Podiumsdiskussion der Treuchtlinger Fachhochschule

24.11.2010, 07:00 Uhr
Podiumsdiskussion der Treuchtlinger Fachhochschule

© Leykamm

Dass das Modell nicht unbedingt eine Utopie sein muss, verdeutlichte bereits Regina Sörgel während der Begrüßung der rund 80 Besucher. Denn individuelle und kontinuierliche finanzielle Unterstützung, die nicht an Bedingungen geknüpft ist, gibt es seitens des Staats bereits heute – zum Beispiel in Form des Kindergelds. Die Vorsitzende des Vereins „Einkommen ist ein Bürgerrecht“ ist überzeugt, dass das Modell des bedingungslosen Grundeinkommens noch sehr viel umfassender in der Gesellschaft Fuß fassen könnte und sollte.

Dass diese Idee nicht überall auf fruchtbaren Boden fällt, ist für Sörgel klar. Schließlich würde sie zu Lasten der Mächtigen so manchem schwer schuftenden Zeitgenossen das Leben mit einem Mal einfacher machen. Dazu zog die Initiatorin der Podiumsdiskussion eine gewagte, historische Parallele: Heute stelle sich die gleiche Frage wie zur Zeit kurz vor der Abschaffung der Sklaverei: „Wer macht jetzt all die unangenehme Arbeit?“

Georg Barfuß, Wirtschaftsprofessor und Lehrbeauftragter der Treuchtlinger Fachhochschule, wittert bei solchen Vorstellungen Morgenluft für Müßiggänger und hielt lakonisch ein Bibelwort entgegen: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.“ Freilich fügte er schnell hinzu: „Ich will nicht polemisieren.“ Zu spät – denn schon konterte Sozialwissenschaftler Manuel Franzmann: „Wir haben nicht mehr genug Arbeit für Alle.“ Zumindest nicht, wenn damit Erwerbstätigkeit gemeint sei.

An dieser sozialen Schieflage setzt die Idee des Grundeinkommens den Hebel an, indem sie das volkswirtschaftliche Ziel der Vollbeschäftigung fallen lässt beziehungsweise neu definiert: Wenn der Mensch sich eines nicht an Bedingungen geknüpften Grundeinkommens sicher sein kann, befreie ihn das dazu, „sich voll mit dem zu beschäftigen, was ihm liegt und womit er sich demzufolge auch am besten in die Gesellschaft einbringen kann“, formulierte Soziologe Sascha Liebermann die Intention des Modells. So stärke das Grundeinkommen sowohl die Motivation und die Individualität des Einzelnen als auch das Gemeinwesen an sich.

In diesem positiven Menschenbild wurde Liebermann von Kinder- und Jugendpsychiater Gunther Moll bestärkt. Wenn dank eines Grundeinkommens und der damit verbundenen Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe Existenznot durch Lebensfreude ersetzt werde, „dann regelt sich alles andere von selbst“, so Moll.

Das wiederum war für Barfuß zuviel des Luftschlösserbauens. „Hier hat jeder viele Ideen, aber keiner weiß, wie es wirklich geht“, kritisierte der Lehrer. Zudem gebe es in Deutschland bereits jetzt ein Grundeinkommen, „nur eben kein bedingungsloses“, brachte er Hartz IV ins Spiel. Ein Eigentor, wie sich schnell herausstellte, denn die schiere Existenz dieser sozialen Absicherung zeige gerade, dass eine monetäre Grundausstattung der Bürger sehr wohl finanzierbar sei, entgegnete Franzmann. Und nicht nur das – sie sei auch volkswirtschaftlich sinnvoll.

So sieht das auch der Treuchtlinger Vorstandsvorsitzende des „Instituts für gemeinwohlorientierte Politikberatung“ und ehemalige Vorstandsvorsitzende der Münchner Sparda-Bank, Günter Grzega. Er wies darauf hin, dass die mangelnde Identifikation der Menschen mit ihrer Arbeit die deutsche Volkswirtschaft laut einer Studie jährlich 300 Milliarden Euro koste. Eine System-Umstellung im Sinne eines bedingungslosen Grundeinkommens könne hier Abhilfe schaffen. Ein solcher Wechsel gehe allerdings nicht von heute auf morgen, sondern könnte in einem Zeitrahmen von etwa zehn Jahren vollzogen werden.

Auch was die Höhe eines solchen Grundeinkommens anbelangt, nannte Grzega konkrete Zahlen. Sie könnte monatlich zwischen 1.200 und 1.500 Euro liegen. Der Weisheit letzter Schluss sei all dies aber wohl trotzdem nicht: „Vielleicht muss man auch umdenken“, räumte Grzega ein, „und statt des Bürgerrechts auf ein Grundeinkommen das Grundrecht auf Arbeit durchsetzen“. Letztlich bleibe nur das Prinzip von Versuch und Irrtum.