Werden Tiertransporte bald bei Hitze ausgesetzt?

23.7.2019, 18:23 Uhr
Werden Tiertransporte bald bei Hitze ausgesetzt?

© dpa, Franz-Peter Tschauner

Viele Millionen Tiere werden jedes Jahr über die Straßen transportiert. Vor allem der Export von lebendem Schlacht- und Zuchtvieh boomt, auch wenn immer wieder Missstände in der Branche dokumentiert werden. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Hitzewelle hat nun auch der EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis die Mitgliedsstaaten aufgefordert, die vereinbarten Standards einzuhalten und keine Transporte bei über 30 Grad zu genehmigen. Auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner erklärte, dass solche Fahrten "völlig zurecht" untersagt seien.

Dennoch wurden nach ihren Angaben in den letzten beiden Jahren im Juli und August auch in Deutschland insgesamt 210 Transporte über die bulgarisch/türkische Grenze genehmigt, obwohl in 184 Fällen die Temperatur über 30 Grad gelegen hat und die Fahrzeuge in der Regel nicht über eine Klimatisierung verfügen. Konrad Ammon begrüßt die neuerliche Diskussion um die Einhaltung der Tierschutz-Standards beim Transport. "Wir gehen hier mit lebenden Kreaturen um und die haben ein Recht auf Respekt", so der Geschäftsführer des Metzgerschlachthofs Fürth und Landesinnungsmeister der Metzger.

Bayerischer Bauernverband nimmt Stellung

Lange Strecken seien bei seinem Betrieb und in der gesamten Region kein Thema. "Die Tiere kommen im Schnitt aus einem Umkreis von 50 Kilometern zu uns", so Ammon. Fahrzeiten von über einer Stunden kämen praktisch nicht vor. Zudem würde das Schlachtvieh bereits am frühen Morgen vor dem Betriebsbeginn um 5 Uhr 30 angeliefert. Hohe Außentemperaturen spielten da keine Rolle.

Der Bayerische Bauernverband (BBV) erklärt in einer Stellungnahme, dass die Bäuerinnen und Bauern im Freistaat "ihre Tiere im weltweiten Vergleich zu sehr hohen Standards" halten würden. "Deshalb verurteilen wir jegliche Tierquälerei sowohl bei der Haltung, dem Transport als auch bei der Schlachtung." Der Tierschutz müsse auch während der letzten Lebensstunden gelten. "Wir erwarten deshalb, dass auch bei Tiertransporten diese hohen Standards fortgeführt werden und mit größtmöglicher Sorgfalt gearbeitet wird. Insbesondere aus Tierschutzgründen ist grundsätzlich der Export von Fleisch und Fleischprodukten dem Export lebender Tiere zur Schlachtung vorzuziehen."
BBV-Sprecher Julian Drexler weißt in diesem Zusammenhang auch auf die Initiative des bayerischen Umweltministers Thorsten Glauber hin. Im Frühjahr erklärte er, dass "Tierschutz nicht an der Landesgrenze" endet und die zuständigen Amtstierärzte handfeste Kriterien brauchen, um beurteilen zu können, ob Transporte in Transit- und Zielländer außerhalb der EU tierschutzgerecht ablaufen.

Bayern hat bei Zuchtvieh eine "starke Position"

Bayern hatte deshalb die Transporte in 17 Drittstaaten im Nahen Osten, in Nordafrika und in Zentralasien streng reglementiert. Nur wenn die Transportplanung, Versorgungsmöglichkeiten entlang der Route und Navigationsdaten nachprüfbar sind, sollen sie künftig noch möglich sein. Die Überwachung soll eine neue Zentralstelle leisten, die sich laut Drexler im Aufbau befindet. "Beim Schlachtvieh brauchen wir eigentlich gar keine Transporte in Drittstaaten", so Drexler.
Etwas anders liege der Fall jedoch beim Zuchtvieh. Hier habe Bayern auf dem weltweiten Markt "eine starke Position." In diesen Fällen wird seiner Meinung nach aber ohnehin auf die Einhaltung der Standards geachtet, weil alle Beteiligten ein Interesse daran hätten, dass die Tiere den Transport gut überstehen.
Laut Landesamt für Statistik wurden im Jahr 2017 rund 6500 Rinder aus Bayern in Drittstaaten exportiert; 2018 waren es nur rund die Hälfte. Hauptabnehmer war die Türkei. Ganz Deutschland führte 2017 Tiere im Wert von rund 1,3 Milliarden Euro aus. Zu den bedeutendsten Importeuren für Schlacht- und Zuchtvieh aus der EU zählen die Türkei, Ägypten und der Libanon.

Kürzere nationale Transporte fallen "durch die Maschen"

Auch Jürgen Schmid als Vorsitzender des Landesverbands beamteter Tierärzte in Bayern sieht die aktuelle Debatte positiv. "Die Rechtsvorschriften und Standards müssen eingehalten werden", sagt er. Es sei völlig richtig, die Langzeittransporte endlich von politischer Seite auf den Prüfstand zu stellen und damit auch die Verantwortung weg von den Veterinären zu verlagern. Bislang müssen die Amtstierärzte schlüssig begründen, warum sie einen Transport nicht freigeben. "Sonst steht sofort eine Schadenersatzforderung im Raum, damit ist die andere Seite sehr schnell", so Schmid.

Er gibt allerdings zu bedenken, dass die kürzeren nationalen Tiertransporte "völlig durch die Maschen fallen." Sie müssen nicht angemeldet werden. Wenn es also "bei einer Fahrt von Traunstein nach Hamburg" zu Verstößen gegen die EU-Standards kommt, "wird das nicht kontrolliert." Außer der Transport fällt der Polizei auf und wird angehalten, so Schmid.

6 Kommentare