von Thomas Phillips, zusammengeführt. Es waren nicht nur Mitglieder der Bürgerinitiativen Röthenbach, Feucht und Harrlach, die sich dort trafen, sondern etliche Normalbürger. „Wir sind hier, wir sind laut, weil die Bahn den Wald uns klaut“, skandierten sie gemeinsam. Eine Handvoll Redner verdeutlichte, dass der vorgesehene Standort „Muna-Nord“ denkbar ungeeignet ist. Stattdessen müssten sich die Protestierenden um die beiden anderen verbliebenen Standorte „Muna-Süd“ und Harrlach kümmern, weil die Bahn lediglich „Nebelkerzen“ abbrenne. Auf aufgehängten Plakaten war das große Muna-Gelände grob halbiert in einen nördlichen und einen südlichen Teil mit jeweils rund drei Kilometer Länge und einer Breite von etwa 800 Metern.

Protest gegen ICE-Werk:

© Gunther Hess, NN

„Der Mensch verbraucht die Welt“, sagte die Grünen-Politikerin und Moderatorin Barbara Dorfner gleich zu Beginn. Später schob sie nach, „Muna-Nord“ sei kein Standort für ein ICE-Werk, der Druck auf „Muna-Süd“ sei erheblich.

Muna-Nord überhaupt nicht geeignet

Herbert Fahrnbauer von der Feuchter „Bürgerinitiative gegen die Waldzerstörung“ erklärte gleich zu Beginn seiner Rede, der Standort Muna-Nord sei überhaupt nicht geeignet und rief die Anwesenden dazu auf „Muna-Süd“ und Harrlach zu verhindern. Er ging auf die Geschichte der Muna ein und erinnerte an die große Explosion 1946, bei der die gesamte Muniotion weitflächig verteilt worden sei. Sie ruhe drei bis zehn Meter tief in der Erde. 2009 sei der „Sarkophag“, in dem sich reichlich Munitionsreste befänden, verschlossen worden.

Protest gegen ICE-Werk:

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Das ICE-Werk benötige 46 Hektar Fläche, zur Verfügung stünden 144 Hektar, man wisse nicht, wo das Ausbesserungswerk entstehen solle. Ein Gutachten von 2010 empfehle die „vollflächige Räumung des Geländes ohne Tiefenbegrenzung“. Das Werk solle 2028 in Betrieb gehen. Das Entmunitionieren bedeute einen wahnsinnigen Zeitaufwand und sei in der knappen Zeit nicht zu schaffen. Ferner brauche man einen Grundwasser-Reinigungsanlage. Fahrnbauers Fazit: „Wir müssen uns um ,Muna-Süd‘ und Harrlach kümmern!“

Bahn muss alle Fragen beantworten

Wendelsteins Bürgermeister Werner Langhans hatte einen schweren Stand. Er berief sich auf seinen Brief an Markus Söder (wir berichteten), den er vorlas und verwies auf die Infoveranstaltung am Mittwoch, 20. Oktober, 19 Uhr, bei der die Bahn alle Fragen beantworten müsse. Altenfurt/Fischbach sei Premium-Gebiet gewesen, und das sei von Markus Söder aus dem Rennen genommen worden. „Wir müssen zusammenstehen“, appellierte er an die Protestierenden.

Protest gegen ICE-Werk:

© Gunther Hess, NN

Verteidigen musste der Wendelsteiner Bürgermeister den ursprünglichen Beschluss des Marktgemeinderats, wonach die Bahn das ICE-Ausbesserungswerk auf „Muna-Nord“ bauen dürfe, wenn sie das Gelände vollständig entmunitioniere. Ihm wurde vorgeworfen, eine eventuelle Gesundheitsgefährdung eingetauscht zu haben gegen eine gesundheitliche Dauerbelastung. Er musste sich auch Vorwürfe anhören, warum er die Veranstaltung vom 20. Oktober in die Schwarzachhalle gelegt habe, wo doch dort angesichts von Corona lediglich 100 Personen hineinpassen würden. Die Munition in der Muna bleibe ein Problem, erklärte er, es sei fadenscheinig zu sagen „Schwamm drüber“. In diesem Zusammenhang bat er die Anwesenden um Unterstützung für die Entmunitionierung.

"Wald hat Vorrang"

Tom Konopka, im Bund Naturschutz Regionalreferent für Nordbayern, sagte es sei ein Affront, den Schutz durch den Bannwald-überhaupt in Frage zu stellen. „Wald hat Vorrang“, sagte er. Der Wald auf der Muna sei schon mehrfach gerettet worden: Das erste Mal, als die US-Armee dort einen Panzer-Übungsplatz bauen wollte. Dann, 1994, als eine Mülldeponie dort entstehen sollte. Erneut im Jahr 2000, als auf der Muna in BMW-Werk auf 250 Hektar Fläche geplant war. Noch einmal im Jahr 2002, als ein Gewerbegebiet „Lehmgruben“ dort geplant war. Abermals, als der Markt Wendelstein eine Direktanbindung zur Muna bauen wollte. Wieder im Jahr 2015, als das Gewerbegebiet „Moserbrücke“ in einem Bürgerentscheid mit 72 Prozent der Stimmen verhindert wurde. Und jetzt die Pläne für das ICE-Ausbesserungswerk.

Protest gegen ICE-Werk:

© Gunther Hess, NN

Das im Reichswald eingerichtete Vogelschutzgebiet „Natura 2000“ garantiere einen hohen Schutz. Der Reichswald sei die natürliche Klima-Anlage, die die Temperatur in der Großstadt im Sommer um bis zu drei Grad senke. „Der Reichswald bleibt tabu!“, sagte Konopka. Dass die Muna bereits als Ausgleichsfläche für Wald genutzt wurde, der für die Autobahn gerodet wurde, bezeichnete er als „Kollateralnutzen“. Die Sanierung der Muna werde mindestens 50 Jahre dauern. Die Bahn habe lediglich eine Nebelkerze geworfen mit dem Standort „Muna-Nord“, in Wahrheit gehe es ihr um den Wald am Jägersee („Muna-Süd“).

Bahn kann auch auf eigenem Gelände bauen

Die Naturwissenschaftlerin Dr. Monika Maier-Peuschel von der BI Burgthann informierte darüber, dass die Bahn ihre Pläne auch auf 35 Hektar verwirklichen könne, nicht auf 55 Hektar. Allerdings sei das „Betriebslayout“ auf 144 Hektar ausgelegt. Die Bahn sei ein großer Immobilien-Eigner, der auch gut auf eigenem Gelände bauen könne. An allen anderen Standorten in Deutschland habe die Bahn eigenes Gelände genutzt.

Protest gegen ICE-Werk:

© Gunther Hess, NN

25 Mal am Tag werde der ICE hupen sagte Maier-Peuschel, was durch eine Signal-Anlage, die neben der Bühne loströtete, verdeutlicht wurde. Die Bahn müsse Fragen beantworten nach der Versorgung mit Wasser und der Entsorgung von Abwasser sowie der Versorgung mit 20000 Mahlzeiten für die Reisenden in den 25 Zügen. Durch die Baumaßnahmen werde der Boden verdichtet, der Regen könne nicht mehr abfließen. „Wenn die Bürger auf die Barrikaden gehen, verliert die Bahn Zeit“, zeigte sie sich überzeugt.

Bahn hat ihre Flächen versilbert

Die Grünen-Landtagsabgeordnete Dr. Sabine Weigand aus Schwabach räumte ein, dass die Grünen sich in einem Dilemma befänden zwischen der gewünschten Verkehrswende und dem geplanten Bau des ICE-Ausbesserungswerks. „Wir sollen dafür büßen, dass die Bahn keine Flächen mehr hat, weil sie alles versilbert hat“, zeigte sie sich überzeugt. „Finger weg, Bahn, vom Bannwald“, forderte sie. Die Bahn verschmutze Wasser und Luft, sorge für Lichtverschmutzung und Lärm und schmälere die Lebensqualität der Anwohner.

Die Grünen hätten die Firma Quadra-Ingenieure mit einer Untersuchung beauftragt. Ergebnis: Es gehe auch kleiner. „Die Bahn hat eine Riesenverantwortung – und die soll sie gefälligst übernehmen“, forderte die Grünen-Politikerin. Sie solle stattdessen auf einer Industriebrache bauen.

"Nichtsignifikante Siedlung"

Inge Jabs wohnt in der Feuchter Waldsiedlung, die auf dem Muna-Gelände liegt. Sie überbrachte Grüße aus „einer nichtsignifikanten Siedlung“. „Schluss mit täuschen und tricksen“, forderte sie von der Bahn.

Dr. Jürgen Amrhein von der BI Harrlach verwies darauf, dass ein-Bahn-Vertreter in dieser Woche zu einer Info-Veranstaltung nach Harrlach kommen werde. Er wisse gar nicht, was er fragen solle, denn er habe „jegliches Vertrauen in die Bahn verloren“.

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