Nürnberger Biergeschichte(n)

Saison- und Festbiere: Ein Spiel mit den Aromen

Johannes Handl

Redaktion Nürnberg

E-Mail zur Autorenseite

10.03.2022, 12:00 Uhr
Spezielle Biere für eine besonderen Zeit. Auch an Weihnachten bieten zahlreiche Brauereien Festbiere an. Diese zeichnen sich unter anderem durch einen höheren Alkoholgehalt aus.

© Angelika Warmuth, dpa Spezielle Biere für eine besonderen Zeit. Auch an Weihnachten bieten zahlreiche Brauereien Festbiere an. Diese zeichnen sich unter anderem durch einen höheren Alkoholgehalt aus.

Wer verstehen möchte, was saisonale Biere auszeichnet, oder den Verdacht hat, dass sie lediglich Resultate einer cleveren Marketingstrategie seien, muss ein paar Jahrhunderte zurückgehen. Ab 1553 galt von Georgi (23. April) bis Michaeli (29. September) ein Brauverbot, da es im Sommer zu warm war, um mit untergäriger Hefe, die bei niedrigen Temperaturen gärt, zu arbeiten. Zur heißen Jahreszeit hatten die Menschen aber natürlich besonders viel Durst. Also hat man im März und April Kellerbier stärker und kräftiger eingebraut. So entstand das Märzen.

„Dann kam die Kirche ums Eck mit ihrer Bockbiertradition“, sagt Biersommelier Markus Raupach. „Wenn man schon nicht richtig essen kann, dann trinkt man wenigstens ordentlich“, so die Denkweise. In den Fastenzeiten - sowohl 40 Tage vor Ostern als auch 40 Tage vor Weihnachten - wurde eine noch stärkere Version gebraut, das Bockbier.

Mit der Industrialisierung wurde das Mälzen und Brauen professionalisiert. Industriebrauereien kamen auf, Bier konnte nun ganzjährig gebraut und dank der Erfindung von Carl von Linde auch gekühlt werden. So entstanden neue Bierstile wie das Dunkle, das Helle und das Pils. „Und da hat man sich an diese Tradition erinnert und gesagt: Wir können zu festlichen Anlässen - so wie früher - ein stärkeres, kräftigeres Bier brauen“, erklärt Raupach.

Alkohol als Geschmacksträger

Laut dem Bamberger nutzen viele Brauereien Festbiere, um mit Aromen zu spielen - und zu Marketingzwecken, indem sie etwa bewusst Weihnachtsbiere produzieren. Diese sollen wie das traditionelle Vorbild kräftiger sein. „Das gibt dem Bier mehr Körper und Charakter. Alkohol ist auch ein Geschmacksträger, insofern wird es intensiver schmecken und zu klassischen Speisen passen, die man an einem Festtag isst.“

Dass inzwischen mehr Festbiere gebraut werden, hat für den 47-Jährigen auch etwas mit Corona zu tun. Da die Gastronomie nur unter Einschränkungen geöffnet ist und Brauereien weniger absetzen, seien sie dazu übergegangen, Flaschenbier abzufüllen. Ein Vorteil: Mit einem Festbier könne man ein besonderes Thema besetzen. „Außerdem haben die Brauer langsam endlich gelernt, dass es wichtig ist, ihren Bieren eine schöne Geschichte und einen schönen Namen zu geben. Da warten wir ja seit 40 Jahren drauf“, sagt Raupach, für den Saisonbiere auch wichtige Imageträger sind.

Er kennt sich aus: Biersommelier Markus Raupach.

Er kennt sich aus: Biersommelier Markus Raupach. © PR

Und wie beurteilt der Experte die Nürnberger Angebote? Bei den Brauereien, die zu Tucher gehören, habe sich wirklich viel getan, unter anderem mit dem Rotbier, „das zunächst als saisonale Spezialität gedacht war, aber insgesamt unheimlich kreativ ist vom Prozess und vom Geschmack her“. Bei den anderen sei Schanzenbräu schon immer sehr umtriebig gewesen. Besonders das Kehlengold hat es ihm angetan, „bei dem der Name schon schön ist und das sich vom Malzkörper wie auch von der Bittere deutlich unterscheidet vom Standard-Pils.“ Oben im Altstadthof, betont Raupach, gebe es traditionell besondere Biere. Dort habe sich nicht ganz so viel verändert, weil sich der Altstadthof als Gasthausbrauerei mit seinem Ensemble und seinen Bieren ohnehin positioniert habe und schon immer eigene Bierideen präsentiere.

An Felix vom Endt, dem Gründer von Orca Brau, bewundert Raupach, dass „er immer wieder auf neue Ideen kommt, Bierstile neu kreativ umsetzt und Grenzen ausdehnt.“ Einen generell großen Stellenwert haben Saisonbiere auch in der Bierothek in der Äußeren Laufer Gasse 6. „Wir haben den Aktionstisch direkt am Fenster. Da stehen gerade natürlich unglaublich viele winterliche Weihnachtsbiere. Zur Bockbierzeit sind da Bockbiere aufgereiht, im Sommer eher die leichteren“, sagt Inhaber Steffen Rohnalter. Zurzeit bietet der 31-Jährige eine Vielzahl an Festbieren und dunklen Märzen an. Zum Teil hätten Brauereien schon mit Winterbockbieren begonnen. Momentan würden die Flaschen gerne als Geschenk gekauft.

Kundschaft wird immer offener

Vor allem bei den kleineren Brauereien, betont Rohnalter, gebe es Spezialsude, die nur zu dieser Jahreszeit gebraut würden: „Wenn man die traditionellen fränkischen Brauereien hernimmt, sind das naturtrübe, dunkle Festbiere, die nur jetzt erhältlich sind.“ Ob die verschiedenen Spezialsude geschmacklich immer unbedingt etwas mit Weihnachten zu tun haben, bezweifelt der Geschäftsführer, „aber es sind definitiv saisonale Produkte“.

Wie Raupach stellt auch Rohnalter fest, dass die Kundschaft inzwischen viel offener sei als noch zu Zeiten, als immer der gleiche Kasten im Einkaufswagen landete: „Natürlich gibt es die Stammtrinker. Aber es wird immer wieder nach links und rechts über den Tellerrand geschaut. Das muss nicht unbedingt nur am sogenannten Craft Beer liegen.“ Diese neue Offenheit macht Rohnalter auch an klassischen Traditionsbrauereien fest, die plötzlich ein kaltgehopftes Lager produzieren oder ein Bier in ein Holzfass legen. „Wenn ich da zehn bis 15 Jahre zurückblicke, als es bei mir so richtig in der Bierszene losging, da war das ja noch undenkbar.“

Verwandte Themen


Keine Kommentare