Bezug zu Reichsbürger-Szene?

Nach Schließung illegaler Schule in Erlangen: "Regierung hat Ausmaß der Problematik nicht erkannt"

23.1.2022, 05:50 Uhr
Als die Behörden am Donnerstag in das Gebäude eindrangen, fanden sie dort auch 15 Kinder und Jugendliche. 

© Anne Kleinmann, NN Als die Behörden am Donnerstag in das Gebäude eindrangen, fanden sie dort auch 15 Kinder und Jugendliche. 

Nachdem am Donnerstag die ohne Genehmigung geführte Schule auf dem Gelände der Königsmühle bei Erlangen-Eltersdorf geschlossen wurde, kommen nun erste Reaktionen aus der Politik. Der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Matthias Fischbach, sieht demnach einen grundlegenden Handlungsbedarf: "Nach meiner Einschätzung hat die Regierung in Bayern das ganze Ausmaß der Problematik noch nicht erfasst."

Liste an Schulen und Lerngruppen

Bereits im November hatte Fischbach zu der allgemeinen Thematik eine Anfrage an das bayerische Kultusministerium gestellt, die Antwort dauerte mehrere Wochen - enthält aber einige Details: Demnach gab es im Freistaat in den vergangenen Monaten deutlich mehr Schulen und Lerngruppen, bei denen das Innenministerium sowie das Bayerischen Landeskriminalamt Bezüge zu Querdenkern oder Reichsbürgern sieht, als bislang bekannt.

So nennen die beiden Behörden in der Liste den unangemeldeten Schulbetrieb in Rosenheim. Wie auch in den Medien mehrfach berichtet, sah der Verfassungsschutz bei der Leiterin der Schule Verbindungen zur Reichsbürger-Szene. Aus den Reihen der Querdenker gab es demnach zwei Versuche Schulen zu gründen: Sowohl in Fürsteneck als auch in Eppenschlag (beides in Niederbayern) seien, so heißt es in der Antwort des Ministeriums weiter, pädagogische Konzepte eingereicht worden. Ein Antrag auf "schulaufsichtliche Genehmigung", wie er benötigt wird, sei in beiden Fällen bislang nicht gestellt worden.

Zudem nennt das Ministerium in der Antwort die bereits bekannten Lerngruppen in Röllbach und in Peißenberg, bei denen ebenfalls ein Bezug zur Querdenker-Szene gesehen wird.

Besonders brisant für die hiesige Region ist aber ein anderes Detail: Als weitere Lerngruppe, bei der die Behörden offenbar einen Reichsbürger-Bezug sehen, nennen sie eine Lerngruppe im Jahr 2021 in "91058 Erlangen". Die Postleitzahl gehört unter anderem zum Erlanger Stadtteil Eltersdorf, in dem am Donnerstag die Regierung von Mittelfranken die nicht genehmigte Schule geschlossen hat. Polizei und Behörden hatten bei der Durchsuchung des Geländes 15 schulpflichtige Kinder und Jugendliche angetroffen.

Aus der Antwort des Ministeriums, die der Redaktion vorliegt, geht allerdings nicht hervor, ob es sich bei der aufgelisteten Lerngruppe mit Reichsbürger-Bezug um diese nun geschlossene Schule handelt - oder nicht. Die Ermittlungen dazu seien zudem noch nicht abgeschlossen, heißt es in dem Schreiben weiter.

"Nicht verhältnismäßig": Kritik an USK-Einsatz

In den Sozialen Medien wird unterdessen der Einsatz bei Eltersdorf, bei dem die Stadt von dem Unterstützungskommando Mittelfranken, kurz USK, unterstützt wurde, heftig kritisiert: Demnach seien die Polizisten in "voller Montur und bewaffnet" in das Gebäude eingedrungen, in dem auch die Kinder anwesend waren, wird eine Beteiligte zitiert. Der Einsatz sei "nicht verhältnismäßig" gewesen, so ihre Kritik. Ob ihre Angaben zutreffen, konnte von der Redaktion nicht abschließend verifiziert werden. Polizei und Stadt machten zu den Details des Eingriffs bislang keine Angaben. "Es ist aber ein normaler Vorgang, zu solchen Durchsuchungen das USK hinzuziehen", erläuterte eine Sprecherin der Polizei auf Nachfrage unserer Redaktion.

Bereits im November hatten Recherchen unserer Redaktion ergeben, dass auf dem Gelände der Königsmühle bei Erlangen-Eltersdorf Kinder während der eigentlichen Schulzeit unterrichtet wurden. Nach der Veröffentlichung hatten die Behörden das Gelände kontrolliert, dabei aber keine schulpflichtigen Kinder vorgefunden. Nun hatte es erneut Hinweise auf die nicht genehmigten Aktivitäten auf dem Gelände gegeben.

Für FDP-Landtagsabgeordneten Fischbach besteht generell Handlungsbedarf: "Allein, dass die Antwort auf meine Anfrage so lange gedauert hat, zeigt, dass die Staatsregierung sich selbst ein umfassendes Bild machen musste. Ich fürchte, wir sehen mit den aktuell bekannten Fällen nur die Spitze eines Eisbergs." Die Netzwerke und Gruppierungen hinter den Bildungseinrichtungen müssten genau analysiert werden, fordert der bildungspolitische Sprecher weiter. "Ich erwarte daher die Aufklärung des gesamten Ausmaßes der illegalen Schulen von Seiten der Staatsregierung und entsprechende Konsequenzen."

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