Tauschen statt kaufen im Umsonstladen
25.03.2013, 00:00 Uhr „Achtung, da kommt wieder Nachschub!“, stupst Sabine Helm ihre Schwägerin mit dem Ellbogen an. Anfangs noch etwas zögerlich, ist die 38-Jährige nach einer Stunde bereits auf dem Weg, Tauschexpertin zu werden. Geht die Türe zu dem kleinen Laden in der Nordkurve in Gostenhof auf, richten sich die Blicke des vornehmlich weiblichen Publikums nicht als Erstes auf die Gesichter der Eintretenden, sondern auf die Tüten in deren Hände. Was wird wohl daraus hervorgezaubert? So einiges. Pinke Plateau-Sandalen, bodenlange Kimonos, Pullis mit Aufdrucken, die sogar in den 80ern auffällig gewesen wären und hin und wieder auch Markenware. Der Inhalt der Wundertüten wird an Seilen zwischen die Beine einer großen Klappleiter gehängt, einfache Kleiderstangen wären hier zu normal.
Das Prinzip ist so einfach wie genial: wer zur Tauschparty kommt, bringt ein paar Teile (oder auch nur eines) mit und kann sich dafür so viele Sachen mitnehmen, wie er möchte. „Es ist kein Eins-zu-eins-Tausch“, betont Katrin Bauer, die die Partys seit rund einem Jahr mit ihren zwei Kollegen vom Umsonstladen zusammen veranstaltet. Die 29-Jährige wollte keine reine „Abgabe-Annahme-Situation“, sondern, „dass die Leute über die Gegenstände ins Gespräch kommen“.
„Du hast ja meine Mütze!“
Und das funktioniert hervorragend: „Du hast ja meine Mütze!“ „Und du mein T-Shirt!“ Dialoge wie dieser fallen ständig an diesem Abend und sind, neben der Geldbeutel schonenden Art „einzukaufen“, sicher der Hauptreiz der ungewöhnlichen Party, die alle drei Monate stattfindet. Zu sehen, dass der unmögliche, gestreifte Pulli aus dem eigenen Kleiderschrank jemand anderem gefällt, erfreut und verbindet.
Oder, wie es Charlotte Grunow ausdrückt: „Dass eigene Lieblichkeiten, die zu Hause nur im Weg sind, jemanden freuen ist schön, und allemal besser, als sie wegzuwerfen.“ Als Tauschobjekt hat die 25-jährige Studentin bunte Wolltäschchen dabei, von der Oma selbst gehäkelt. „Die gehen immer schnell weg“, weiß sie als „Stammkundin“.
Kleidungsstücke stehen zwar ganz klar im Mittelpunkt, auf einem kleinen Regal findet sich aber auch Schnickschnack vom anatomischen Puppen-Körper über einen Lederflachmann bis hin zur altmodischen Porzellan-Terrine. Wie an der Klamotten-Leiter ändert sich das Sortiment auch hier im Laufe des Abends immer wieder: Ein flauschiges Häschen verschwindet in einer Tasche, stattdessen kommt eine Riesenhantel dazu: „Die Leute sollen die Sachen selbst drapieren“, sagt Katrin Bauer. Eigendynamik ist das Ziel.
Mix aus Laden und Kneipe
Vor allem jüngeres Publikum will man mit der Party anziehen. Weil das zu den normalen Öffnungszeiten des Umsonstladens, samstags von 11 bis 14 Uhr, gerne noch an der Matratze lauscht. Freitagabend ab acht gehen die Jüngeren dagegen gerne aus, um ein Bierchen zu trinken. Und auch das gibt es — gegen eine Spende — am Tresen bei der Tauschparty.
Die Mischung aus Secondhand-Laden, Wohnzimmer und Kneipe lockt aber keineswegs nur Studenten an. Auch die 54-jährige Ingrid Bauer kommt regelmäßig her. Vor allem der „soziale Aspekt“ ist es, den sie hier schätzt. Für sie ist die Tauschparty auch ein Ort, um Freunde zu treffen und zu plaudern. Neben einem gestreiften Pulli hat sie diesmal auch ihre Kollegin mitgebracht. „Eins a“, findet die 52-Jährige die Tausch-Idee. „Da sind schöne Sachen dabei, zwar nicht immer in meiner Größe, aber das ist halt das Zufallsprinzip.“
Was nicht passt, kann aber natürlich passend gemacht werden. Oft, erzählt Veranstalterin Katrin, kommen auch Schneiderinnen zum Stöbern. Sie suchen Dinge, die sie „upcyceln“ können. Aus einer Karotten–Jeans wird dann vielleicht eine Tasche, aus einer großgeblümten Bluse ein bunter Schal.
Ökologisch sinnvoll
Auch wenn es keine Verkäuferinnen an diesem Abend gibt, Beratung gibt es jede Menge. „Kann ich den anziehen?“, fragt eine Besucherin und dreht sich unsicher im dunkelblauen Pullover zu den Frauen auf der Fensterbank um. Die recken die Daumen hoch, der Pulli wandert in die Tasche.
Am Ende ist auch Neuling Sabine Helm begeistert. „Das macht ökologisch und ökonomisch Sinn“, findet sie. Gefunden hat sie zwar diesmal nur Gardinen, dafür freut die Schwägerin, dass ihr dunkelblauer Pullover noch ein zweites Leben hat.
Umsonstladen in der Nordkurve, Rothenburger Straße 51a. Die nächste Tauschparty findet am 19. April ab 20 Uhr statt.
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