Deutschlands einziger Glockengießer-Azubi lernt in Pegnitz
17.05.2016, 06:52 UhrDie Zahl der Azubis zum Glockengießer ist überschaubar: Beulich ist derzeit der einzige. Kaum zu glauben, dass es bis kurz nach dem Ersten Weltkrieg noch rund 5000 Glockengießereien in Deutschland gegeben hat. Heute sind es nur noch vier. „Es gibt mittlerweile genug Glocken, der Bedarf für neue ist gering“, sagt Beulich. Seine Ausbildung zum Kunst- und Glockengießer hat er bereits im August 2015 begonnen.
Wenn Beulich von seiner Arbeit spricht, klingt es so, als hätte er noch nie etwas anderes gemacht. „Ich wurde im Betrieb von Anfang an eingebunden und muss selbstständig arbeiten“, erkärt er. Weil er nach der Schule „etwas anderes sehen“ wollte, hatte er kein Problem damit, von Sachsen nach Brockscheid in Rheinland-Pfalz zu ziehen. Dort befindet sich sein Ausbildungsbetrieb: die Eifeler Glockengießerei von Cornelia Mark-Maas.
Und warum Glocken? „Wahrscheinlich wegen des kirchlichen Einflusses. Ich war in meiner Heimat in der Nähe von Leipzig viel in Jugendgruppen“, berichtet der junge Mann. Beulich wohnt für die Zeit der dreijährigen Ausbildung im alten Haus der Chefin. Sie ist deutschlandweit die einzige Meisterin in diesem Beruf.
Und das Geheimnis, wie die Töne mit der Glockenform zusammenhängen gibt sie nur an ihren Sohn Julius weiter. Der 25-Jährige ist der Ausbilder von Colin-Lee Beulich. Er war einst auch Schüler in Pegnitz und will als nächstes die Meisterprüfung machen.
So wird eine Glocke gegossen
Beulich weiß schon genau, wie eine Glocke hergestellt wird; der Prozess dauert rund drei Monate. Zuerst fertigt die Chefin eine Schablone aus einem Holzbrett — quasi das Profil des Geläuts. Diese wird an einer Spindel befestigt, um die ein grober Turm aus Ziegelsteinen gemauert wird. Dieser bildet den „Kern“ des Konstrukts.
Darauf werden dann mehrere Schichten Lehm gebracht, die mit der an der Spindel befestigten Schablone glattgezogen werden. „Bei uns im Betrieb mischen wir unter anderem Pferdemist und Rinderhaare unter. Die Zusätze festigen den Lehm und verhindern später die Rissbildung“, erklärt der Auszubildende.
Darauf wird die „falsche Glocke“ aus Lehm gebaut. Sie wird später entfernt, um den Hohlraum für die Gießvorlage zu bilden. Darauf kommt schließlich der dreischichtige Mantel, in den unter anderem Stahl und Hanf eingearbeitet werden. So hält er dem Druck beim Gießen besser Stand. Ist alles geformt und ausgehärtet, wird die falsche Glocke entfernt und die flüssige Bronze eingefüllt — und steht erst mal zwei Wochen.
„Wird diese Zeit nicht eingehalten, kann es sein, dass die Glocke nicht richtig klingt.“ Dann kann sie von innen etwas nachgeschliffen werden, sollte der Ton zu tief sein. Ist er zu hoch, wird das komplette Werk wieder eingeschmolzen und die Arbeit beginnt von vorne.
Ältestes Exemplar von 1038
Industriell lässt sich ein Geläut nicht herstellen. „Da hat sich das alte Handwerk bewährt“, weiß Beulich. Ihn begeistert es besonders, dass die Glocken über Jahrhunderte Bestand haben. Die älteste gegossene Glocke befindet sich in Bad Hersberg und ist auf das Jahr 1038 datiert.
Einmal pro Jahr sollte eine Glocke gewartet werden. „Dafür haben wir zwei Kollegen, die oft auf Montage unterwegs sind. Und wenn in der Gießerei nicht viel los ist, fahren wir anderen auch durch ganz Deutschland“, berichtet der 17-Jährige. Bei der Wartung wird unter anderem der geschmiedete Klöppel ausgebaut und überprüft. Das Leder, an dem er hängt, muss gefettet oder ausgetauscht werden. Auch der Glockenstuhl wird kontrolliert.
„Im Betrieb erhalte ich Einblick in die Berufe der Schreiner und Schmiede, weil ich verschiedene Handgriffe und Techniken als Glockengießer brauche“, so Beulich. Glockengießer sollten außerdem ein gutes musikalisches Gehör haben, um am Ende die Töne überprüfen zu können. Außerdem muss ein Gießer körperlich fit sein und große Hitze aushalten. „Und man darf sich nicht ekeln“, ergänzt der Auszubildende und verweist auf den Pferdemist, mit dem der Lehm verarbeitet wird.
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