Grippe oder Corona? So kann man unterscheiden

14.10.2020, 07:40 Uhr

Corona- und Grippe-Symptome sind oft sehr ähnlich. © Marianne Natalis

"Gerade am Anfang haben die Symptome große Ähnlichkeit, sowohl bei der echten Influenza, einem Erkältungsinfekt und Covid-19", sagt Dr. Simon Sitter, Allgemeinarzt in Feuchtwangen. Im Herbst, wenn es draußen nass und kalt ist, treten die Erkrankungen wieder häufiger auf – und sind schwer zu unterscheiden.

"Den Unterschied zwischen echter Grippe und Covid können wir Ärzte einfach so überhaupt nicht treffen", sagt Sitter. "Das geht nur mit einem Test." Für Hausärzte gelten daher die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts, jeden Patienten mit Symptomen der Atemwege pauschal zu testen. "Vorsichtshalber empfehlen wir dann auch die fünftägige häusliche Quarantäne."

Eine Übersicht über die verschiedenen Erkrankungen und ihre Symptome.  © NN

Auch viele Hausärzte gehören zur Risikoklientel

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Gerade in den ersten zwei bis vier Tagen sind die Anzeichen so gut wie gleich. Deshalb geht Vorsicht vor. "Fieber haben die Patienten in circa 85 Prozent der Fälle, Husten in 70 Prozent und Kopfschmerzen, Schüttelfrost, Auswurf sowie Muskelschmerzen in zehn bis 15 Prozent", erklärt Sitter. Er ist mittelfränkischer Bezirksdelegierter des Bayerischen Hausärzteverbandes, als solcher vertritt und informiert er die Kollegen.

Bei einer harmloseren Erkältung kommt nach ein paar Tagen Schnupfen dazu. "Wenn die Nase erst einmal klarflüssig zu laufen beginnt, denken wir eher in Richtung Erkältungsinfekt", sagt der Hausarzt. "Bei Muskelschmerzen, vielleicht leichtem Fieber und Gliederschmerzen könnte man vermuten, dass es in Richtung Grippe geht." Schwerwiegender ist es, wenn plötzlich Luftnot, Brustschmerzen und Herzrasen auftreten. Dann hat die Infektion die Lunge erreicht.

Influenza und Corona haben ebenfalls gemeinsam, dass sie einen schweren Verlauf nehmen können und manchmal sogar lebensgefährliche Folgen haben. "Wenn eine Person vorbelastet ist, hat sie durch die echte Grippe ein zehnfach erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt und ein achtfach erhöhtes Schlaganfall-Risiko", erklärt Sitter.

Wer deshalb schon früh Klarheit will, womit er sich angesteckt hat, kann zum Hausarzt gehen. "Aber bitte nicht ohne Termin, sondern in spezielle Infektionssprechstunden", rät der Bezirksdelegierte. Die Hausärzte und das Praxispersonal müssen sich auch selbst schützen. "Man darf nicht vergessen, dass in Bayern etwa ein Drittel der Hausärzte altersbedingt selbst zum Risikoklientel gehört", sagt Sitter.



Zahlen der kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt zeigen, dass im ersten Halbjahr 2020 mehr als 85 Prozent der Covid-Verdachtsfälle von Hausärzten behandelt worden sind. "Auch die medizinischen Fachangestellten stehen wirklich an vorderster Front", sagt der Hausarzt. "Doch da gibt es keine Gespräche über Bonuszahlungen – das ist bedauerlich."

Knapp 200 Tests bei Lehrern

In seinem Einzugsgebiet, in und um Feuchtwangen, sind zurzeit mehrere Schulklassen in Quarantäne. "Wir haben in den vergangenen zwei Wochen Abstriche bei knapp 200 Lehrern durchgeführt, erfreulicherweise waren fast alle Tests negativ", erzählt der Arzt. "Im Schnitt nehme ich momentan täglich zwei bis sechs Abstriche in der Praxis." Im Herbst behandeln er und seine Kollegen normalerweise etwa 30 Prozent mehr Fälle durch Grippe und Erkältungen als im Sommer. "Und jetzt haben wir obendrauf noch die Corona-Patienten."

Sitter würde sich daher wünschen, dass sich mehr Menschen stärker um Prävention bemühen – also sich gar nicht erst infizieren. "AHA-Regeln, viel Lüften und Corona-App downloaden – das empfehle ich wirklich", sagt er. "Und sich von Leuten fernhalten, die husten." Außerdem hilft ein gutes Immunsystem. "Sport für den Kreislauf, gesunde Ernährung, wenig Alkohol, Nikotin und so weiter."



Für Risikopatienten empfiehlt er die Influenza-Impfung. "An der echten Grippe sterben ja immer noch etwa 20 000 Menschen pro Jahr in Deutschland, das dürfen wir keinesfalls unterschätzen." Außerdem rät Sitter zur Immunisierung gegen Pneumokokken, um einer bakteriellen Lungenentzündung vorzubeugen. Außerdem sollte die Vierfach-Impfung gegen Tetanus, Diphtherie, Polio und Keuchhusten aufgefrischt werden. "Damit kann man dafür sorgen, dass, wenn man erkrankt, der Verlauf nicht so schwer ist."

Wer schon zu schlapp ist, um selbst in die Praxis zu kommen, kann sich auch per Telefon oder Videochat beraten lassen. "Aber nur Patienten, die der Hausarzt schon persönlich kennt", sagt Sitter. "Durch die Änderung der Richtlinie zur Arbeitsunfähigkeit können wir so auch bis zu sieben Tage krankschreiben." Wenn sich der Zustand aber anschließend verschlechtert und vor allem, wenn Lungen-Symptome dazukommen, sollte auf jeden Fall eine Untersuchung stattfinden. Einerseits wegen eines Corona-Tests, um Kontaktpersonen schnell warnen zu können. Andererseits auch, um zu untersuchen, ob eventuell eine Antibiotika-Therapie nötig ist oder eine Einweisung ins Krankenhaus. In den Testzentren, wie etwa am Nürnberger Flughafen, haben Menschen mit Symptomen aber nichts verloren.

Von Fieberambulanzen hält er überhaupt nichts

Dem Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, zentrale Fieberambulanzen einzurichten, kann Sitter nichts abgewinnen. "Das ist absurd – wir haben bereits ein flächendeckendes Netz an Notdienstpraxen und einen Fahrdienst etabliert, mit dem wir zum Beispiel in Bayern 97 Prozent aller Patienten innerhalb von 20 Minuten erreichen", sagt er. "Wir brauchen keine Doppelstruktur aufbauen."



Der Hausarzt ist der erste Ansprechpartner. "Dem jungen, gesunden 20-Jährigen ohne Vorerkrankungen würde ich raten, vier, fünf Tage daheimzubleiben und wenn sich dann übers Wochenende nichts verschlechtert, wieder arbeiten zu gehen", sagt Sitter.

Für die Diagnose fragt der Hausarzt Simon Sitter auch, ob sich Bekannte in Quarantäne befinden. "Viele Schüler sind ja derzeit zu Hause, weil sie direkte oder indirekte Kontaktpersonen sind." Ihre Eltern gehen trotzdem zur Arbeit. "Sie sind ja auch nur der Kontakt eines möglichen Kontakts und damit nicht krankzuschreiben." Trotzdem helfen solche Zusatzinfos, die Lage zu beurteilen. Gut wäre auch, wenn jeder ein Fieberthermometer und ein Blutdruckgerät zu Hause hat. Mit diesen Infos fällt auch die Beurteilung aus der Ferne leichter.