Klaus Wolfermann, Olympiasieger aus Altdorf

19.10.2009, 00:00 Uhr
Klaus Wolfermann, Olympiasieger aus Altdorf

© NN-Archiv

Auch 37 Jahre später sorgt der Zweikampf zwischen dem nur 1,76 m großen Kraftbündel und dem eng mit ihm befreundeten Letten für Gesprächsstoff. Janis Lusis, Olympiasieger 1968 in Mexiko, und Klaus Wolfermann, «der kleine Riese mit dem goldenen Arm», blieben bei allen Erfolgen immer bescheiden. Heute ist der Vater einer Tochter in Penzberg ansässig, betreibt mit seiner Frau Friederike, einer ehemaligen Kunst- und Turmspringerin, die er 1967 heiratete, eine Sportvermarktungsagentur und engagiert sich für zahlreiche soziale Projekte.

Eigentlich hätte Klaus Wolfermann, 1946 in Altdorf geboren, in die Fußstapfen seines Vaters treten sollen, der als Kunstturner die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Berlin knapp verpasst hatte. Er stand dem späteren Fürther Olympiasieger Alfred Schwarzmann, der drei Gold- und zwei Bronzemedaillen gewann und mit 40 Jahren in Helsinki noch Olympiazweiter am Reck wurde, kaum nach.

Eigene Vorstellungen

Mit 14 Jahren aber hatte er genug von Barren und Pferd, spielte mit seinem Freund Martin Reitenspieß, dem früheren Meisterspieler des TSV Ansbach, in der Jugend des TV Altdorf Handball. Dann wurde sein Talent für die Leichtathletik entdeckt, vor allem seine Begabung als Speerwerfer fiel auf. Wolfermann wechselte zu Siemens Nürnberg und wurde deutscher Jugend-Vizemeister. Rasch aufwärts zeigte die Leistungskurve des 19-jährigen, nachdem er das Sportstudium in München aufgenommen hatte. Im Würzburger Hermann Rieder fand er einen Trainer, der seinen Schützling kontinuierlich nach vorne brachte: 1968 kam er auf den zweiten Platz bei den «Deutschen», womit er gleichzeitig das Olympiaticket für Mexiko löste, dort aber im Vorkampf ausschied. Das war der Augenblick, in dem Klaus Wolfermann schwor, sich mit aller Macht auf Olympia vier Jahre später in München zu konzentrieren. Der Trainingsumfang wurde erhöht, das Leistungsvermögen stabilisiert. Mehrfach verbesserte der Sportstudent den deutschen Rekord.

«Ich wollte Silber oder Bronze gewinnen,»erinnert er sich. «Doch im Stadion spürte ich, dass ich mehr erreichen konnte. Mit vollem Risiko, einem verlängerten und schnelleren Anlauf legte ich alles in den fünften Versuch. Der Speer bohrte sich, vom tosenden Jubel der Zuschauer begleitet, nach 90,48 Meter in den Rasen. Ich hatte die Führung übernommen.» Doch der deutsche Meister, der den Titel zwischen 1969 und 1974 sechsmal in Serie errang, wusste um die Nervenstärke seines Freundes Janis Lusis.

Das große Zittern begann

Als dessen sechster Versuch steckte, herrschte Totenstille im Stadion. Aber als auf der Anzeigentafel die Weite von 90,46 Meter auftauchte, da wurde das weite Rund unter dem Zeltdach zum Hexenkessel.

Der «deutsche Speerwerfer des Jahrhunderts» befand sich von einer Sekunde auf die andere in einer anderen Welt. «Plötzlich wurde ich angestarrt wie ein Weltwunder, hatte im Nu sehr viele Freunde, bemerkte aber auch schnell, wer diesen Namen wirklich verdiente. Ich blieb der einfache und schlichte Mensch, der sich von der Münchener Schicki-Micki-Gesellschaft fernhielt, sein Leben wie vorher mit Spaß und Zufriedenheit fortführte, auch dank der Unterstützung meiner Familie,» beschreibt der 63-jährige die damalige Situation.

Schon im Januar 1973 bereitete sich der Goldmedaillengewinner gewissenhaft auf die nächste Saison vor. Bereits im ersten Wettkampf in Leverkusen folgte der nächste Paukenschlag: Er warf Weltrekord mit 94,08 Meter.

Plötzliches Karriereende

Doch 1976 stellten sich plötzlich Verletzungen ein. Eine Meniskusoperation kostete ihn die dritte Olympiateilnahme in Montreal. Und ein lädierter Ellenbogen zwang ihn 1978, seine Karriere abrupt zu beenden. Doch damit ging er dem Hochleistungssport nicht verloren. Als ihn die Bobfahrer beim «Ball des Sports» hänselten «Auf die Bobbahn traust du dich nicht», da stieg der zweimalige «Sportler des Jahres» (1972 und 1973) in den Schlitten, wurde als Bremser von Georg Heigl Vizeweltmeister und saß eine Saison selbst an den Lenkseilen.

Beruflich fand er auch eine neue Aufgabe, zog 1980 von Burgkirchen-Gendorf, wo er als Sportlehrer im Vereins- und Werkssport enormes Ansehen genoss, nach Herzogenaurach. Dort engagierte er sich 14 Jahre lang in der PR-Abteilung von Puma und gründete eine Sportvermarktungs- und Consultingagentur. Ende Juli 2001 gab er dem Drängen seiner Frau nach und zog mit ihr ins oberbayerische Penzberg.

Soziales Engagement

Seither setzt sich Klaus Wolfermann für soziale Belange ein. So ist er Vorsitzender des FC Olympia, einer Vereinigung von deutschen Medaillengewinnern, die an karitativen sportlichen Veranstaltungen teilnehmen, deren Erlös sozialen Projekten zufließt. Er ist Sonderbotschafter für Special Olympics, der einzigen vom Internationalen Olympischen Komitee autorisierten Sportgemeinschaft für geistig behinderte Menschen. Seit 2006 organisiert er Golfturniere für Kio-Kinderhilfe-Organtransplantation, eine Initiative der Aktion «Sportler für Organspende». Und er gehört dem Vorstand des Eagles-Charity-Golfclubs an, der durch die Einnahmen bei Benefizturnieren notleidende Menschen unterstützt.

So kommt er aber kaum dazu, sein Golf-Handicap von derzeit zwölf zu verbessern, was ihn aber nicht stört. «Man muss Freude am Sport haben, das Ergebnis ist Nebensache,» sagt der stets um seine Fitness bemühte Franke.

Die Liebe seiner Frau stärkte die Arme

Klaus Wolfermanns Resümee: «Ein so intensives Leben ist nur möglich, wenn der Partner mit an einem Strang zieht. Ohne das liebevolle Verständnis meiner Frau wäre ich auch nie frei für die Erfolge in meiner Speerwurf-Karriere gewesen.»

Und noch ein Aspekt ist dem Olympiasieger wichtig: «Ich habe viele echte Freunde in aller Welt gefunden, habe vor allem aber zu Janis Lusis und seiner Frau Eva Osolina, die erste 60-m-Werferin und schon 1960 in Rom Olympiasiegerin, enge Bande geknüpft. 2006 waren die beiden, die in sehr bescheidenen Verhältnissen leben, bei meinem 60. Geburtstag Ehrengäste. In diesem Jahr durften wir den 70. von Janis in Riga mitfeiern. Ich bin dankbar, dass mir der Sport solche Begegnungen auch 30 Jahre nach dem Ende meiner Karriere schenkt, ein Ausgleich für die vielen Entbehrungen, die man als Sportler hingenommen hat.» Und der heutigen Generation rät er: «Denkt nicht zuerst ans Geld, sondern an die Leistung.»

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