Drohen Schulausfälle?

Orkan-Gefahr in Franken: Das müssen Arbeitnehmer und Eltern wissen

Eva Orttenburger

Online-Redaktion

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17.2.2022, 07:06 Uhr
Am Donnerstag sollen starke Sturmböen über Franken hinwegziehen. Pendler müssen dementsprechend mehr Zeit für den Weg zur Arbeit einkalkulieren.

© dpa Am Donnerstag sollen starke Sturmböen über Franken hinwegziehen. Pendler müssen dementsprechend mehr Zeit für den Weg zur Arbeit einkalkulieren.

"Grundsätzlich müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch bei Sturm oder Verkehrsstörungen pünktlich im Büro oder ihrem Betrieb erscheinen", erklärt Rechtsanwalt Arndt Kempgens. Denn das "arbeitsvertragliche Wegerisiko" - so der rechtliche Begriff - liegt auch bei Unwetter oder Sturm in den Händen der Mitarbeitenden. Besonders bei vorhersehbaren Störungen müssen sie eine zusätzliche Anfahrzeit einkalkulieren oder alternative Transportmöglichkeiten in Betracht ziehen. Ein Anspruch auf Homeoffice besteht erstmal nicht.

Auf der Arbeitgeberseite gibt es jedoch eine Fürsorgepflicht für die Mitarbeitenden in Notsituationen - somit könnte der Arbeitgeber in Ausnahmefällen auch Homeoffice erlauben, um seine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor den Gefahren des Sturms auf dem Weg zur Arbeitsstelle zu schützen. Eine andere Option wäre, die Fehlzeiten mit dem Arbeitgeber einvernehmlich als Urlaub oder Überstunden zu verrechnen, wenn beispielsweise kein Homeoffice möglich ist.

Kommen Mitarbeitende trotz allem zu spät zur Arbeit, haben sie unabhängig von der Vorhersehbarkeit der Störung keinen Lohnanspruch für die verpasste Arbeitszeit. Sie müssen diese dann entweder am Ende des Tages nachholen, Abzüge hinnehmen oder die Zeiten mit Überstunden oder Urlaub abdecken. Laut dem Rechtsexperten gilt diese Regel auch dann, wenn die Verspätung oder Verzögerung vollkommen überraschend war. Bei Lohn- oder Gehaltsansprüchen geht es nämlich nur um die Frage, ob der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin die eigene Arbeitskraft zur vereinbarten Zeit am vertraglichen Ort angeboten hat oder nicht.

Wegen Sturm nicht bei der Arbeit - Abmahnungen und Kündigungen sind möglich

Auch Abmahnungen oder Kündigungen (wenn eine Verspätung öfters vorkommt) sind rein rechtlich möglich. Dabei kommt es wiederum darauf an, ob der Mitarbeitende die Verspätung selbst verschuldet hat. Hierbei dreht sich die Frage abermals um die Vorhersehbarkeit der Verkehrsstörung. Nur wenn Umfang und Ausmaß deutlich größer sind als erwartet, liegt kein arbeitsrechtlicher Verstoß vor. Ein Beispiel: Das Ausmaß der Katstrophe im Ahrtal im Sommer 2021 war nicht so schlimm prognostiziert wie es wirklich eingetreten ist. Hier handelt es sich womöglich um keinen arbeitsrechtlichen Verstoß. "Mit diesem Umfang und diesen Störungen war zumindest am ersten Tag der Katastrophe nicht zu rechnen. Selbst die Warnmechanismen haben nicht funktioniert." Dieses Argument gilt jedoch nicht für einen längeren Zeitraum. Sprich: Nur weil es eine Naturkatastrophe gab, kann man nicht wochenlang von seinem Arbeitsplatz fernbleiben.

Treffen die starken Sturmböen bis 110 km/h auf Franken, die der Deutsche Wetterdienst vorhersagt, müssen sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Zugausfälle einstellen und dementsprechend eine andere Anreise organisieren. Hier muss jedoch zwischen dem Lohnanspruch und einer Abmahnung unterschieden werden, erklärt der Experte. Fällt beispielsweise ein Baum auf die Gleise und die Zugstrecke ist dadurch gesperrt, war dies erstmal nicht vorhersehbar. Wer ein Auto hat, kann oder sollte auf dieses umsteigen, um zum Arbeitsplatz zu kommen. Wer diese Möglichkeit nicht hat, dem droht erstmal keine Kündigung oder Abmahnung. Man bekommt in diesem Fall aber auch kein Gehalt für die verpasste Arbeitszeit.

Orkan in Deutschland - Muss ich mein Kind zur Schule schicken?

Viele Eltern stellen sich zudem die Frage, ob sie ihre Kinder angesichts des schlimmen Wetters zur Schule schicken müssen. Auch hier gibt es eine klare Antwort vom Rechtsexperten: Schulrechtlich dürfen die Eltern selbst entscheiden, ob bei Unwetterlagen der Weg zur Schule zumutbar ist oder zu gefährlich, zum Beispiel weil das Kind auf dem Fußweg durch herabstürzende Äste verletzt werden könnte. "Selbst eine geringfügige Verletzung der Kinder oder eine Beeinträchtigung kann darunter fallen", stellt Rechtsanwalt Arndt Kempgens klar.

Wenn Kinder aus Sicht der Eltern wegen zu hoher Gefahr zu Hause bleiben müssen, sollte die Schule darüber so zeitnah wie möglich informiert werden. Bußgelder drohen nur dann, wenn die Einschätzung der Eltern grob falsch oder nicht vertretbar wäre. In Bayern kann das Bußgeld bei einem Verstoß gegen die Schulpflicht bis zu 1000 Euro betragen. In der Realität dürfte die Strafe für das einmalige Fehlen jedoch durchaus geringer ausfallen, wenn das Kind ansonsten immer anwesend ist. Zudem dürften als Argumentationsgrundlage die eindringlichen Warnungen von Wetterexperten vor der drohenden Gefahr ausreichen.

Schulen und Schulträger können außerdem in eigener Verantwortung den Schulbetrieb aussetzen. Zu Ausfällen in Franken ist derzeit noch nichts bekannt. "Die Schulen müssen auch von sich aus überlegen, ob der Schulweg gefahrlos zumutbar ist", sagt Kempgens. "Denn die Schule ist auch dazu verpflichtet, ihre Schülerinnen und Schüler zu schützen."

Am Mittwochabend steht bereits fest: In einigen Städten und Landkreisen in der Region fällt am Donnerstag der Unterricht komplett aus. Wir geben einen Überblick:

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