Mehlbeere: Nachzucht war erfolgreich

24.9.2010, 16:38 Uhr
Mehlbeere: Nachzucht war erfolgreich

© Ralf Rödel

Wenn Andreas Niedling von den Mehlbeeren spricht, die nur in der Fränkischen Schweiz unter anderem auch in Betzenstein wachsen, gerät er ins Schwärmen. „Die Mehlbeere steckt mitten im Artbildungsprozess, an ihr können wir hautnah beobachten, was Evolution bedeutet“, sagt der Biologe, der beim Landschaftspflegeverband für das Nachzucht-Projekt verantwortlich ist.

Eigene Arten entstehen

Dem biologischen Laien sagt das freilich nicht viel, deshalb erklärt Niedling: Die Mehlbeere neigt zur Hybriden-Bildung, will heißen, ein männlicher und ein weiblicher Baum pflanzen sich geschlechtlich fort und manchmal entsteht dabei eine neue Art. Diese so genannten Hybriden oder Mischlinge sind oft unfruchtbar. „Das kennen wir aus der Tierwelt zum Beispiel vom Maulesel“, erklärt Niedling. Bei der Mehlbeere ist das anders. Die Hybriden beginnen sich fortzupflanzen und als eigene Arten zu etablieren. Auf diese Weise entstanden die Fränkische, die Gößweinsteiner und auch die Leutenbacher Mehlbeere. Und weil sie nur hier vorkommen, werden sie als endemisch bezeichnet.

Diese Arten gilt es zu schützen. Davon ist Andreas Niedling überzeugt und erhält Unterstützung vom Landkreis Forchheim und vom Freistaat Bayern. Letzterer hat die Hohenesters Mehlbeere und ihre Artverwandten in das Projekt „Bayerns Ureinwohner“ aufgenommen. In dessen Rahmen kann der Landschaftspflegeverband Maßnahmen starten, um die seltenen Bäume vor dem Aussterben zu bewahren (wir berichteten).

In der Praxis heißt das zum einen, dass die Standorte – Felskuppen und Waldränder in der Fränkischen Schweiz – so gepflegt werden, dass die sensiblen Laubbäume genügend Licht bekommen und nicht von Buche, Eiche und Fichte verdrängt werden. Zum anderen schließt das auch die Nachzucht-Versuche ein, die seit etwa einem Jahr in der Obstbauversuchsanlage in Hiltpoltstein unternommen werden.

Wie beim Weinanbau

An zwei verschiedenen Möglichkeiten hat sich Christof Vogel dabei versucht. Variante eins, bei der er grüne Stecklinge einpflanzte in der Hoffnung, dass sie Wurzeln schlagen, erwies sich als wenig erfolgreich. Bei Variante zwei hatte er mehr Glück: Dafür nahm er Wurzeln der robusten schwedischen Mehlbeere und pfropfte – ähnlich wie beim Weinanbau – junge Triebe der seltenen Sorten auf.

Ein Jahr später hat er auf diesem Weg bereits jeweils zehn Exemplare der zwölf endemischen Arten gezüchtet. Die sollen im nächsten Frühjahr auf einem Versuchsfeld bei Dietzhof oder Leutenbach ausgepflanzt werden und könnten – sofern sie tatsächlich anwachsen – irgendwann auch an Standorten der ursprünglichen Sorten ausgepflanzt werden.

„Diese Veredelung ist sehr aufwändig und bringt nur wenig Resultat“, sagt Christof Vogel von der Versuchsanlage. Deshalb setzen er und Andreas Niedling auf einen dritten Fortpflanzungsversuch: Aus Zellgewebe der Knospen könnte in vitro – im Reagenzglas – weiteres Gewebe gezüchtet werden, woraus auch Wurzeln entstehen könnten. „Wenn das klappt, können wir aus wenig Pflanzenmaterial viele neue Pflanzen züchten“, meint Niedling. Schon bald soll der erste Versuch unternommen werden.

Andreas Niedling bietet am Freitag, 1. Oktober, eine Führung auf dem Walberla zum Thema Mehlbeere an. Treffpunkt ist um 18 Uhr am Gasthaus Trautner in Kirchehrenbach.