NSU-Morde
20 Jahre nach dem Mord an İsmail Yaşar: Wie Nürnberg ihm weiter gedenkt
09.06.2025, 13:30 Uhr
İsmail Yaşar lebte länger in Deutschland, als er es in der Türkei tat: Als 23-Jähriger kam er nach Deutschland, er arbeitete, heiratete und bekam Kinder. Er lebte mit seiner Familie in Nürnberg und eröffnet in der Scharrerstraße im Jahr 2000 seinen Dönerimbiss - und wird dort am 09. Juni 2005 von den Tätern des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) ermordet. İsmail Yaşar war das sechste Mordopfer der rechtsextremen Gruppe.
Auch nach 20 Jahren hinterlässt die Tat ihre Spuren. Denn: Bis heute sind die tödlichen Schüsse unbegreiflich.
Vergangenen Donnerstag luden die Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit Oberbürgermeister Marcus König zur Gedenkveranstaltung für İsmail Yaşar ein, bei der sich zugleich „für Menschenrechte, Respekt und Toleranz“ eingesetzt wurde. „Wir alle sind Nürnberg“, betont OB König deswegen während der Veranstaltung.
König dankte der Schule, für ihren Einsatz und Eintreten, damit „jeden Tag ein Miteinander in unserer Stadt“ möglich ist. Auch dass die Grund- und Mittelschule sich weiterhin gegen Rassismus einsetzt und für ein friedliches Zusammenleben stehe, mache ihn stolz.
„Alle Kinder waren begeistert von ihm. Er war wie ein Papa für sie“, erzählt Sylvia Tatár, Lehrerin an der Scharrerschule, während ihrer Rede. Wie der BR berichtet, habe auch sie ihn gekannt, oft neben seinem Imbiss geparkt und manchmal mit ihm geplaudert. „Er war einfach ein besonderer Mensch.“
Die neue Generation an Schülern ehrte ebenfalls den ermordeten Familienvater. Während des diesjährigen Stadtteil-Picknicks in Gleißhammer betonen Schülerinnen der Scharrerschule: „Donnerstagvormittag wurden vor unserer Schule am helllichten Tag die Menschenrechte mit Füßen getreten! Es war der Tag, an dem unser Mitbürger İsmail Yaşar aus rassistischen Gründen ermordet wurde.“
Behördenversagen im Rahmen der NSU-Morde
Yaşar war das sechste Mordopfer der NSU-Mordserie. In Nürnberg starben insgesamt drei Personen durch die Hand der rechtsextremen Zelle. Neben Yaşar starb der Blumenhändler Enver Şimşek sowie der Schneider Abdurrahim Özüdoğru. Den Ermittlern war bereits früh klar, dass ein Zusammenhang zwischen den Toten besteht. Doch die zu dem Zeitpunkt neu eingerichtete, 40-köpfige Sonderkommission „Halbmond“, suchte zunächst nach Verbindungen zu türkischen Drogenhändlern - die Beamten setzten schließlich sehr fragwürdige Methoden ein, observierten und hörten Hinterbliebene ab. Ein massiver Eingriff „in die Persönlichkeitsrechte der Angehörigen der Opfer“ ein, betont der NSU-Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags im Juli 2013.
Neben der Gedenkveranstaltung werden weitere Versammlungen in Erinnerung an İsmail Yaşar stattfinden. Am Todestag, 9. Juni, organisiert die „antifaschistische Initiative - Das Schweigen durchbrechen“ eine Gedenkveranstaltung und Kundgebung, welche um 18 Uhr in der Scharrerstraße beginnt. Zudem wird das Straßenfest gegen Rassismus am 21. Juni veranstaltet. Am 26. Juni findet ein Vortrag von Jonas Miller, Redakteur des Bayerischen Rundfunks, sowie dem Rechercheteam der Nürnberger Nachrichten zum aktuellen Stand der Recherche statt.