Stadtmuseum Fembo-Haus

Spannend: Wie das Innere der Nürnberger Hauptsynagoge einst ausgesehen hat

Hartmut Voigt

Lokalredaktion Nürnberg

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10.5.2022, 19:55 Uhr
Spannend: Wie das Innere der Nürnberger Hauptsynagoge einst ausgesehen hat

© Roland Fengler, VNP

Ein prunkvoller, großzügiger Raum mit reich verziertem Gewölbe, Licht dringt durch die zahlreichen Fenster ins Innere und sorgt für eine meditative Atmosphäre. Die Stille, die das jüdische Gotteshaus ausstrahlt, ist fast greifbar. Im Erdgeschoss stehen mehrflammige Kandelaber an den Bankreihen für die männlichen Gläubigen, die erste Etage ist für die Frauen reserviert. Die Hauptsynagoge am Hans-Sachs-Platz war sehr repräsentativ: 1874 wurde das Bauwerk im maurischen Stil des Architekten Adolf Wolff eingeweiht, 64 Jahre später - im August 1938 - von den Nationalsozialisten abgerissen.

Barbarische Zerstörung

Die Hauptsynagoge in unmittelbarer Pegnitznähe wurde bis zum letzten Stein zerstört. Heute erinnert dort ein Denkmal an das jüdische Gebetshaus. Und es gibt nun eine weitere Erinnerung: das große Altstadtmodell aus Lindenholz im Stadtmuseum Fembo-Haus. Im Jahr 1939 wurde es geschnitzt, am Standort der einstigen Hauptsynagoge klaffte damals ein Loch. Denn ein Jahr nach der barbarischen Zerstörung war dort nur noch ein abgeräumtes Grundstück.

Jetzt - nach den deutschlandweiten Feiern zu 1700 Jahre jüdischer Geschichte - wurde die Lücke geschlossen. Maßstabsgetreu steht ein Miniaturmodell mitten in der Altstadt-Ansicht. Es schimmert silbern und signalisiert damit, dass es sich um eine nachträgliche Ergänzung im holzbraunen Schnitzwerk handelt. Doch damit ist es nicht getan. "Es ist unsere Aufgabe, verschwundene Spuren jüdischen Lebens in Nürnberg wieder sichtbar zu machen", betont Kulturbürgermeisterin Julia Lehner. Neben dem Mini-Modell wurde ein weiteres, größeres angefertigt, das im Aufriss sowohl die Außenansicht wie auch das Innere zeigt. Es steht künftig neben dem großen Stadtmodell in der vierten Etage.

Spannend: Wie das Innere der Nürnberger Hauptsynagoge einst ausgesehen hat

© Roland Fengler, VNP

Außerdem zeigt ein zehnminütiger Film Fotoansichten der Hauptsynagoge und gibt Erinnerungen von Arno Hamburger wieder. Der verstorbene, frühere Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg (IKGN) ging dort als Jugendlicher zum Gottesdienst. Weiterhin gibt es einen virtuellen Rundgang, den Studenten der Technischen Universität Darmstadt und Marc Grellert von Architectura virtualis erarbeitet haben.

Wer eine 3D-Brille aufsetzt, kann das Innere der Hauptsynagoge virtuell und hautnah erleben - ganz so, als säße man in einer der Besucherbänke. Auch wenn es nur Illusion ist, so bekommt man doch einen nachhaltigen Eindruck des jüdischen Gebetsorts. Mit der modernen Technik hofft das Stadtmuseum, auch jüngere Besucher für seine Bestände zu interessieren. Der virtuelle Synagogen-Rundgang ist der erste Schritt, weitere stadtgeschichtliche Inhalte sollen ebenfalls aufbereitet werden.

IKGN-Vorsitzender Jo-Achim Hamburger freut sich: "Die Synagoge ist wieder da, wenn auch nur als Modell. Man kann erahnen, was durch den perfiden Abriss verloren gegangen ist." Er berichtet von der mit Problemen belasteten Baugeschichte im 19. Jahrhundert: So waren die Kosten auf rund 110.000 Gulden veranschlagt, bei der Endabrechnung standen 450.000 Gulden zu Buche. Hamburger beziffert den Umrechnungswert mit rund zehn Millionen Euro. Die jüdische Gemeinde tat sich nicht leicht, das Geld aufzubringen: Der Bankkredit sei bis 1924 abbezahlt worden, 14 Jahre später war von der Synagoge nur mehr ein Schutthaufen übrig.

Der IKGN-Vorstand hofft, dass ein weiteres Projekt nicht nur virtuell bleibt. Ihm liegt ein (reales) Begegnungszentrum am Herzen, in dem sich jüdische und nichtjüdische Mitbürger(innen) treffen und austauschen. "Vorurteile kann man nur ausräumen, wenn man sich persönlich begegnet", ist Hamburger überzeugt. Oberbürgermeister Marcus König steht dem Vorhaben wohlwollend gegenüber. Der Stadtrat habe intensiv darüber diskutiert, man trage nun Ideen, konkrete Vorschläge und Erwartungen zusammen. Doch viele Fragen sind bei dem Projekt noch offen - wie etwa die Trägerschaft, die Finanzierung oder der Standort. Es ist ein langfristiges Vorhaben, die Realisierung wird Jahre dauern. Doch König ist optimistisch, dass das Begegnungszentrum kommt.

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