Bauliche Entwicklung

Als Weißenburg die Stadtmauer zu eng wurde

26.01.2022, 12:20 Uhr
Heute stehen auf dem Neulinger-Areal Wohnhäuser, doch das Gelände war einst eines jener Grundstücke, die bebaut wurden, weil es innerhalb der Weißenburger Stadtmauern zu eng wurde.

© Adam Renner Heute stehen auf dem Neulinger-Areal Wohnhäuser, doch das Gelände war einst eines jener Grundstücke, die bebaut wurden, weil es innerhalb der Weißenburger Stadtmauern zu eng wurde.

In der ersten diesjährigen Ausgabe der „Weißenburger Blättern für Geschichte, Heimatkunde und Kultur“ wirft der Stadtarchivar Reiner Kammerl einen Blick zurück auf die frühen Ziegelhütten außerhalb der Stadtmauern, erläutert die heute vielfach nicht mehr vorhandenen Gewerbe- und Industriebauten rund um den Altstadtring sowie in einem dritten Bericht die ersten Häuser vor dem einstigen Obertor, das im 19. Jahrhundert aus verkehrstechnischen Gründen abgebrochen wurde. die Archäologen Anke Wunderlich und Markus Arnolds von der Firma ADA beschreiben die Befunde und Funde auf dem mittlerweile bebauten Neulinger-Areal. Die dortige Neubebauung und den dazu durchgeführten Architekten-Wettbewerb beleuchtet Stadtplaner Ulrich Heiß.

In „Vom Schießplatz zur Ziegelhütte“ beschreibt Stadtarchivar Reiner Kammerl die Entstehung der Ziegelei – vor über 500 Jahren als städtische Einrichtung, denn die Verfügbarkeit von Baumaterial war für eine Reichsstadt wie Weißenburg von enormer Bedeutung. Enorm war allerdings auch die von den Brennöfen ausgehende Brandgefahr, weswegen die Ziegelhütte außerhalb der Stadt an der Eichstätter Straße angesiedelt wurde – auf dem ehemaligen Schießplatz der Stadtschützen. „Ein erstes Gewerbegebiet außerhalb der Altstadt“, wie Oberbürgermeister Jürgen Schröppel im Vorwort der „villa nostra“ schreibt.

Über Jahrhunderte hinweg bot die Altstadt den Handwerkern und Händlern genügend Raum, doch mit der Industriealisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg der Platzbedarf der Unternehmen sprunghaft – innerhalb der Stadtmauern war dieser Raum nicht vorhanden.

Rund um den Stadtkern wurde gebaut

So wurden die Areale um die Stadt genutzt, von den Gebrüdern Auernhammer an der Schulhausstraße (heute Diakonie) über die Gärtnereien Gräfe, Bauer wie Löw (jeweils Wohnbebauung), die Schreinerei Huber (Seniorenhof) bis hin zu Albrecht Bender (Nürnberger Straße, Wohn- und Gesundheitszentrum) oder das Neulinger-Areal. „Wie ein Ring werden die Fabriken rund um die Altstadt angelegt“, schreibt Kammerl. Das geschah weitgehend ohne städtische Planung, die erst sehr viel später eingreift – etwa mit der Aussiedelung des Oechsler-Betriebes und den Bau des Seeweiher-Parkplatzes.

Der Weißenburger Stadtarchivar gibt zudem einen kleinen Ausblick auf die Zukunft der noch vorhandenen „Industriebrachen“ (ein Begriff der für ihn zu negativ besetzt ist) wie die einstigen Fabrikhallen Troeltsch/Anselm in der Schulhausstraße, das Ziegeleigelände Lang und den daneben befindlichen einstigen Sportplatz des TV 1860 Weißenburg.

Zudem beschreibt Kammerl in einem dritten Artikel die teils nicht mehr vorhandenen Anwesen am östlichen Stadtausgang vor dem einstigen Obertor sowie deren Nutzung.

Anke Wunderlich und Markus Arnolds drehen das Zeitrad der Weißenburger Siedlungs- und Baugeschichte viele Jahrhunderte zurück und berichten über vier Siedlungsgruben aus der Urnenfelderzeit (1200 bis 800 vor Christus), die bei den Grabungen auf dem Neulinger-Areal lokalisiert und untersucht werden konnten. „Es handelt sich bei jenen Gruben um die ersten archäologisch dokumentierten Siedlungsbefunde innerhalb des modernen Stadtgebietes von Weißenburg“, konstatieren beide. Das ist eine kleine Sensation und ein weiteres Teilchen im Mosaik der lokalen Geschichte. Hinzu kommen die Befunde aus dem späten Mittelalter und diverser Erdkeller sowie ein Blick auf die Befestigungen östlich der Stadt in Richtung Wülzburg im Dreißigjährigen Krieg.

Ein Fenster der Baugeschichte

Die „villa nostra“ öffnet so ein breites zeitliches Fenster der Baugeschichte in Weißenburg außerhalb der Stadtmauer und ruft dabei so manch vergessenen Betrieb wie die Emailfabrik Staudinger, die Schreinerei Denk oder die Brauerei Pflaumer wieder in Erinnerung. Mit vielen Karten und historischen Aufnahmen belegt das Heft zudem die teils gravierenden Veränderungen rund um die Altstadt. rh

Die aktuelle „villa nostra“ (Januar 2022) ist kostenlos bei den Verteilstellen der Stadtverwaltung, im Museumsshop, bei den Stadtwerken, bei Weißenburger Banken sowie in Buchhandlungen und in der Geschäftsstelle des Weißenburger Tagblatts kostenlos erhältlich.