Inklusion und Kinderhaus: Rother Stadtrat findet Kompromisse

3.4.2020, 09:03 Uhr
Die Stadt Roth stellte für 2020 fast einen Rekordhaushalt auf. Allerdings wird sich die Corona-Krise deutlich auf das Zahlenwerk des Kämmerers auswirken.

© dpa/Monika Skolimowska Die Stadt Roth stellte für 2020 fast einen Rekordhaushalt auf. Allerdings wird sich die Corona-Krise deutlich auf das Zahlenwerk des Kämmerers auswirken.

So viel Geld in so kurzer Zeit wurde in Roth wohl noch nie bewilligt. Der Haushaltsplan der Stadt für das Jahr 2020 mit 73 Millionen Euro passierte in weniger als 45 Minuten den Stadtrat – ohne vorherige Detailberatung und ohne die sonst schmückenden oder kritischen Haushaltsreden. Geschuldet ist das Tempo der Angst vor Corona. Die Sitzung im Saal der Kulturfabrik, wo die Stadträte im vorgeschriebenen Abstand verteilt saßen, sollte nicht länger als unbedingt nötig dauern.

Auch bei den Zahlen hatte das Virus mit seinen noch nicht absehbaren wirtschaftlichen Folgen schon die Hand im Spiel. Kämmerer Robert Feyerlein hatte den städtischen Etat zwei Monate lang gründlich austariert und ausgerechnet dann brach die Krise über die Welt herein. "Es ist noch nicht absehbar, wie stark sich die Corona-Pandemie auf den Haushalt auswirkt", warnte Feyerlein die Stadträte. Insbesondere die Steuereinnahmen seien gefährdet. Das heißt, die Stadt sollte sich auf ihre Kern- und Pflichtaufgaben konzentrieren. Alles, was nicht unbedingt notwendig oder mit Folgekosten belastet sei, müsse "vermieden oder vertagt werden"

Fast eine Rekordsumme

Mit über 73 Millionen Euro bildet der Etat fast eine Rekordsumme. Gegenüber dem Vorjahr sind die Einnahmen und Ausgaben um fast fünf Prozent gewachsen, der Verwaltungshaushalt mit gut 57 Millionen ist um gut einen Prozentpunkt gestiegen, und bei den 16 Millionen Euro Investitionen sind es heuer sogar 20 Prozent mehr als 2019. 

Stadtbaumeister Wolfgang Baier legte zum Antrag der SPD in Sachen Inklusion dar, dass inklusive Maßnahmen bei Hoch- und Tiefbauten (wie etwa barrierefreie Zugänge) immer berücksichtigt würden und jeweils in die Kosten einfließen. Das Rother Inklusionsnetzwerk RHINK sei bei Baumaßnahmen auch stets eingeschaltet. SPD-Fraktionssprecher Andreas Buckreus machte deutlich, dass es ihm um einen Leitfaden gehe, "an dem wir uns entlanghangeln können". Nach einer Diskussion darüber vor zwei Jahren sei bisher "aber nicht viel passiert".

Frage: Wo verbuchen?

Wie sein Fraktionskollege Sven Ehrhardt darlegte, "geht Inklusion weit über Bautätigkeit hinaus", als Beispiel nannte Ehrhardt Barrierefreiheit bei der Kommunikation, zum Beispiel die städtische Homepage www.stadt-roth.de in leichter Sprache. "Aber ob es 100.000 Euro sein müssen, darüber kann man mit uns reden." 

Für ihn sei es jedoch, so Kämmerer Robert Feyerlein, "gar nicht möglich", einen Betrag X für Inklusion in den Etatplan zu stellen: "Wo soll ich die Summe verbuchen?" Je nach Maßnahme würden die Kosten bei Hoch- oder Tiefbau oder bei EDV-Ausgaben fällig. Den Vorschlag zur Güte machte Bürgermeister Ralph Edelhäußer: "Wir können die Kosten für Inklusionsmaßnahmen jeweils kalkuliert aus den Projekten herausrechnen und dann vorstellen." Und der Stadtbaumeister nannte eine Anregung von RHINK als beispielhaft: Alle Bushaltestellen sollten auf ihre Barrierefreiheit geprüft werden. Er schlug eine generelle Bestandsaufnahme vor, "was inklusionsmäßig alles zu tun ist". Dafür herrschte Einverständnis.

Kinderhaus soll weniger kosten

Im Bauausschuss waren alle noch sehr angetan von den Plänen. Als die Architektengemeinschaft Baum und Kappler das auf der Kupferplatte in Roth geplante Kinderhaus dort präsentierte, fand der Vorentwurf großen Anklang. Anders im Stadtrat, der jetzt wegen Corona in der Kulturfabrik tagte und wenige Minuten zuvor den Haushalt verabschiedet hatte. Jetzt darf das Kinderhaus nur noch 8,5 Millionen Euro kosten.

Stadtbaumeister Wolfgang Baier skizzierte vor dem Stadtrat noch einmal den Plan für das Haus, in dem ab Herbst 2023 insgesamt 136 Krippen- und Kindergartenkinder spielen sollen. Ein lang gezogenes Holzständergebäude, leicht versetzt im abfallenden Gelände auf der Kupferplatte, mit umlaufendem Balkon, großen Spielfluren und unterschiedlich nutzbaren Räumen. Auch die von den Architekten geschätzten Kosten nannte er: etwa elf Millionen Euro werde das Sieben-Gruppen-Haus kosten – plus/minus 30 Prozent. Der staatliche Zuschuss liege bei knapp zwei Millionen Euro.

"Nicht verhältnismäßig"

Diesmal rief die Summe Gegner auf den Plan. Daniela von Schlenk (CSU) fand den Plan "sehr schön", die Baukosten von 4000 Euro pro Quadratmeter "aber nicht verhältnismäßig". Die wirtschaftliche Situation habe sich durch die Corona-Krise "dramatisch verändert". In der Form sei diese Luxusausführung deshalb "nicht zumutbar". "So teuer würde ein privater Bauherr niemals bauen." Die Kosten, so von Schlenk, sollten auf jeden Fall noch einmal durchgerechnet werden. Dann aber, so Bürgermeister Ralph Edelhäußer, erwarte er auch "klare Kante von der CSU-Fraktion". Denn hier und da etwas zu reduzieren, das bedeute vielleicht, hunderttausend Euro zu sparen, "aber das bewegt sich nicht im Millionenbereich". Wenn wirklich gespart werden solle, "dann muss der Planungsstand jetzt eingefroren werden und wir bauen in günstiger Containerbauweise".

Einige Stadtratsmitglieder hatten zunächst noch andere Einwände: Die zu große Glaskuppel, die sich aufheizt, zu große Flure, zu kleine Räume, zu wenig beschattete Außenflächen, zu wenige Parkplätze und eine vielleicht chaotische Hol- und Bringsituation an der Abenberger Straße; außerdem habe das Gebäude zu viele Winkel, werde also auch dadurch teurer. Deutlich formulierte für die CSU dann Daniel Matulla den stärksten Kritikpunkt: "Wir hätten die Planung gern eine Nummer kleiner." Grundsätzlich solle sie weitergehen, aber gleichzeitig müsse ein zweckmäßiger Entwurf erstellt werden, "auch wenn uns das ein paar Monate Zeit kostet".

Prominenter Bau am Stadteingang

"Was kostet denn im Vergleich ein Container-Kindergarten?" Die Frage von Petra Hoefer (SPD) wollte Stadtbaumeister Baier nur im Ungefähren auf etwa 7,5 Millionen Euro eingrenzen. Außerdem stellte er weitere Überlegungen an: Ein prominenter Bau am Eingang zur Stadt müsse auch architektonisch entsprechend gestaltet sein, die teureren Umlaufbalkone dienten auch dem Brandschutz und sparen Außentreppen, und die nicht förderfähigen Zusatzräume seien vorgesehen, um das Gebäude eventuell anderweitig nutzen zu können – wenn die Zahl der Kinder in einigen Jahren abnimmt.

Einer Lösung konnten schließlich alle – bis auf Siegfried Schwab und Martin Burmann von der Wählergemeinschaft – zustimmen: Der städtische Justiziar Stefan Krick schlug vor, den Planern eine Kostenvorgabe aufzuerlegen. Auf die Summe von 8,5 Millionen einigte man sich. Der Ball liegt damit ins Feld der Architekten, welche die Pläne für das Kinderhaus nun kräftig abspecken sollen.

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