Streit wegen 60 Euro?

Teenager erschießt 14-Jährigen vor Schule: Was wir über die Bluttat wissen - und was nicht

Tobi Lang

Redakteur

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9.9.2023, 18:57 Uhr
Am Samstag durchkämmte die Polizei das Schulzentrum in Lohr am Main noch immer. Die Beamten suchten beispielsweise nach Patronenhülsen aus der mutmaßlichen Tatwaffe.

© Pia Bayer/dpa Am Samstag durchkämmte die Polizei das Schulzentrum in Lohr am Main noch immer. Die Beamten suchten beispielsweise nach Patronenhülsen aus der mutmaßlichen Tatwaffe.

Am Abend nach der Bluttat im unterfränkischen Lohr am Main erinnern Kerzen und Blumen an die Bluttat, die ganz Deutschland schockiert hat. Trauernde haben sie vor einem Seiteneingang des örtlichen Schulzentrums abgelegt. Hier starb am Freitagnachmittag ein 14-Jähriger nach einem Streit. Nur Stunden später wurde ein Verdächtiger festgenommen, offenbar ein gleichaltriger Klassenkamerad des Opfers. Was wir über das Verbrechen wissen - und was nicht.

Was ist geschehen?

Am Freitagnachmittag alarmierte ein 15-Jähriger in Lohr am Main die Polizei. Die Mitteilung war dramatisch: Ein Freund habe einen Jugendlichen auf dem Gelände des örtlichen Schulzentrums getötet. Dort sind eine Mittelschule, ein Gymnasium und eine Förderschule untergebracht - das Areal ist aber auch ein beliebter Treffpunkt für junge Menschen, die dort in einem sogenannten grünen Klassenzimmer Zeit verbringen können. Zunächst, heißt es von Seiten der Polizei, habe man auf einen Bluff des 15-Jährigen gehofft. Tatsächlich fand eine Streife aber vor Ort einen leblosen 14-Jährigen. Ein Notarzt konnte nur noch dessen Tod feststellen.

Unmittelbar nach dem Fund geriet ein anderer 14-Jähriger ins Visier der Polizei. Laut übereinstimmenden Medienberichten handelt es sich um einen Klassenkameraden des Opfers, beide besuchten die achte Klasse der Mittelschule in Lohr am Main. Gegen 18 Uhr nahm die Polizei den Teenager in seinem Elternhaus fest. Er leistete wohl keinen Widerstand.

Was ist über den Tatablauf und das Motiv bekannt?

Tatsächlich sind noch viele Fragen offen. Zeugen sprechen von Schussgeräuschen - und tatsächlich ging die Polizei schnell davon aus, dass eine Waffe im Spiel war. Eine Untersuchung der Rechtsmedizin am Samstag gab Gewissheit: Der 14-Jährige starb an Schussverletzungen. Der Klassenkamerad und mutmaßliche Täter wurde einem Ermittlungsrichter vorgeführt, der Haftbefehl erließ.

Am Tag danach brachten Menschen Kerzen an den mutmaßlichen Tatort.

Am Tag danach brachten Menschen Kerzen an den mutmaßlichen Tatort. © NEWS5 / Höfig, NEWS5

Wie die "Deutsche Presse-Agentur" berichtet, fand die Polizei eine Schusswaffe in der Wohnung des 14-Jährigen. Nach Angaben eines Sprechers des zuständigen Polizeipräsidiums Unterfranken hatte der Jugendliche erzählt, dass die mutmaßliche Tatwaffe dort versteckt sei. Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung habe es sich um eine Pistole gehandelt. Woher der Teenager die Waffe hat, ist bisher noch völlig unklar. Die Tat selbst habe der 14-Jährige nicht gestanden. Entsprechende Gerüchte wies die Polizei am Samstag zurück. Er habe jedoch Angaben gemacht, die neue Ermittlungsansätze ergaben, hieß es.

Die "Bild"-Zeitung berichtet zudem, der Streit zwischen den Jugendlichen habe sich wegen einer Bagatelle entzündet. Demnach forderte der Täter von dem Opfer Schulden ein. Offenbar ging es um rund 60 Euro. Im Verlauf der Auseinandersetzung zückte der 14-Jährige dann wohl die Schusswaffe und feuerte auf den Gleichaltrigen. Von der Polizei bestätigt ist das allerdings nicht.

Wie geht es jetzt weiter?

Der 14-Jährige sitzt in Untersuchungshaft. Die Ermittlungen laufen. Unter anderen sucht das Landeskriminalamt nach Patronenhülsen auf dem Gelände des Schulzentrums. Auch Polizeihunde werden eingesetzt. "Hinweise auf weitere Täter haben wir nicht", sagte ein Polizeisprecher. Die betroffenen Familien werden derzeit psychologisch betreut. Zudem sucht die Polizei nach Zeugen, die die Tat, den Täter oder das Opfer beobachtet haben könnten.

Ist der Täter strafmündig?

In den vergangenen Monaten sorgten mehrere Fälle von Gewalt unter Jugendlichen für Entsetzen. Einige Taten werden ungesühnt bleiben, denn die mutmaßlichen Täter sind sehr jung und deswegen strafunmündig. In Lohr am Main liegt der Sachverhalt anders. Aufgrund seines Alters ist der verdächtige Jugendliche strafmündig. Das gilt für alle Bürgerinnen und Bürger ab dem 14. Lebensjahr.

Wie ist die Stimmung in Lohr am Main?

Der beschauliche 15.000-Einwohner-Ort zwischen Würzburg und Aschaffenburg steht unter Schock. "Ich bin fassungslos und so geht es auch den Lohrer Bürgern. Ich war gerade auf dem Marktplatz und habe dort die bedrückte Stimmung gespürt", sagte der örtliche Bürgermeister Mario Paul beispielsweise dem "Bayerischen Rundfunk". "Ganz wichtig ist jetzt, allen Betroffenen beizustehen und Mitgefühl zu zeigen." Die Stadtpfarrkirche will am Sonntag Trauergespräche anbieten - und auch zahlreiche Seelsorger sind in Lohr am Main im Einsatz.

Ein Bekannter des Opfers sprach davon, dass der 14-Jährige "wie ein kleiner Bruder" für ihn gewesen sei. Auch er spricht von Wut, von Fassungslosigkeit, kann das Geschehene nicht begreifen. "Wie ist das möglich, dass ein 14-Jähriger mit einer Pistole rumläuft?"