Auernheim: Als das Wasser aus dem Dorfbrunnen kam
07.10.2019, 06:02 Uhr
Bedingt durch die Lage – der Ort liegt 634 Meter über dem Meeresspiegel, auf Kalksteinböden des Weißen Juras – sucht man hier vergebens eine Quelle. Doch wie kam das kostbare und lebensnotwendige Nass zu den Menschen?
Brunnen und Zisternen lösten dieses Problem, lange bevor eine Wasserleitung verlegt worden ist. Obwohl in den Gesteinsschichten unter Auernheim keine größeren Grundwasservorkommen zu vermuten sind, haben sich auf lokal begrenzten Stauhorizonten Schichtwasservorkommen gebildet, die die örtlichen Brunnen gefüllt haben. Wer keinen Haus-brunnen hatte, versorgte sich an den im Ort verteilten gemeindlichen Brunnen.
Beachtet man die Lage der Wasserspender, stellt man fest, dass sich diese vor allem im Bereich Frankenstraße und Kurzgasse konzentrieren. Von den sechs bis sieben öffentlichen Brunnen ist heute nur noch der am Dorfplatz sichtbar. Er wurde vor einigen Jahren bei der Neugestaltung des Platzes wieder aufgebaut. Seine Brunnenkammer ist relativ groß und diente hauptsächlich zur Vorhaltung von Löschwasser.
An den Brunnen deckten sich die Bewohner täglich mit Wasser ein. Dafür gab es spezielle "Wasserbutten" mit einem Fassungsvermögen von etwa 30 Litern. Sie wurden am Brunnen gefüllt und dann vorsichtig nach Hause getragen. Die Butten waren nicht nur schwer, das Wasser schwappte bei unvorsichtigen Bewegungen über den Rand und "duschte" die Träger dann unfreiwillig.
Gab es das Jahr über ausreichend Regen, hatten die Auernheimer auch ausreichend Wasser. In regenarmen oder sehr heißen Jahren wurde es schwieriger, die meisten Brunnen versiegten. Sparen und teilen lautete dann die Devise. Einer der gemeindlichen Brunnen in der Kurzgasse führte wohl am längsten Wasser. Deshalb wurde er in Trockenzeiten vorsorglich abgesperrt, um unkontrollierbare Wasserentnahmen zu verhindern. Noch heute erinnern sich ältere Gemeindebürger an den heißen Sommer 1947, als es kaum Wasser gab und das Wasser "geteilt" wurde.
Mittags, von 11 bis 12 Uhr, kam der Gemeindediener und sperrte den Brunnen auf, sodass die Anwesenden ihre Butten füllen konnten. Allerdings achtete er darauf, dass nicht zu viel Wasser gepumpt wurde. "Wehe, man hat noch einmal schnell gepumpt, wenn er Halt gesagt hatte. Dann hat er sich aufgeregt", erinnern sich Auernheimer Seniorinnen. Damit er alles im Blick hatte, stieg er auf eine Bank. "Wasserteiler" ist daher in der Region ein Spitzname für die Auernheimer.
1947 war aber das letzte Jahr, in dem die Auernheimer ihr Wasser teilen mussten. In den Aufbaujahren nach dem Krieg kam der Fortschritt in den Hahnenkamm. Für die Ent-wicklung der Dörfer wurden Fördergelder zur Verfügung gestellt, und der Bau einer Wasserleitung war den Verantwortlichen ein wichtiges Anliegen.
Zwischen 1947 und 1950 wurde das Projekt geplant und umgesetzt. Die Gemeinde hatte dabei Glück: Im Nachbardorf Windischhausen erwog man ebenfalls, eine Wasserleitung zu bauen, weshalb ein Landwirt der Gemeinde seine Wiese mit Quelle zum Kauf anbot. Allerdings konnte man sich nicht über den Preis einigen, wie im Windischhausener Heimatbuch steht.
Familien legten Hand an
Da die Quelle für die Auernheimer günstig lag, vom Dorf entfernt, wurde das Grundstück gekauft. Die Quelle wurde gefasst und ein Pumpenhaus gebaut. Um die Wasserleitung quer durch den Wald zu graben, wurden die Familien im Ort verpflichtet. "Jede Familie musste ein Stück graben", erinnern sich die Älteren.
Die Leitung endete am Ortsrand Richtung Windischhausen. Dort war der neue Hochbehälter errichtet worden. Die Arbeiten im Ort wurden hin-gegen von einer Fachfirma ausgeführt. Am 8. Mai 1950 fasste der damalige Bürgermeister Rösch mit seinen acht Gemeinderäten den Beschluss, "die Rohrlegung und Installationsarbeiten im Ortsnetz. .. auf Grund des billigsten Angebotes der Firma August und Jean Hilpert, Nürnberg, zu übergeben".
Im Winter 1950 war der Bau der Wasserleitung abgeschlossen und wurde groß gefeiert. Das ganze Dorf war auf den Beinen, die Brunnen wurden geschmückt und erhielten Schilder mit der Aufschrift "Feierabend". Die Dorfjugend führte den Festzug mit geschmückten Butten an, wohl in der Hoffnung, dass auch diese nun nicht mehr gebraucht werden. Der damalige Ortspfarrer Zinn übernahm die Weihe des Hochbehälters und es gab einige Redner, die die Baumaßnahme würdigten.
Das Thema Wasser war aber, entgegen der Hoffnungen der Auernheimer, noch nicht komplett abgeschlossen. Knapp zehn Jahre später wurde der Wasserzweckverband Wettelsheim gegründet, und bereits im folgenden Jahr wurde im Protokollbuch festgehalten, dass das Wasserwirtschaftsamt einen Anschluss Auernheims an das Wettelsheimer Wassernetz begrüßen würde. Damals wurde damit argumentiert, dass die Ausschüttung der Quelle zu gering sei. In den folgenden Jahren wurde der Anschluss immer wieder themati-siert, allerdings waren die Auernheimer wenig gewillt, diesem Wunsch nachzukommen.
Ungeliebter Anschluss
1966 wurde in den Protokollbüchern des Wasserzweckverbandes erstmals festgehalten, dass das Wasser bakteriell belastet ist, was noch heute bei manchem Auernheimer Skepsis hervorruft. Schließlich hat 1950, als die Quelle erschlossen wurde, der damalige Gunzenhäuser Landrat Hansgeorg Klauss dem Wasser "höchste Qualität" bescheinigt. Zwar lieferten die Wettelsheimer mittlerweile über den Hochbehälter Großholz schon zusätzlich Wasser nach Auernheim, die Quelle wurde trotzdem weiter genutzt.
1970 wurde schließlich beschlossen, den Ort komplett mit Trinkwasser zu versorgen. Die damals selbstständige Gemeinde trat aber immer noch nicht dem Zweckverband bei, sondern blieb vielmehr "Wassergast" – ein Status, den sie bis heute beibehält. Bei der Eingemeindung nach Treuchtlingen wurde die Wasserlieferung über die Wettelsheimer Gruppe weiter vertraglich festgelegt, die Abrechnung erfolgt allerdings über die Stadtwerke Treuchtlingen.
Die Wassernot in Auernheim ist Geschichte, trotzdem gibt es Haushalte, die ihre "Wasserbutten" aufgehoben haben – zur Erinnerung an die Zeit, als das Wasser noch nicht aus dem Wasserhahn kam.
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