Rassistische Parolen

Verbot von„L‘amour toujours“? So geht die Region nach dem Sylt-Skandal mit dem Lied um

Saskia Muhs

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Jonas Volkert

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1.6.2024, 05:00 Uhr
Auf dem Nürnberger Frühlingsfest war "l'Amour toujours" noch zu hören - gilt das auch im Herbst?

© IMAGO / Ardan Fuessmann; IMAGO / Bihlmayerfotografie Auf dem Nürnberger Frühlingsfest war "l'Amour toujours" noch zu hören - gilt das auch im Herbst?

Auf dem Oktoberfest soll das Lied "L‘amour toujours" wegen Umdichtungen mit rechtsextremen Textzeilen vorsichtshalber gar nicht erst gespielt werden. Beim Nürnberger Herbstfest dagegen wollen die Veranstalter den Song des italienischen DJ Gigi D‘Agostino nicht verbieten. Zuletzt hatten laut Polizei Besucher bei der Erlanger Bergkirchweih und beim Pfingstfest in Bad Kötzting dazu rassistische Parolen gegrölt. Wie sieht es in den anderen Städten der Region aus?

Nach dem rassistischen Vorfall bei der Bergkirchweih beschlossen die Erlanger Wirte, "L‘amour toujours" nicht mehr zu spielen. Laut Polizei hatten zwei Besucher zu dem Song "Ausländer raus" gerufen. Gegen die 21 und 26 Jahre alten Verdächtigen wird ermittelt.

Kein Verbot beim Herbstvolksfest und Michaelis-Kirchweih

Anders will die Stadt Nürnberg beim dortigen Herbstfest mit dem Thema umgehen. Es gebe derzeit keine Überlegungen, das Lied auf dem Herbstvolksfest zu verbieten, teilte Stadtsprecher Andreas Franke mit. "Zumal das Originallied an sich ja auch nicht zu beanstanden ist. Der Missbrauch des Lieds – wie in jüngster Zeit erfolgt – mit ausländerfeindlichen und rassistischen Parolen ist dagegen zu Recht justiziabel, inakzeptabel und abscheulich", antwortete Franke auf eine Anfrage dieser Redaktion.

Bei der Stadt Fürth sieht man "absolut keine Notwendigkeit", ein Song-Verbot für die Michaelis-Kirchweih auszusprechen. Mit 1,8 Millionen Besuchern sei man die größte Straßenkirchweih Deutschlands - und auch die "mit Abstand friedlichste." Rassistische Straftaten habe es in Fürth bislang nie gegeben. Ohnehin gebe es in Fürth keine Bierzelte, keine Keller und keine Ballermannmusik. "Fürth ist nicht Sylt, aber auch nicht Erlangen", lässt man aus der Kleeblattstadt mit Blick gen Erlangen und den dortigen Vorfällen wissen. Bei möglichen Entgleisungen gebe es aber, auch wegen der jüdischen Historie der Stadt, "natürlich eine Null-Toleranz-Politik."

Unklarheit in Regensburg und Forchheim

In Regensburg möchte man sich derzeit hingegen noch nicht festlegen. Ob der Song für die Herbstdult von Ende August bis Anfang September auf dem Index lande, werde erst noch "gemeinsam mit allen Beteiligten besprochen", so die Stadt auf Anfrage der Redaktion. Grundsätzlich liege die Musikauswahl aber bei den Festzeltbetreibern.

Bei der am Sonntag, 26. Mai, zu Ende gegangenen Maidult seien aber keine rassistischen Vorfälle im Zusammenhang mit dem Lied bekanntgeworden, sagte ein Sprecher noch am Montag.

Auch in Forchheim wolle man sich erst noch intern abstimmen, ob "L‘amour toujours" auf dem Annafest im Sommer zu hören sein darf, und werde das Ergebnis zeitnah mitteilen.

In Oberfranken will man sensibilisieren

Ein explizites Verbot wird es bei Festen in Bayreuth wohl nicht geben. Aber, so betont die Stadt gegenüber nordbayern.de, man sensibilisiere die Veranstalter, "dass für den Fall, dass entsprechende Parolen gesungen oder gegrölt werden sollten, die Musik – egal welche – abgedreht und das Licht angeschaltet wird." Vorgekommen sei das jedoch noch nicht.

Auf der Bamberger Sandkerwa wird der 90er-Hit ebenfalls nicht verboten: "Es darf nicht um das Lied gehen, sondern um diejenigen, die dieses Lied missbrauchen." Die Stadt verbindet die Entscheidung mit einem klaren Statement: "Wir überlassen Musik, Kunst und Kultur keiner rechten Szene." Der Künstler hinter dem Song, der italienische Produzent Gigi d‘Agostini, könne für die "Entstellung seines Werkes" schließlich nicht verantwortlich gemacht werden. Ein Aufführungsverbot sei damit nicht gerechtfertigt. Wichtiger sei "eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Rassismus oder der Verherrlichung des Nationalsozialismus."

München mit klarer Meinung

"Wir wollen es verbieten und ich werde es verbieten", sagte wiederum Oktoberfest-Chef Clemens Baumgärtner der Deutschen Presse-Agentur am Montag. Das Lied sei an sich zwar nicht rechtsradikal, aber es habe eine "ganz klare rechtsradikale Konnotation" bekommen, sagte Baumgärtner. "Auf der Wiesn ist für den ganzen rechten Scheißdreck kein Platz."

Die Betriebsbedingungen des Oktoberfests machten es möglich, derlei Parolen oder Inhalte zu verbieten. Die Wiesn sei ein "leichtfüßiges und schönes" Fest mit vielen ausländischen Gästen, so Baumgärtner. Rechte Parolen seien in der Vergangenheit verhindert worden und sollen auch in Zukunft nicht vorkommen. "Die Wiesn ist unpolitisch."

Niederbayern will sich mit Festwirten abstimmen

Für das Gäubodenvolksfest in Straubing - nach dem Oktoberfest das zweitgrößte in Bayern - ist bezüglich des D‘Agostino-Hits noch keine Entscheidung gefallen. "Bisher haben wir uns als Veranstalter nicht in die Auswahl des Liedguts in den Festzelten eingemischt", sagte Cheforganisator Daniel Winklmaier. Dieser spezielle Fall soll jedoch genau geprüft werden und eine Abstimmung mit den Festwirten folgen. "Rassistische Parolen haben auf unserem traditionellen Familienvolksfest nichts zu suchen und als Veranstalter werden wir solche Äußerungen auch keine Sekunde dulden", so Winklmaier. "Das Gäubodenvolksfest ist eine weltoffene Veranstaltung!"

In Bad Kötzting leitete die Kripo zuletzt Ermittlungen ein, weil beim Pfingstfest Gäste zu dem Lied rassistische Parolen skandiert haben sollen. Bereits bei Faschingsveranstaltungen in Bayern gab es ähnliche Vorfälle.

Sylt als Auslöser für die Diskussionen

Bundesweit für Schlagzeilen sorgte jüngst ein Vorfall auf der Insel Sylt. Auf einem nur wenige Sekunden langen Video, das zu Pfingsten entstanden sein soll, ist zu sehen und zu hören, wie Besucher eines Lokals zur Melodie des Partyhits "Ausländer raus" und "Deutschland den Deutschen" grölen. Der Staatsschutz ermittelt.

Der Berufsverband Discjockey (BVD) hat die geplanten Aufführungsverbote des Partyhits "L‘amour toujours" auf dem Münchner Oktoberfest und anderen deutschen Volksfesten kritisiert. "Das ist katastrophal. Wo sind wir denn, Lieder zu zensieren?", sagte BVD-Präsident Dirk Wöhler dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

"Den Song zu verbieten, bedeutet, den Rechtsextremen klein beizugeben", sagte BVD-Präsident Wöhler. Er verurteile die Umdichtungen des Hits mit rechtsextremen Textzeilen auf das Schärfste. Dennoch dürften die Vorkommnisse kein Grund für ein Verbot sein. "Gerade jetzt sollte der Song gespielt werden, um zu zeigen, dass wir multikulti sind."

Gigi D‘Agostino hatte selbst klargestellt, dass es in seinem Song ausschließlich um Liebe geht. "In meinem Lied "L‘amour toujours" geht es um ein wunderbares, großes und intensives Gefühl, das die Menschen verbindet. Es ist die Kraft der Liebe, die mich hochleben lässt", teilte D‘Agostino auf Anfrage mit.

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