Steingärten-Verbot? Freistaat sagt Kieswüsten den Kampf an

12.8.2020, 06:00 Uhr
Steingärten-Verbot? Freistaat sagt Kieswüsten den Kampf an

© Foto: Carmen Jaspersen/dpa

Kies- oder Schotterflächen, oft nur aufgelockert durch vereinzelte Pflanzschalen oder Alibi-Thujen – gerade die Vorgärten vieler neuer Baugebiete sind oft nicht grün, sondern grau in grau. Den Trend zum Steingarten moderner Prägung will inzwischen eine ganze Reihe von bayerischen Kommunen mit entsprechenden Regelwerken stoppen. Und der Freistaat möchte ihnen mehr rechtlichen Spielraum dafür geben.

"Wir wollen keine versteinerten Städte, sondern Natur und Artenvielfalt", sagte Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU), als sie vor einigen Tagen zur Novelle der Bayerischen Bauordnung Stellung nahm. Städten und Gemeinden sollen damit wirksame Werkzeuge an die Hand gegeben werden, um der im Internet oft auch als "Gärten des Grauens" verspotteten Freiflächengestaltung mancher Häuslebauer einen Riegel vorzuschieben. Den Ministerrat hat die neue Fassung der Bauordnung bereits passiert, nun muss noch der Landtag grünes Licht dafür geben.

Ein bayernweites Verbot von Steingärten sieht Schreyer allerdings kritisch, die Verantwortlichen vor Ort sollen selbst entscheiden dürfen. "Wie man die Ortsgestaltung in den Städten und Gemeinden am sinnvollsten regelt, wissen die Kommunen selbst am besten", sagt die Ministerin. Der Freistaat geht damit einen anderen Weg als Baden-Württemberg, das als erstes Bundesland ein Gesetz erlassen hat, das die Stein-Anhäufungen auf Privatgrundstücken ganz klar verbietet.

Erlangen war einer der Vorreiter

Einer der Vorreiter im Freistaat mit einer entsprechenden Freiflächengestaltungssatzung war Erlangen. Nach einer heftigen Debatte hatte der Stadtrat Anfang des Jahres ein Regelwerk verabschiedet, das diese viel kritisierte Art der Gartengestaltung explizit untersagt. Alle Appelle an Bauherren, freiwillig auf "Steinwüsten" und voll gepflasterte Vorgärten zu verzichten, hätten nichts gebracht, begründet Erlangens Baureferent Josef Weber den Vorstoß.

Auch in München gibt es Bestrebungen, Steingärten aus dem Stadtbild zu tilgen, und in Würzburg und in Straubing werden gerade neue Satzungen zu Verboten erarbeitet. In Regensburg wiederum hat der Stadtrat Ende Januar einstimmig eine neue Satzung "über die Gestaltung der unbebauten Flächen der bebauten Grundstücke, Einfriedungen und die Begrünung baulicher Anlagen" verabschiedet.

In den am 10. Februar in Kraft getretenen Bestimmungen ist zum Beispiel vorgeschrieben, dass pro voller 300 Quadratmeter unbebauter Fläche "mindestens ein Baum erster Wuchsordnung" gepflanzt werden muss. Und in Vorgärten soll in den Flächen zwischen Straße und Stellplätzen oder Terrasse ein bepflanzter Streifen mit einer Breite von mindestens 1,50 Metern Breite angelegt werden. Bauherren, die sich nicht an die Vorgaben halten, müssen mit einer Beseitigungsanordnung und einem Bußgeld rechnen.

Eingriff in die Eigentumsrechte

Unumstritten sind solche Regelwerke nicht, stellen sie doch einen nicht unerheblichen Eingriff in die Entscheidungsfreiheit der Bürger dar. Viele "Steingärtner" schätzen die schlichte Ästhetik des grauen Steins, andere wollen sich einfach die Gartenarbeit sparen, wenn sie die Humusschicht des Bodens abtragen, Folien ausbreiten und eine dicke Schicht Kies oder Schotter darüber verteilen.

Gegner der "Gärten des Grauens" wiederum argumentieren mit dem rechtlichen Grundsatz, dass Eigentum verpflichtet und die persönlichen Interessen eines Grundstückseigentümers hinter dem ökologischen Nutzen von Grünflächen zurückstehen müssen. "Privateigentum hat seine Grenzen, wenn es um den Schutz des Allgemeinwohls geht", sagt etwa Richard Mergner, Vorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern, und verweist auf die bayerische Verfassung, in der dieses Prinzip verankert ist.

Für die Tierwelt und das Klima in Städten und Gemeinden sind solche versiegelten Flächen natürlich alles andere als optimal. Ein negativer Effekt ist gerade in diesen Tagen mit Außentemperaturen von über 30 Grad deutlich spürbar. Steingärten haben die – gerade im Hinblick auf den Klimawandel – unangenehme Eigenschaft, dass sie Wärme speichern und wieder an die Umgebung abgeben. Pflanzen dagegen verdunsten Feuchtigkeit, machen die sommerliche Hitze erträglicher und erhöhen die Luftqualität, weil sie Feinstaub und Kohlendioxid binden.

Wichtiger Lebensraum für Insekten

"Fürs Kleinklima vor Ort sind blühende Gärten eine spürbare Wohltat", argumentiert denn auch Bauministerin Kerstin Schreyer, die Privatgärten zudem als wichtigen Lebensraum für verschiedenste Tierarten sieht. Zum Beispiel brauchen manche Schmetterlingsarten Gräser, Sauerampfer oder Klee, während Blühpflanzen eine lebenswichtige Nahrungsquelle für Bienen sind.

Zudem ist es laut Jochen Henning, Sprecher des bayerischen Landesverbandes für Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau, ein Trugschluss, dass Steingärten pflegeleichter seien. Mit der Zeit bilden sich auf den Steinen unschöne Beläge aus Moos und Algen, in den Zwischenräumen sammeln sich Blätter und Staub, die einen guten Nährboden für anfliegende Samen bilden. Außerdem durchbohren die Wurzeln vieler Pflanzen die Folie unter den Steinen, so dass nach ein paar Jahren eine "Generalsanierung" des Areals nötig ist. Eine intelligent gestaltete Grünfläche mit pflegeleichten Pflanzen könne da durchaus weniger Arbeit bedeuten.

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