Artenschutz: Wellucker Landwirt ärgert Zerrbild
19.02.2019, 17:55 UhrGerhard Lindner ist Landwirt mit Leib und Seele. 1996 hat der Wellucker den elterlichen Betrieb übernommen. Mit dem Neubau eines Laufstalles vor acht Jahren hat die Familie den Milchviehbetrieb auf die Zukunft ausgerichtet. Und doch würde Lindner seinen Kindern nicht mehr mit Überzeugung raten, in seine Fußstapfen zu treten. "Es wird immer schwieriger", resümiert er. "Immer mehr muss dokumentiert werden, immer mehr Auflagen kommen dazu. Die Einkaufspreise steigen, der Erlös stagniert oder wird weniger." Erschwerend komme hinzu, dass ein Landwirt heutzutage für viele Menschen "der Buhmann" ist.
Das Volksbegehren "Rettet die Bienen", das bayernweit 18,4 Prozent der Wahlberechtigten unterzeichnet haben, sei ein aktuelles Beispiel für die verzerrte Wahrnehmung der Landwirtschaft in der Öffentlichkeit. "Wir machen schon immer etwas für den Naturschutz", betont der Wellucker. Dies beginne bei der Teilnahme am Kulturlandschaftsprogramm (Kulap) und der jährlich wechselnden Fruchtfolge mit Grünland und mindestens neun anderen Früchten auf den Flächen. Zusätzlich ist sein Betrieb ein Vertragslandwirt der N-Ergie und verpflichtet sich damit zu einer Bewirtschaftung nach den Richtlinien eines Wasserschutzgebietes.
"Wir werden auch geprüft. Aber wir machen das freiwillig und gerne", sagt Lindner. Auch auf einen Bio-Betrieb umzustellen, hat die Familie schon überlegt. Mehrere wichtige Gründe hätten dann aber dagegen gesprochen: So reichten die 75 Hektar Grün- und Ackerland und das Weideland im Umgriff des Stalls dafür nicht aus. Und laut Vorschriften müsste im Offenlaufstall ein zusätzlicher Platz mit Auslauf für die Kälber und Kühe betoniert werden. "Das widerspricht sich doch irgendwie. Für eine Biolandwirtschaft müssten wir Fläche versiegeln", wundert sich Gerhard Lindner.
Er führt seinen Betrieb nach bestem Wissen und wägt die Entscheidungen zum besten Saat-, Dünge- oder Mähzeitpunkt sorgfältig ab. Im Volksbegehren steht zum Beispiel, dass auf einigen Flächen die erste Mahd nicht vor dem 15. Juni erfolgen darf. Um Johanni sei oft unbeständiges Wetter, klagt der Landwirt. Für die Heuernte brauche man jedoch ein paar schöne, trockene Tage. "Da möchte ich doch selbst entscheiden dürfen, dass vielleicht am 8. Juni der beste Zeitpunkt für das Mähen ist", findet der Landwirt.
Die Problematik von Rehkitzen in Grünflächen ist dem Wellucker bewusst. Ab Mai werden die jungen Rehe oft unbemerkt in Heugras geboren und aufgezogen. Er kontaktiere daher vor der Mahd immer den Jagdpächter und bitte diesen, die Grünfläche zu überprüfen, erzählt Lindner. Auch für das Düngen mit Gülle gebe es je nach Wetterlage passende Zeitpunkte. "Kein Bauer ist mit dem Güllewagen unterwegs, um andere Leute zu ärgern, sondern weil seine Felder den natürlichen Dünger brauchen."
Ebenso sei der Einsatz von Insektiziden gegen Schadinsekten manchmal nicht zu vermeiden. Auch Herbizide und Fungizide würden in maßvollen Dosen benötigt. Wenn das für die Tiere benötigte Futter nicht gedeihe und stattdessen Kraftfutter bestellt werden müsse, belaste das nicht nur den Geldbeutel des Erzeugers, sondern durch die Lieferfahrzeuge auch die Umwelt.
"Alles hat Vor- und Nachteile", sagt Lindner. Freilich könne der Herbizid-Einsatz minimiert werden, wenn die Flächen mehrmals gestriegelt werden. Dieses Verfahren allerdings tötet oder verletzt oft Bodenbrüter und Kleinlebewesen, die man ebenfalls gerne schützen möchte.
Ist Arten- und Naturschutz etwas, das vor allem die Landwirte in die Tat umsetzen müssen? "Nein", betont Gerhard Lindner. "Jeder kann etwas dafür tun." Er erwähnt die modernen Mähroboter, die ohne Unterlass über private Rasen führen und dabei kein einziges Gänseblümchen hochkommen ließen und Kleinlebewesen verletzen oder töten.
Auch verwirre zu viel künstliches Licht im Garten Insekten. Photovoltaikanlagen würden helfen, Energie aus herkömmlichen Quellen einzusparen. Steingärten böten keine Nahrung für Insekten, Beete und Blühpflanzen dagegen schon. Nicht jede Fläche müsse gepflastert sein. Häufiges Autowaschen belaste das Grundwasser, Waschanlagen seien die bessere Alternative. Bewusst zu laufen statt für jeden Weg gleich das Auto zu nehmen, sei ebenfalls ein Gewinn für die Umwelt, zählt der Landwirt weiter auf. Auch Wassermulden und Obstbäume in privaten Gärten seien ein gutes Angebot für Bienen und andere kleine Lebewesen.
Bloßes Lippenbekenntnis
Für alle, die keine Möglichkeit für einen blühenden Garten haben oder zusätzlich eine Blühwiese anlegen möchten, bietet Gerhard Lindner eine 100-Quadratmeter-Fläche für 50 Euro an. Andere Bauern würden ebenfalls mitmachen, wenn genügend Nachfrage zustande komme. "Wenn jeder, der für den Artenschutz unterschrieben hat, etwas dafür tut, wäre es ideal." Eine bloße Unterschrift ist in Lindners Augen ein Lippenbekenntnis und keine aktive Unterstützung der Vielfalt an Wildbienen, Insekten und Kleinstlebewesen, die wiederum eine Nahrung für die ebenfalls rar gewordenen Vögel sind.
Gerhard Lindner redet nicht nur, er macht auch etwas. Seit 2014 hat die Familie einen zertifizierten Erlebnisbauernhof und zeigt allen interessierten Besuchern die Aufzucht der Milchkühe und anderer Tiere sowie den Weg von der Milch zur Butter. Bislang kamen meist Grundschüler, doch auch für Schüler höherer Schulen wäre ein Besuch empfehlenswert, so Lindner. Im Hofladen von Nicole Lindner gibt es jeweils am Freitagnachmittag und am Samstagvormittag frische Lebens- und Nahrungsmittel aus der Region. "Jeder Konsument kann die Region mit seinem Einkauf stärken. Auch frische Milch können wir anbieten", sagt Gerhard Lindner. Für ihn ist es nicht nachvollziehbar, warum zum Beispiel Liegewiesen in Freibädern oder anderen Freizeiteinrichtungen regelmäßig gewässert werden können, während so mancher bäuerlicher Betrieb um seine Ernte bangen muss, wenn es nicht genug regnet.
"Zeigen – erklären – im Dialog bleiben." Das möchte Gerhard Lindner auch mit den Unterstützern des Volksbegehrens. Verständnis wecken für die Zwänge einer Bewirtschaftung, von der die Familien leben müssen. Aufzeigen, was die Bauern bereits für die Natur tun. Keine Konfrontation, sondern Argumente austauschen. "Die ÖDP, die Grünen, die SPD und alle anderen Befürworter des Volksbegehrens lade ich gerne zu einer informellen Hofführung ein", sagt Lindner. Hierbei könnten auch neue Lösungsansätze diskutiert werden: "So würde jeder aktiv an einer Neuausrichtung der Landwirtschaft teilnehmen, um uns gemeinsam eine bessere Zukunft zu erarbeiten." Einzige Voraussetzung für den Landwirt ist, dass neue Lösungen wirtschaftlich tragbar sein müssen.
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