Starke Frau: Pegnitzerin über den Tod ihrer Tochter

22.09.2019, 08:55 Uhr
Starke Frau: Pegnitzerin über den Tod ihrer Tochter

© Foto: Ralf Münch

"Starke Frau?", fragt Karin Pflaum lachend. "Das ist doch doppelt gemoppelt. Frauen sind doch prinzipiell stark." Für die 61-jährige Pegnitzer Geschäftsfrau ist das selbstverständlich. Ihrer Meinung nach hat jede Frau ihre Stärke woanders – auch sie selbst.

Mit 14 Jahren kam die gebürtige Erlangerin nach Pegnitz und wuchs mit ihrer Schwester bei ihrem Onkel sowie den zwei Cousins auf. Über die evangelische Jugend lernte sie schon bald ihren Mann Heinrich kennen, 1979 heirateten die beiden. In Nürnberg war sie auf der Fachakademie für Hauswirtschaft, bei KSB in der Werkküche und bei einer Schneiderei in Pegnitz machte sie jeweils ein halbes Jahr Praktikum.

"Da habe ich auch mein Brautkleid genäht", erzählt Karin Pflaum. Schließlich absolvierte sie den Abschluss als Hauswirtschafterin im städtischen Bereich. Weil sie damals schon wusste, dass sie einen Bäcker- und Konditormeister heiraten würde, überlegte sie, wie sie sich ins Geschäft einbringen könnte. Und so machte sie noch eine zweijährige Lehre als Bäckereifachverkäuferin – schon im eigenen Geschäft und schloss diese als Prüfungsbeste ab. Im Geschäft an der Hauptstraße arbeitete sie Vollzeit, zog die drei Töchter auf – mit Hilfe der Schwiegereltern.

Vor 13 Jahren schlug dann das Leben hart ein. Karin Pflaum schluckt, als sie davon erzählt. Die jüngste Tochter Susanne, damals 21, studierte in Münchberg Textildesign. Damals war sie auch eine Zeit lang in London. "Eines Tages bekam ich aus einem Krankenhaus einen Anruf, Susanne sei eingeliefert worden mit starken Kopfschmerzen", erinnert sich die Mutter. Sie ist sofort hingeflogen. "Die englischen Krankenhäuser sind anders als die deutschen", sagt sie diplomatisch. Die einzelnen Betten sind mit Vorhängen voneinander getrennt. Mitnehmen konnte sie die Tochter nicht, sie war nicht transportfähig. Woher die Kopfschmerzen kamen, wusste man nicht.

Vier Wochen später kam Susanne nach Hause, ein paar Tage später rief sie an, sie hatte wieder solche Kopfschmerzen. "Wir haben sie nach Erlangen in die Kopfklinik gebracht", sagt Karin Pflaum. Dort wurde die Tochter ins künstliche Koma versetzt, Hirnwasser entnommen. "Wir mussten sie dann entmündigen lassen, denn es sollte eine Biopsie gemacht werden und sie war ja nicht bei Bewusstsein."

Einen Tumor hat man nicht gesehen. "Das war strange (sonderbar)", sagt Pflaum. Es wurde Krebs im Kopf festgestellt, eine sehr aggressive und seltene Form. "Ich stand neben ihrem Bett und der Arzt sagte mir, da könne man nichts machen, es sei aussichtslos", schluckt Pflaum. Getragen hat sie damals Dekan Gerhard Schoenauer, er hat sie täglich begleitet. Für die ganze Familie war es ein Schock.

"Wir haben damals viel Hilfe von außen bekommen, von unseren Freunden", sagt die Unternehmerin. Drei Tage nach der Diagnose ist Susanne gestorben. "Das Leben hat so entschieden", sagt Pflaum. Die Familie haben die schlimmen Ereignisse zusammengeschweißt. Karin Pflaum hat Stärke bewiesen. "Irgendwann kam wieder der Alltag, das war anstrengend, aber es musste ja weitergehen", sagt sie. Das Geschäft war wie ein Korsett für sie. "Und ich hatte ja Verantwortung für die Angestellten." Zeit zum richtigen Trauern habe sie nicht gehabt.

"Ich wollte auch keine Unterstützung von einer Selbsthilfegruppe", sagt sie. "Ich wollte mit meinem Elend nicht noch andere runter ziehen." So etwas muss jeder mit sich selbst ausmachen, findet sie. "So stark bin ich, dass ich das selber schaffe." Das Arbeiten und Laufen haben ihr damals geholfen.

Reisen mit dem VW-Bus

Karin Pflaum lebt heute zufrieden. Ihr gehe es gut, sagt sie. Sie ist stolze Oma von vier Enkeln und hat ein super Verhältnis mit ihren anderen beiden Töchtern. Julia ist Hebamme in Neumarkt, Kathrin arbeitet als Informatikerin in Bayreuth.

Karin Pflaum fährt oft mit ihrem Mann weg, das haben sie schon früher mit den Kindern gemacht. "Wir wollen ja Menschen bleiben", sagt sie. Das Ehepaar hat einen VW-Bus, mit dem sind sie oft unterwegs. Ihr Mann ist 62 Jahre, wie es mit dem Geschäft mal weiter geht, wissen sie nicht.

Einen Nachfolger in der Familie gibt es nicht. Seit 113 Jahren ist die Bäckerei Pflaum in Familienhand. "Aber es gibt mehrere Lebensabschnitte", sagt sie. Für sie ist ein Leben ohne Geschäft vorstellbar. Über den tragischen Tod von Susanne sei sie weg, sagt Karin Pflaum. "Aber die Narben bleiben."

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