Traum vom Hawaii-Ironman erfüllt

14.08.2010, 00:00 Uhr
Traum vom Hawaii-Ironman erfüllt

© Manuel Schlüter

Lange war Julia Tripke ihren Nachbarn ein bisschen suspekt. „Die müssen mich für verrückt gehalten haben“, sagt die 23-Jährige und lacht selbst über das Bild, das sie für Nicht-Eingeweihte abgibt: „Die sehen, wie ich nach dem Training vom Fahrrad steige und sofort wieder losrenne — nur um ein paar Minuten später ganz außer Puste zurückzukommen.“

Traum vom Hawaii-Ironman erfüllt

© Manuel Schlüter

Vielleicht dachten die Nachbarn, dass es die junge, athletische Frau von nebenan ein wenig übertreibt mit dem Fitnesswahn. Dass da im kleinen Leupoldstein eine trainiert, die bald einmal Weltmeisterin werden könnte, ahnte lange ja niemand. Anfangs nicht einmal Julia selbst.

Mit 17 oder 18, als sich Julia am Gymnasium Pegnitz aufs Abitur vorbereitete, deutete nämlich noch nichts darauf hin, dass sie in fünf Jahren zwar immer noch in Leupoldstein, aber in einer ganz anderen Welt als ihre Freundinnen leben würde. „Damals war alles ganz normal. Ich hab’ mit Freunden gefeiert, war auf Partys, der Sport war ganz unwichtig und just for fun“, erinnert sich Julia. Das Leben änderte sich, als sie ihren ersten Triathlon erlebte: Julia war als Zuschauerin dabei und feuerte die Mutter an, die aus Neugier antrat.

Grottig im Schulsport

Beim nächsten Wettkampf, dem Volkstriathlon in Eschenbach, wagte sich die 18-Jährige schon selbst an den Start. „Obwohl ich untrainiert war, war ich schon ziemlich gut.“ Sie kam als Vierte ins Ziel und konnte das nur damit erklären, dass ihr „Ausdauersachen“ liegen: „In den Bundesjugendspielen zur Schulzeit war ich total grottig, aber das Talent für Ausdauersport liegt in der Familie. Wir gehen auch heute noch gemeinsam schwimmen oder laufen — nur wenn ich gut trainiert bin, muss ich alleine gehen. Dann kommt keiner mit.“

Bei dem Wettkampf lernte Julia einen jungen Triathleten kennen, verliebte sich in ihn und mit ihm in den Sport. Mit dem Freund war irgendwann Schluss, aber ein Leben ohne Triathlon kann sich die junge Frau heute nicht mehr vorstellen. In den letzten beiden Jahren schob sie sich immer weiter an die Weltspitze in der Altersklasse der 18- bis 24-Jährigen. Zweimal wurde sie Deutsche Vizemeisterin in der Mitteldistanz. Bei der Ironman-WM auf Hawaii ließ sie im vergangenen Herbst nur zwei Konkurrentinnen aus ihrer Altersgruppe vorbeiziehen und feierte mit dem dritten Platz auf der Insel ihren bislang größten Erfolg.

15 bis 25 Stunden pro Woche hat Julia Tripke dafür in den letzten beiden Jahren trainiert, nur der Montag und der Donnerstag waren „Ruhetage“. Das Maschinenbaustudium, für das sie nach Erlangen pendelt, lässt sich damit gut vereinbaren, sagt sie, aber für Freunde bleibt in den intensiven Trainingsphasen wenig Zeit: „Ich gehe kaum noch auf Partys. Dafür bin ich zu müde, wenn ich viel trainiere. Dann falle ich trotz Mittagsschlaf um elf Uhr ins Bett.“

„Schleichend“ hat sich ihr Leben verändert, sagt Julia: Während Gleichaltrige auf Jobsuche gehen, stellt sie Mappen zusammen, um Sponsoren an Land zu ziehen. Sie macht das mittlerweile ganz gut und kann deshalb mit einem tollen Rad an den Start gehen. Die ersten Wettkämpfe, in denen sie noch mit einem ganz normalen „und sogar recht günstigen“ Rennrad antrat, gehören der Vergangenheit an.

Und plötzlich hat sie Träume, die keiner der früheren Schulkameraden mit ihr teilen kann: Eine Zeit lang vom Sport leben zu können, ist einer davon. Ein anderer: Weltmeisterin in ihrer Altersklasse zu werden. Dabei ist sie selbst noch ein wenig ungläubig, dass solche Träume nicht völlig absurd erscheinen.

Ein Zahn stoppt alles

Gerne hätte sie schon in diesem Jahr versucht, sich den Traum vom Weltmeistertitel zu erfüllen. Freudig wäre sie nach Hawaii geflogen, obwohl sie den langen Flug und das heiß-feuchte Klima im letzten Jahr ganz furchtbar fand. Doch dann kam 2010 alles ganz anders: Keinen einzigen Wettkampf hat Julia bestritten. Nie wurde sie richtig fit, immer wieder schwächten sie Infekte.

„Kaum hab’ ich mit dem Training angefangen, ging es wieder los.“ Sie tingelte von Arzt zu Arzt, doch zunächst konnte keiner helfen. „Die Ärzte glaubten, ich hätte zu viel Stress und eine Blockade im Kopf.“ Julia glaubte das nicht und suchte weiter nach der Ursache — bis ein ganzheitlich arbeitender Physiotherapeut in Nürnberg, Jörg Brenn, eine unbemerkte Zahnwurzelentzündung als Quälgeist ausmachte.

Nach einigem Zögern opferte Julia den Schneidezahn; im Juli wurde er gezogen. Seitdem fühlt sie sich fitter. Sie trainiert jetzt wieder und hat sich für die Europameisterschaften im kommenden Jahr angemeldet.

Die Angst, dass der Körper nicht mehr mitmacht, verstummt allmählich in ihr. „Zu viel Zeit zum Nachdenken“ habe sie während der Zwangspause gehabt. „Ich bin jemand, der dann viel grübelt. Und ich sehe eher das, was noch nicht geklappt hat, als das, was ich schon erreicht habe.“ Ihr neuer Freund sei da ganz anders: „Der ist verdammt optimistisch. Bei mir gibt es in dieser Hinsicht echt noch Steigerungsbedarf.“

Zeit, sich zu steigern, hat Julia noch: „Das Alter spielt beim Triathlon eine ganz große Rolle. Du bist besser, wenn du älter bist. Mit Mitte 30 sind Frauen am stärksten.“ Mitte 30 ist Julia in zehn Jahren. Wie ihr Leben dann aussehen wird, weiß sie allerdings so wenig wie ihre Freundinnen. „Ich weiß ja nicht, was für Potenzial in mir steckt, wo die Grenzen sind.“ Genau das versucht sie herauszufinden, wenn die Nachbarn sie vom Fahrradsattel springen und losspurten sehen.

Hier hält Julia euch auf dem Laufenden: www.juliatripke.de