Glosse: Das irre Schauspiel um die Juraleitung P 53

1.12.2019, 05:58 Uhr
Oh, du schöne Stromtrasse! Wenn du uns nur erspart bliebest.

© dpa Oh, du schöne Stromtrasse! Wenn du uns nur erspart bliebest.

Blicken Sie noch durch mit der P 53? Sie wissen schon, P 53 ist diese Stromleitung, die ganz in der Nähe von West nach Ost verläuft, und die in ein paar Jahren noch näher an uns heranrücken könnte.

Hätte der von der Bundesregierung beauftragte Übertragungsnetzbetreiber Tennet einfach das gemacht, was er früher gemacht hätte, dann wäre alles wunderbar geworden. Wunderbar für alle, außer für diejenigen, die ganz nahe an der Trasse wohnen. Tennet hätte gebaut, alle – inklusive der Politik vor Ort – hätten auf Tennet geschimpft. Und irgendwann wäre dann der Strom geflossen.

Nicht hier heißt lieber woanders

Tennet kam dann aber auf die perfide Idee, mehrere Vorschläge zu unterbreiten, wo die Stromtrasse künftig verlaufen könnte. Damit war der Ball in einem anderen Spielfeld gelandet. Und seither wird ein irres Schauspiel aufgeführt. "Nicht hier", sagten zunächst sechs erschrockene Bürgermeister aus den nördlichen Landkreisgemeinden, schlossen sich zusammen und verfassten eine Resolution. Was im Umkehrschluss natürlich heißt: "Lieber woanders". Das wollten sie aber nicht so laut sagen.

Einer hat sich dann aber doch getraut. Der CSU-Landtagsabgeordnete Volker Bauer hat ein Plädoyer gehalten für einen Ausbau der P 53 dort, wo sie schon seit den 1940er Jahren verläuft. Also zum Beispiel mitten durch Katzwang. Ich wage mal zu behaupten, dass Bauers Erkenntnis anders ausgefallen wäre, wenn er nicht in Kammerstein, sondern ein paar Kilometer weiter nördlich in Katzwang leben würde. Aber, ja mei: Bauer vertritt halt die Interessen der Leute aus dem Landkreis und nicht die aus der Stadt.

Städtische Ignoranz

Wie dem auch sei: Bauers Vorstoß blieb nicht lange unbeantwortet. Der Nürnberger Stadtplanungsausschuss hat kürzlich beschlossen, die P 53 durch Nürnberger Stadtgebiet abzulehnen und Tennet auf die Flächen südlich von Schwabach zu verweisen, also dort, wo der Landtagsabgeordnete Bauer wohnt. Weil es dort menschenleere Areale gebe, weil dort also die geforderten Abstandsflächen "problemlos" eingehalten werden könnten.

Dem Vernehmen nach haben sich die Menschen in Rohr, Kammerstein, Büchenbach, Schwanstetten und Rednitzhembach entweder feixend auf die Schenkel geklopft. Oder sie haben aus Verzweiflung ob so großer städtischer Ignoranz in die nächstgelegene Tischplatte gebissen.

Wie jetzt?

Wohlgemerkt: Der Nürnberger Stadtplanungsausschuss hat seinen Beschluss einstimmig gefasst, also auch mit Stimmen der CSU. Der Fraktionsvorsitzende dieser Nürnberger CSU im Stadtrat ist übrigens Marcus König, und der will im nächsten Jahr Oberbürgermeister in Nürnberg werden. Bei einer Veranstaltung der Senioren-Union trat er kürzlich in Schwabach auf und versicherte, anders als das im Nürnberger Stadtplanungsausschuss geklungen hat, dass man in Nürnberg selbstverständlich auch über die Stadtgrenzen hinaus denke, selbst bis nach Kammerstein. Und der Nürnberger Wirtschaftsreferent Michael Fraas, der Oberbürgermeister in Schwabach werden will, stand daneben und nickte dazu. Oh Mann! Wes’ Veranstaltung ich besuch’, des’ Lied ich sing. Oder wie heißt das Sprichwort?

Ach übrigens: Viele Menschen in den Landkreisgemeinden protestieren derzeit mit rot-gelben Kreuzen gegen die mögliche Südumfahrung der P 53. Sie stellen den Sinn des Projekts insgesamt in Frage, weil man den nötigen Strom für die Region doch auch regional erzeugen könne. So weit, so verständlich.

Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Der Versuch, zwischen Büchenbach und Rednitzhembach eine Vorrangfläche für eine oder zwei Windkraftanlagen auszuweisen, scheiterte vor einigen Jahren unter anderem an dem Protest, der sich seinerzeit bei den Bürgern breitmachte. In den gleichen Orten übrigens, in denen jetzt die Holzkreuze stehen.

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