Pfeifferhütte: Minderjährige Flüchtlinge leben sich ein
02.07.2015, 08:46 Uhr
Ende Mai sind acht Jungs aus Syrien, Eritrea, Somalia und dem Kosovo eingezogen, 16 werden es bald sein. Das weitläufige Grundstück gehört der Stadt Nürnberg, Träger und Betreiber des Hauses sind die Rummelsberger, vermietet ist das Gebäude noch für weitere fünf Jahre an das Schullandheimwerk Mittelfranken, das es an die Rummelsberger Kinder- und Jugendhilfe sozusagen untervermietet. Wohlwollend begleitet wird das Projekt von der Gemeinde Schwarzenbruck.
Auch in Nürnberg dürfte man von dieser Lösung für das Areal erfreut sein, schließlich ist es auch im Interesse der Stadt, dass das Gelände nicht etwa von Strohmännern der rechten Szene angemietet wird, um die unrühmliche Nazi-Vergangenheit des Hauses wieder aufleben zu lassen. Denn das Anwesen war einmal die Jagd-Residenz des NS-Verbrechers Hermann Göring, gibt Olaf Forkel, der die fachliche Leitung Jugendhilfe bei den Rummelsberger innehat, zu bedenken.
Er und Thomas Bärthlein, der Regionalleiter für die Kinder- und Jugendhilfe im Nürnberger Land, sind sich einig, dass es kaum eine Liegenschaft in der Region gibt, die besser geeignet ist, um junge Menschen mit einer teils dramatischen Lebens- und Fluchtgeschichte zu betreuen und für ihr neues Leben fit zu machen. Das Gelände ist weitläufig, bietet Sportmöglichkeiten, liegt mitten in der Natur, vor neugierigen Blicken abgeschirmt und dennoch nicht isoliert. Die Ausstattung des Hauses ist durch seine frühere Nutzung ebenfalls bestens geeignet für die Unterbringung der Jugendlichen.

Zwischen 14 und 17 sind die jungen Leute, die in der Nachsorgeeinrichtung in Pfeifferhütte leben. Nach ihrer Ankunft in Deutschland kommen die unbegleiteten Flüchtlinge zunächst in eine Clearingstelle, wo sie zwölf Wochen bleiben, damit sie möglichst schnell Deutschunterricht erhalten und abgeklärt werden kann, welcher pädagogischer Bedarf vorhanden ist. Das Jugendamt entscheidet dann, wie es weitergeht.
Zwei Ziele werden verfolgt: Zum einen soll das Fluchttrauma aufgearbeitet werden, zum anderen müssen die Jugendlichen fit gemacht werden, damit sie bald eine örtliche Schule besuchen können – in der Regel eine Mittelschule, eventuell auch eine Berufsschule. Denn viele hatten in der Heimat keine Möglichkeit, schreiben und lesen zu lernen. Zuständig für die Betreuung ist bis zum 18.Lebensjahr die Jugendhilfe, erst danach läuft dann ein Anerkennungsverfahren, das über ihre Zukunft entscheidet.
Dass es sich bei den jungen Heimbewohnern nicht um uninteressierte oder minderbegabte Flüchtlinge handelt, die zu faul zum Lernen seien, bestätigt Diakon Thomas Heinicke, der Dienststelleneiter für den Bereich „Schüler Wohnen“ der Rummelsberger. Er erlebt sie als sehr „willig und begabt“. Erstaunlich schnell lernen manche die ersten Brocken Deutsch. Das größte Problem sind nicht etwa Reibereien zwischen unterschiedlichen Ethnien, sondern die Kulturanpassung.
Deshalb versuchen die Betreuer, sie an einen strukturierten Tages- und Wochenablauf zu gewöhnen. Dazu gehört zum Beispiel die Arbeit mit einem Schreiner, mit dessen Hilfe sie das Haus noch wohnlicher nach den Prinzipien des Würzburger Modells machen, ein Innenarchitektur-Konzept, dass das Prinzip der Geborgenheit in den Vordergrund stellt. Daneben sind gerade alle dabei, auf dem großzügigen Wiesengrundstück einen Beachvolleyball-Platz zu bauen. Fußballtore stehen schon. Auch eine kleine Werkstatt wollen sie sich einrichten.
Betreuung rund im die Uhr
Stolz ist man bei den Rummelsbergern, dass die jungen Menschen hier optimal betreut werden, rund um die Uhr an sieben Tagen der Woche, von der Teamleitung, von Sozial-Pädagogen und Erziehern. Das ist auch nötig, denn nachts holen viele nach einer gewissen Zeit die Fluchterlebnisse ein und dann muss ein fachlich versierter Ansprechpartner vor Ort sein. „Die Pädagogen müssen hier sehr wachsam sein“, weiß Olaf Forkel, denn die minderjährigen Flüchtlinge reagieren unterschiedlich auf Erlebtes.
Dass sie nach den ersten Wochen langsam hier ankommen, ist auch den Nachbarn zu verdanken. Bürgermeister Bernd Ernstberger blickt zurück auf eine Anliegerversammlung, bei der vor dem Einzug der Teenager die abwegigsten Befürchtungen geäußert wurden. Schon bei diesem Informationsgespräch konnte man viele Bedenken zerstreuen. Dass sich mittlerweile aber ein richtig gutes Miteinander anbahnt, freut alle Beteiligten. „Die sind gleich am Anfang vorbeigekommen und haben gefragt, ob etwas gebraucht wird“, erinnert sich Bärthlein.
Dann hat man wohl gesehen, dass hier sinnvolle Arbeit mit ganz „normalen“ Jugendlichen gemacht wird und versprochen, sie mal wieder zu besuchen, wenn sie sich richtig eingewöhnt haben. Was alle Beteiligten besonders gut finden: Ab und zu kommen einfach Gleichaltrige aus der Umgebung vorbei und holen die Jungs aus dem Heim zu einem Ausflug in die Umgebung oder an den Kanal ab oder bolzen mit ihnen auf dem Fußballplatz. Ein richtiges Turnier ist in Planung.
Investiert in das Fit-Machen der minderjährigen Flüchtlinge werden übrigens die üblichen Sätze der Jugendhilfe, wie für jeden anderen Jugendlichen, der in Obhut des Jugendamts lebt. Auch die Miete, die an das Schullandheimwerk bezahlt wird, ist „ortsüblich“, so Bärthlein. Bürgermeister Ernstberger hält den Aufwand für sinnvoll und gerechtfertigt: „ Wenn wir sie leistungsfähig und lebenstauglich machen, sind sie für beides gewappnet: für das Hierbleiben oder die Rückkehr ins Heimatland. In beiden Fällen ist eine gute Ausbildung das A und O.“
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen