Runde Zwei für Münchener Startbahn-Streit

14.10.2011, 15:51 Uhr
Runde Zwei für Münchener Startbahn-Streit

© dpa

Deutschlands Bürger lernen rot-grün heuer von zwei Seiten kennen: als politisches Projekt mit Zukunftshoffnungen - und als Dauerkampf um große Verkehrsprojekte. In Bayern wollen SPD und Grüne einerseits die CSU bei der Landtagswahl 2013 in die Wüste schicken. Doch ebenso wie in Stuttgart und Berlin schaffen es die beiden Parteien auch in Bayern nicht, ihren Verkehrs-Konflikt beizulegen. Den Streit um die geplante dritte Startbahn des Münchner Flughafens sollen nun die Bewohner der Landeshauptstadt lösen.

Die Münchner Grünen werden ein Bürgerbegehren gegen den Flughafen-Ausbau starten, wie ihre Vorsitzende Katharina Schulze am Freitag ankündigte. „Wir Grünen nehmen die Bürgerbeteiligung ernst. Wir sagen, darüber muss die Bevölkerung entscheiden.“ Der Münchner Oberbürgermeister und SPD-Landtagsspitzenkandidat Christian Ude begrüßte das umgehend – denn ein Votum der Bürger würde voraussichtlich den Schlussstrich unter die Debatte ziehen.

Doch Ude lässt keinen Zweifel, dass er auf eine grüne Pleite setzt. Ude und die Staatsregierung gehen bisher davon aus, dass der geschätzt 1,2 Milliarden Euro teure Bau bereits im nächsten Jahr beginnen kann. „Diesem Faktenschaffen möchten wir mit unserem Bürgerbegehren zuvor kommen“, sagt Schulze. Um das Bürgerbegehren starten zu können, seien 27.000 Unterschriften nötig – was nach Grünen-Einschätzung nicht schwierig werden dürfte. Abstimmen werden zwar nur die Münchner.

Dritte Startbahn ist überflüssig

Doch der Grünen-Landesvorsitzende Dieter Janecek meint, dass auch die Staatsregierung ein Votum der Landeshauptstadt gegen den Flughafen-Ausbau akzeptieren müsste. Sollte die Staatsregierung den Willen der Bürger missachten – „dann werden wir die so aus der Regierung rausrollen, dass die sich wundern werden. Das ist unsere Kampfansage an die Staatsregierung.“ Widerstand gegen den Startbahn-Bau gibt es auch in der katholischen Kirche. Zudem erklärten die Freien Wähler ihre Unterstützung. Aus Sicht der Gegner ist eine dritte Startbahn überflüssig.

Der Flughafen sei für 480.000 Starts und Landungen ausgelegt, 2010 habe es 390.000 Flugbewegungen gegeben, sagte Janecek. „Kreuzritter für Asphaltierung, Anti-Klimaschutz und Beton kann man auch sein“, sagte der Grünen-Chef mit Blick auf CSU, Münchner SPD und Ude. Denn die warnen davor, dass München im Wettbewerb mit Berlin und Frankfurt zurückfallen würde. Die Hälfte der bayerischen Produktion wird ins Ausland exportiert, Bayerns Firmen sind auf gute Verkehrsverbindungen in die gesamte Welt dringend angewiesen. Ude befürwortet dennoch das grüne Bürgerbegehren und hofft, dass es zum grünen Misserfolg wird: „Wenn, was ich hoffe und erwarte, die Mehrheit der Münchner Bürger für die Startbahn votiert, wird sich auch jeder Grüne an dieses Votum halten müssen.“

Sollten die Münchner Bürger aber gegen die Startbahn stimmen, „wird das selbstverständlich von mir und der Münchner SPD respektiert werden“. Somit vertreten Grüne und SPD auch in Bayern inhaltlich konträre Positionen. In Baden-Württemberg ist der Krach um Stuttgart 21 eine Belastung für die grün-rote Landesregierung. In Berlin ist ein mögliches rot-grünes Bündnis erst gar nicht zustande gekommen, weil beide Seiten sich um den Ausbau der Autobahn A 100 stritten. Doch der Streit hat tiefere Wurzeln: Die SPD war in den vergangenen Monaten beleidigt, weil die Grünen darauf spekulieren, die Sozialdemokraten zu überflügeln.

Für die Grünen wiederum ist das Nein zum Großprojekt eine Frage der Identität. Die Union hat der Partei bereits mit dem Atomausstieg Boden genommen – für die Grünen wär es fatal, wenn sie beim Widerstand gegen große Verkehrsprojekte umfallen. In München werden deswegen aller Voraussicht nach SPD, CSU und FDP für die Startbahn werben, die Grünen dagegen. Auf Landesebene aber wollen SPD und Grüne nach wie vor als potenzielle Koalitionspartner gemeinsam gegen die CSU auftreten. Eine Belastung für das gemeinsame rot-grüne Ziel der Machtübernahme sieht Ude aber nach eigenem Bekunden trotzdem nicht: „Es gibt eine zwanzigjährige Tradition, dass wir uns bei Messe und Flughafen nicht einig sind“, scherzte der SPD-Spitzenkandidat. „Diese zwanzigjährige Tradition hat unserer guten Zusammenarbeit keinen Abbruch getan.“

In München regiert Ude gemeinsam mit den Grünen im langlebigsten rot-grünen Bündnis in Deutschland. Er äußert sich zudem inzwischen wieder sehr viel freundlicher über die Grünen als zuletzt vor der Landtagspresse: Dort hatte Ude dem Wunschpartner vorgeworfen, der Widerstand gegen den Ausbau der Infrastruktur trage „Züge eines Religionskriegs“. Ein echter Religionskrieg ist in München nicht zu befürchten. Doch der Streit ist so ernst, dass nun die Bürger als Schlichter gebraucht werden.

Keine Kommentare