Tausende müssen Anträge stellen
Ukraine-Flüchtlinge: Jobcenter wollen Weg für Integration bereiten
24.5.2022, 17:42 UhrDie Jobcenter bekommen kräftigen Zuwachs - nicht etwa an Personal, aber an Klienten: Werden die Geflüchteten aus der Ukraine bisher von den Sozialämtern unterstützt, so wird der größte Teil von ihnen ab Juni in das Hartz-IV-System wechseln - nämlich alle in erwerbsfähigem Alter samt Kindern. Allein das Jobcenter Nürnberg muss in kürzester Zeit die Übernahme von voraussichtlich rund 4000 Haushalten ("Bedarfsgemeinschaften") stemmen; damit vergrößert sich der Kreis seiner bisherigen Klienten um rund ein Fünftel.
Die vom Bundestag und Bundesrat beschlossene Änderung ist zwar mit erheblichem Aufwand verbunden, hat aber auch ihren guten Sinn. "In den ersten Wochen war es logisch, sie als Schutzsuchende einzustufen und damit den Asylbewerbern gleichzustellen, auch wenn die Ukrainerinnen und Ukrainer hier keine Asylanträge stellen müssen und sollen", erläutert Nürnbergs Sozialreferentin Elisabeth Ries. So erhielten - Stand Ende vergangener Woche - bisher gut 7500 Ukrainerinnen und Ukrainer Asylbewerberleistungen und waren damit auch behördlich offiziell registriert. "Ursprünglich gab es noch ein paar hundert Anträge mehr", erläutert Sozialamtsleiter Volker Wolfrum, doch seien inzwischen auch von Nürnberg aus etliche Geflüchtete entweder umgezogen oder sogar in ihre Heimat zurückgekehrt.
Die meisten wollen arbeiten
Für die, die hier Fuß gefasst haben, geht es nun mehr und mehr um Perspektiven einer längerfristigen Integration - von Sprachkursen über Kinderbetreuung bis zu einer Berufstätigkeit. Und statt in Gemeinschaftsunterkünften haben die meisten Geflüchteten bei privaten Gastgebern Aufnahme gefunden - auch das ein Unterschied zu den Vorgaben nach dem Asylverfahren. "Deshalb ist es logisch, sie jetzt über die Jobcenter zu betreuen", so Ries weiter. Zumal die meisten Geflüchteten ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können und wollen, zumindest nach dem Erwerb der nötigen Sprachkenntnisse.
Wichtigster Vorteil für die Betroffenen sind zunächst aber die - gegenüber den Leistungen für Asylbewerber - etwas höheren Hartz-IV-Sätze, außerdem eine Krankenversicherung bei einer Kasse ihrer Wahl. Der Weg dahin soll für sie nicht ganz so steinig sein wie sonst üblich: Anstelle der regulären Anträge, die oft zwölf und mehr Seiten umfassen, hat das Nürnberger Jobcenter (wie auch andere im Land) eine vierseitige Kurzversion entwickelt.
"Die für die Leistungen wichtigsten Informationen sind darauf gebündelt", erläutert Heidi Strobl, die stellvertretende Jobcenter-Chefin. Und nur so sei der Schwung von ein paar tausend Anträgen auch zu bewältigen. Im Gegenzug gibt es den Antrag nur in einer deutschen Fassung; bei Bedarf müssen Dolmetscher die Familien unterstützen. Zu den unverzichtbaren Voraussetzungen gehört die Vorlage einer Aufenthaltserlaubnis oder einer sogenannten Fiktionsbescheinigung, mit der das Ausländeramt die behördliche Registrierung bestätigt. Viele Helfer fürchteten, dass das für zahlreiche Betroffene zur Hängepartie werden könnte. Doch so schlimm werde es nicht kommen, glaubt der Sozialamtsleiter. Denn mehr als 4400 Geflüchtete haben diese Bedingung schon erfüllt.
Antragszentrum in der Fichtestraße
Die Vorbereitungen für den Übergang laufen schon seit Wochen. In Nürnberg hat sich das Jobcenter entschieden, die Beratung und Antragstellung für die Ukrainer in seiner Zentrale in der Fichtestraße zu konzentrieren. "Wir haben unser Bewerbungszentrum kurzerhand in ein Antragszentrum umfunktioniert und zwei Teams mit zusammen 50 Kolleginnen und Kollegen gebildet", berichtet Strobl weiter. "Alle haben sich freiwillig dafür gemeldet, fehlen nun aber natürlich in ihren Abteilungen." Es ist für Ratsuchende auch jetzt schon geöffnet.
Etliche Mitarbeiter verfügen über russische oder ukrainische Sprachkenntnisse, über die Arbeitsagentur steht aber auch eine Übersetzungs-Hotline zur Verfügung. Ob auch freiwillige Sprachvermittler zum Einsatz kommen wie in der zentralen Anlaufstelle oder den Notunterkünften, werde noch geprüft, so Strobl.
1000 Anträge liegen schon vor
Um die Betroffenen rechtzeitig auf den bevorstehenden Wechsel aufmerksam zu machen, haben die Stadt und das Jobcenter ein paar tausend schon registrierten Geflüchteten die Formulare, teils sogar vorausgefüllt, bereits zugeschickt. Die Grunddaten sollen amtsintern direkt übermittelt werden. "Und die ersten 1000 Antragsteller haben auch schon alle Papiere eingereicht", teilt Strobl mit. Um eine lückenlose Versorgung zu gewährleisten, erhalten die Familien die Zahlungen für den Lebensunterhalt ausnahmsweise auch im Juni noch vom Sozialamt, erst ab Juli vom Jobcenter. Was die Stadt vorstreckt, wird ihr anschließend vom Jobcenter erstattet; die Differenz zwischen Asyl- und Hartz-IV-Satz wird ebenfalls durch das Jobcenter ausgeglichen.
Für rund 700 Geflüchtete, vor allem Menschen im Rentenalter, bleibt das Sozialamt zuständig: Wer als nicht erwerbsfähig eingestuft ist, erhält Grundsicherung. Unterstützung erhalten die Jobcenter schließlich von den Kolleginnen und Kollegen der Arbeitsagentur: Die beraten und betreuen bei der Suche nach Beschäftigung und der Vermittlung in Arbeit.
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