Landwirtschaft hat viel zu bieten

25.09.2010, 11:25 Uhr
Landwirtschaft hat viel zu bieten

© Märtl

Die Politik muss vorher überle­gen, was die möglichen Folgewirkun­gen sind.“ Zu einem solchen „Tief­schlag“ wie beim Thema Rapsöl dürfe es nicht mehr kommen. Marlene Mor­tler pflichtete ihr selbstkritisch bei: „Wir müssen uns auch nach den Ent­scheidungen hinstellen und das ver­treten, was wir meinen.“ BBV-Kreisobmann Günther Felß­ner gab einen kurzen Überblick über die landwirtschaftliche Struktur, ih­re Besonderheiten und ihre Vielfalt im Nürnberger Land, die dann im An­schluss den Verlauf des Nachmittags dominierte. Und Marlene Mortler er­gänzte, dass es gerade die Vielfalt sei, die Gerd Müller interessiere. Es ge­he ihm darum, Erfahrungen aus der Praxis mitzunehmen und Erkenntnis­se zu gewinnen, wie man bestimmte Projekte „sinnvoll anstoßen und nut­zen kann“.

Die Vielfalt, die Marlene Mortler dann in Dehnberg aufzeigen konn­te, umfasste den eigenen Hof, Pfer­dezucht, Schafhaltung, die Ver­marktung regionaler Produkte und Erzeugnisse mit ihren verschiedenen Facetten, die Wertschöpfung aus der Landwirtschaft sowie nachwachsen­de Rohstoffe, Biomasse und Bioener­gie.

Siegfried Mortler führte dann kurz durch die Produktion von PESIKA. Neben der eigentlichen Landwirt­schaft, die zwischenzeitlich vom Sohn betrieben werde, sei die Firma ein weiteres Standbein. Zunächst habe man abbaubares Verpackungsmate­rial (Popcorn) produziert, zwischen­zeitlich stehen verschiedene Körner­sorten, die für die Nahrungs- und Pharmaindustrie aufbereitet werden, im Mittelpunkt. Auf der einen Sei­te würden zwar hohe Anforderungen im Hinblick auf Qualität erwartet, auf der anderen Seite aber auch „anstän­dig honoriert“, sodass sich der Betrieb selbst trage. Man sei voll ausgelastet und arbeite in zwei Schichten.

Als „Multitalent“ bezeichnete Mar­lene Mortler Marga Maiß, die stellver­tretende Ortsbäuerin aus Simonsho­fen, die dort Initiatorin und Motor des Dorfmarktes und des nun neu eröffne­ten Dorf- Cafés ist. Zudem betreibt sie mit zwei weiteren Bäuerinnen einen Partyservice und bewirtschaftet mit ihrem Mann einen landwirtschaftli­chen Nebenerwerbsbetrieb mit Pen­sionspferdehaltung.

Die Initiative für den Dorfladen, den eine Genossen­schaft trägt, kam aus der Dorferneu­erung. Der Laden deckt nicht nur die Be­dürfnisse des täglichen Bedarfs mit regionalen Angeboten, sondern entwi­ckelt sich immer mehr zu einem dörfli­chen Kristallisationspunkt.

Neuestes Projekt ist nun das Dorf-Café, das in einem alten Sandstein­haus, dem Elternhaus der Mutter von Landrat Armin Kroder, eingerich­tet wurde. Betrieben wird es von vier Frauen, die eine GbR gegründet ha­ben. Geöffnet hat das Café vorerst Freitag, Samstag und Sonntag. Im Angebot sind neben Selbstgebacke­nenem regionale Produkte.

Gerhard Pfister hat eine Herde von 250 Mutterschafen. Er sprach sich dafür aus, die Rahmenbedingungen für die Schafhalter entscheidend zu verbessern, um auch in Zukunft ein wirtschaftliches Überleben der Be­triebe und damit eine flächendecken­de Landschaftspflege durch Schafe zu gewährleisten. Pfister berichtete von einer Klage der Schafhalter ge­gen die neue Kennzeichnungsrege­lung, die einen überzogenen bürokra­tischen Aufwand bedeute. Seit dem 1. Januar 2010 müssen Schafe nicht nur mit einer Individualnummer ab ei­nem Alter von neun Monaten verse­hen, sondern auch noch elektronisch gekennzeichnet werden. Hier meldete sich BBV-Kreisobmann Günther Felß­ner zu Wort, der auch in der Arbeit der Schafhalter eine Wertschöpfung sieht. Es gehe darum, wie man rentabel arbeiten kön­ne. Und Felßner war der Ansicht, dass bei offenen Grenzen nicht die glei­chen Voraussetzungen bestehen. Gerd Müller regte in diesem Zusam­menhang eine „Verede­lungsoffensive“ an, aus der dann die Wertschöp­fung komme. Einen breiten Raum nahm dann das Thema Milchmarkt ein. Gün­ther Felßner sprach von einer verfahrenen Si­tuation, deren Ursache er vor allem in der Zu­sammensetzung und der Zusammenarbeit der Milcherzeugergemein­schaften, deren Auf­gabe es sei, die Erzeu­gung und den Absatz der Milch und für bestmög­liche Vermarktung und Verwertung der Milch zu sorgen. Für ihn sind das in erster Linie ideologi­sche Probleme. Georg Ochs aus Dehn­berg, der seit kurzem Vorsitzender der baye­rischen Pferdezüchter ist und selbst „eine kleine, aber feine Pferdezucht“ betreibt, verfolgt das Ziel, dass der Bereich landwirtschaftlich geprägt bleibt. Auch den Pferdezüchtern brennt ein Problem mit der Kenn­zeichnung auf den Nägeln. Auch hier ist die Europäische Union der Auslö­ser.

Chip statt Brandzeichen

Künftig muss jedes Pferd gechippt werden, das heißt, ihm wird ein elek­tronisch lesbarer Transponder in Form eines kleinen Plastikplättchens unter die Haut am Hals injiziert. Die auf dem Chip gespeicherten Daten werden zudem in einen Pass eingetra­gen, der grundsätzlich mit dem Pferd mitzuführen ist. Reiter und Pfer­dezüchter möchten aber nicht – wie angestrebt – auf das Brandzeichen verzichten, weil dieses – ohne Zuhil­fenahme eines Lesegerätes – einenbe­deutenden Beitrag zur Identifizierung leistet.

Tierschutzgründe lässt Ochs nicht gelten. Das Anbringen des Brandzei­chens sei harmlos. Gerne hätte er die Prozedur demonstrieren lassen, aber die zuständige Fachkraft konnte ihre Tour nicht kurzfristig ändern. Staats­sekretär Müller versprach, sich der Anliegen der Schafhalter und Pfer­dezüchter anzunehmen und zu inter­venieren.

Auch im Nürnberger Land gewinnt das Thema Bioenergie angesichts der Vorgaben der Politik immer mehr an Bedeutung, Hauptenergieträger ist die Biomasse. Günther Felßner sprach die derzeitigen Diskussionen zum Na­waro- Bonus („Bonus für Strom aus nachwachsenden Rohstoffen“) an, der vor allem für Biogasanlagen und Bio­masseheizkraftwerke relevant und für einen wirtschaftlichen Betrieb wichtig sei.

Eine wichtige Änderung im EEG 2009 war die Aufhebung des Aus­schließlichkeitsprinzips, das bis da­hin nur die ausschließliche Nutzung von Nawaros in einer Biogasanlage zugelassen hatte. Eine Kombinati­on mit anderen Substraten wurde da­durch sowohl für neu errichtete Anla­gen als auch für Altanlagen möglich. Insbesondere der Nawaro-Bonus be­wirke, dass der Anbau von Energie­pflanzen, wie vor allem Energiemais, stark zunimmt. Holz, so Felßner, sei für ihn die optimale Biomasse.

Die vorgestellten Beispiele lobte Dr. Müller ausnahmslos. Sie würden der Beweis dafür sein, dass hier nicht ge­jammert und lamentiert werde, son­dern man die Initiative ergriffen und die sich bietenden Chancen mit Er­folg genutzt habe. Gleichzeitig brach er eine Lanze für das dörfliche Leben in der Gemeinschaft. Die Stabilität im Dorf sei wichtig. Als ihm dann auch noch der „kulturelle Leuchtturm von Dehnberg“, das Dehnberger Hof The­ater, von Wolfgang Riedelbauch per­sönlich präsentiert wurde, war er fast sprachlos. Und auf der Bühne erleb­te er dann sogar live die ihm nicht un­bekannte Sissy Perlinger, die im Hof Theater ihrem neuen Programm den letzten Schliff gab. Es entwickelte sich ein lockeres Gespräch über The­ater, Kabarett und Politik, wobei sich Sissy Perlinger über die Spezies de­rer, die Letzteres machen, nicht äu­ßern wollte.

Auch kulinarisch nahm Dr. Müller nur die besten Eindrücke aus Dehn­berg mit: der frische fränkische Karp­fen im Dorfwirtshaus mundete ebenso vorzüglich wie vorher im „Saustall“ die Köstlichkeiten, die Marga Maiß aus regionaler Erzeugung zur Ge­sprächsrunde aufgetischt hatte.