Geprellte Anleger: Totalverlust statt Traumrendite

4.1.2010, 11:00 Uhr

Manche Maschen sind so unglaublich, dass Betrüger wohl nur deshalb abkassieren, weil sie mit ihren Opfern eines gemeinsam haben: die Gier. So gaben sich fünf Männer, alle zwischen 30 und 40 Jahre alt, als arabische Prinzen aus — tatsächlich konnten die Herren kaum lesen und knöpften doch gut betuchten Steuerberatern, Ärzten und Anwälten viel Geld ab.

Sie lockten mit saftigen Provisionen und der Einladung in den Prinzenpalast. Ihr windiger Trick: Devisengeschäfte wurden vorgegaukelt – Dollarscheine sollten gegen Euro getauscht werden. Die Geprellten merkten erst später, dass sie nur wertlose Farbkopien zurückbekamen, häufig gestempelt mit dem Stichwort „Freibier“.

Langjährige Haftstrafen

„Die Gier der Geschädigten machte diese 1001-Nacht-Geschichte erst möglich“, kommentierte Richter Ulrich Flechtner in der Urteilsbegründung des Landgerichts Nürnberg-Fürth. Heute verbüßen die Galgenstricke ihre langjährigen Haftstrafen.

Und doch erklärt Gier nicht alles. Betrügern geht es auch um Selbstbestätigung, hat Psychologieprofessor Hermann J. Liebel mit mehreren Studien belegt. Und der Bamberger Forscher hat auch herausgefunden, dass Betrüger meist smarte Leute mit Selbstwertproblemen sind und nur selten eine kaufmännische Ausbildung vorweisen können. Ihre Opfer dagegen sind häufig ökonomisch geschult.

Noch verblüffender ist eine weitere Erkenntnis der Studie: Geht es um Finanzbetrug, sind sich Opfer und Täter recht ähnlich. Auch den Anlegern geht es nicht nur um Geld – auch sie wollen ihr Selbstwertgefühl aufpolieren und lassen sich gerne individuell betreuen und von lässig-eleganten Finanzberatern schmeicheln. Oder in ihrer Einsamkeit trösten — das ist das kriminelle Konzept von Heiratsschwindlern.

In einem filmreifen Fall hatte es das Landgericht vor drei Jahren mit einem knapp 70-Jährigen zu tun. Er hatte zig vermögende Frauen mit Charme, Humor, Gewissenlosigkeit und dem Versprechen zweistelliger Zinsen um Millionen geprellt. Im Prozess konnte er sich nicht einmal mehr an die Namen seiner Freundinnen erinnern.

Und in fast jedem Betrugsprozess stellt sich die immer gleiche Frage: Wie kann man so leichtgläubig sein? Die meisten Opfer, die von Anlagebetrügern über den Tisch gezogen werden, sind gebildete Leute. Sie sind Ärzte und andere Akademiker, sogar Psychologen und Rechtsanwälte, kleine Bauern aus fernen Dörfern sind so gut wie nie darunter. Die Opfer eint eines: Sie wollen für ihre erfolgreichen Geldgeschäfte auch im Familien- und Freundeskreis Anerkennung ernten. Und deshalb interessieren sie sich für Beteiligungsmöglichkeiten aller Art. Ferienanlagen, Goldminen, Schweinehälften – oder derzeit brandaktuell, Blockheizkraftwerke.

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Emotionale Handbremse

In Hochglanzprospekten verwandelte sich auch die Nürnberger GFE Group (Gesellschaft zur Förderung Erneuerbarer Energien) zeitweise in eine Gesellschaft für garantierten Wohlstand. Versprochen wurden nicht weniger als technisch ausgereifte Blockheizkraftwerke für jedermann und Erträge in so schwindelerregender Höhe, dass die Verkäufer selbst die emotionale Handbremse ziehen sollten.

„Versprechen Sie Ihren Kunden nicht 35 Prozent Rendite, sondern lieber nur 1000 Euro Gewinn“, riet ein Schulungsleiter den neu angeworbenen Verkäufern des Unternehmens – ein Tipp, den ein Fernsehteam des ZDF mit versteckter Kamera für die Sendung „Frontal 21“ aufgezeichnet hat. Denn inzwischen ist (wie berichtet) die Nürnberger Firma ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten.

Der Verdacht der Ermittler: Die technische Weltrevolution ist lukrativer Humbug und gebaut wurden nur so viele Kraftwerke, wie nötig waren, um einen Betrieb vorzuspiegeln.

Längst wurde das Unternehmen auf den Kopf gestellt, Unterlagen in Hülle und Fülle beschlagnahmt, gegen 17 Beschuldigte wird ermittelt und acht Verdächtige wurden verhaftet. Die GFE Group weist die Vorwürfe auf ihrer Internetseite energisch zurück. Und ein Informant, der anonym bleiben will, behauptete jüngst, über wissenschaftliche Gutachten zu verfügen, welche die technische Effizienz der Kraftwerke bestätigen. Angeblich arbeite man in der Firma nun umso härter, um zu beweisen, dass das Produkt funktioniert. Kann jemand betrügen, der an das eigene Produkt glaubt?

Oft, auch dies zeigen Prozesse, fangen Betrüger seriös an. Sie stecken ihr Geld in hochspekulative Aktien und gewinnen phasenweise tatsächlich. Doch irgendwann machen sie Verluste – aber haben einen Lebensstil, der ihnen über den Kopf wächst. Wie ein Finanzdienstleister aus Fürth, der seinen Kunden jahrelang „etwas ganz Spezielles“ versprach.

Eine Ausbildung als Bankkaufmann brachte der Mann mit, seine grauen Schläfen verliehen dem Mittsechziger zusätzlich einen seriösen Anstrich – und 40 Kunden kündigten ihre Lebensversicherungen und Bausparverträge, um ihr Erspartes in sein „25-Prozent-gesicherte-Rendite“-Projekt zu stecken. Er investierte und verlor. Da begann er, ein bisschen Anlegervermögen „auszuleihen“, um Gewinne auszahlen zu können.

Sein Fall ist beispielhaft: Er verpasste den Absprung – obendrein wurden aus dem sozialen Umfeld seiner begeisterten Kunden immer mehr Menschen auf das vermeintliche Riesengeschäft aufmerksam. Das Geld von Nachbarn und Freunden wurde so zum Nachschub für den „unabhängigen Finanzberater“, der immer neue Löcher riss, um alte zu stopfen.

Das ist der Punkt, an dem sich Betrüger die Lage schönreden und hoffen, das alles irgendwie gut geht. Strafrechtler beginnen hier, von einem „Schneeball-System“ zu sprechen.

Ein Schneeball-System

Die Blockheizkraftwerk-Händler sollen mithilfe eines betrügerischen Schneeball-Systems, so glaubt die Staatsanwaltschaft, rund 1000 Anleger in Deutschland und der Schweiz geprellt haben. Ob sich bei der eigens eingerichteten Service-Nummer der Polizei (0911/21125999) alle geschädigten Anleger melden, ist fraglich.

Zwar hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung festgehalten, dass auch besonders leichtgläubige Anleger Opfer eines Betruges sein können, doch wahrscheinlich wird sich doch nicht jeder Geschädigte melden. Denn nicht jeder Anleger, der sich die Finger verbrannt hat, offenbart sich gern und gesteht sein Scheitern ein, erklärt Hermann J. Liebels Studie.