Antrag im Stadtrat

Nach schweren Vorwürfen: Hat sich die Situation bei der Ausländerbehörde in Nürnberg verbessert?

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08.06.2025, 05:00 Uhr
Im November 2024 fand eine Kundgebung in Nürnberg statt.

© Stefan Hippel Im November 2024 fand eine Kundgebung in Nürnberg statt.

Schlechte Erreichbarkeit, monatelange Bearbeitungszeiten, keine Dokumente in den Muttersprachen der Betroffenen und keine Verfügbarkeit von Ansprechpersonen bei Fragen oder Problemen - all das haben mehrere Organisationen dem Amt für Migration und Integration in der Regensburger Straße 231 in Nürnberg vorgeworfen. Zum Teil verzweifelt äußerten Betroffene ihre Kritik auch in den Google-Bewertungen.

Schon im November 2024 hat eine Kundgebung unter dem Motto „Ausländeramt macht Ausländer krank“ stattgefunden, im Dezember stellte die SPD-Fraktion einen Antrag zur Verbesserung der Situation in den Nürnberger Behörden. Im März 2025 stellte die Politbande dann einen Antrag spezifisch zur Situation in der Ausländerbehörde, in dem der im Stadtrat vertretene Verein eine Analyse der aktuellen Umstände bietet und Verbesserungen der Arbeitsabläufe fordert.

Am 3. Juni wurde dieser im Ausschuss für Personal und Organisation schließlich besprochen. Doch damit ist die Arbeit lange nicht getan, von einem guten Tag will Leonie Petzoldt von der Politbande nicht direkt sprechen. Die Gespräche im Ausschuss hatten beides, Positives und Negatives, sagt sie. „Wir haben schon gemerkt, dass es schwierig wird, diese strukturellen Veränderungen vorzunehmen.“ Viele Rechtfertigungen von Seiten der Stadtverwaltung hätte man gehört, viele Erklärungen - aber auch ein bisschen Einsicht. „Die Stadt hat die Missstände zumindest anerkannt und zugestimmt, dass es Handlungsbedarf gibt“, so Petzoldt. „Dennoch ist es immer noch nicht hinnehmbar, welchen Umgang Menschen dort erfahren“, sagt Justin Seeger von der Politbande.

Ausländeramt muss service-orientierter werden

Ein paar Punkte haben sich seit den ersten Beschwerden Anfang des Jahres tatsächlich bereits geändert. So wurde beispielsweise der digitale Zugang ausgebaut und mehrsprachig gestaltet. In großen Teilen bestehe das Problem aber weiter, „die gravierenden Missstände sind noch lange nicht ausreichend behoben“, betont Petzoldt. Besonders die niederschwellige Erreichbarkeit für die Betroffenen sei noch ein großes Problem. Bei Fragen und Problemen könnten diese sich an so gut wie niemanden richten, telefonisch wie auch vor Ort sei niemand für Fragen erreichbar. „Das ist nicht tragbar.“

Bei Betroffenen lasse diese Situation Unsicherheit und Existenzängste entstehen. „Uns fehlt besonders der Service-Gedanke. Wir wollen das Amt für Migration und Integration kund:innenfreundlicher gestalten“, sagt Petzoldt. Die Thematik sei auch eine wichtige Haltungsfrage, die am richtigen Ort diskutiert gehöre. Für die Politbande ist das eben nicht nur der Ausschuss für Personal und Organisation, sondern auch in die Integrationskommission. In der Diskussion am 3. Juni seien die Darstellung der Sozialverbände und die Sichtweisen der Betroffenen zu kurz gekommen.

„Die Erwartung aller Anrufenden kann nicht erfüllt werden“

Im Sachbericht begründet die Stadt die Situation in der Ausländerbehörde mit den aktuellen internationalen Krisen, komplexen und häufigen Änderungen im Zuwanderungsrecht, Personalmangel und hoher Fluktuation. Sie betont aber auch, dass bereits eine Reihe von Maßnahmen in die Wege geleitet wurde. „Exemplarisch können hier die temporäre Einführung einer erhöhten Rahmenzulage, der Einsatz von Leiharbeitnehmern, die eingeleitete Prüfung einer externen Vergabe von Teilleistungen, neue mehrsprachige Onlineanträge oder verschiedene Prozessoptimierungen genannt werden“, heißt es. Außerdem wurden 26 neue Stellen geschaffen, die nun bald besetzt werden sollen, und eine gesonderte Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich konzentriert um Neuanträge bestimmter Personengruppen kümmert. So werde der Rückstau von Anträgen angegangen.

In Bezug auf die Erreichbarkeit nutze man alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Netzwerke. „Die Erwartung aller Anrufenden, schnell und direkt erreichbar zu sein, kann nicht erfüllt werden“, heißt es aber. Dass Anrufende aus der Warteschlange geworfen werden, wenn diese zu voll wird, sei nicht veränderbar. Nach dem Umzug ins Stadthaus Q, der derzeit 2026 geplant ist, soll es im dortigen Foyer einen Servicepoint geben, am aktuellen Standort sei das nicht möglich.

Die meisten Parteien sind sich einig

Diana Liberova, integrationspolitische Sprecherin der SPD Nürnberg, sieht das anders. „Ja, es gibt noch Personalenge, aber man muss doch fachliche Auskunft geben wollen.“ Die SPD habe dafür bereits mehrere Vorschläge gebracht. Statt mit vier Personen am Servicepoint könne man jetzt schon mit einer oder zwei starten, auch um im Vorfeld feststellen zu können, worauf am neuen Standort zu achten ist. „Auch wenn das überlaufen sein wird, es ist erstmal besser als nichts“, sagt sie. Und es werde trotzdem die Telefonnummer und damit die Mitarbeitenden dort entlasten.

Auch die Politbande ist mit der Antwort der Stadtverwaltung nicht ganz zufrieden. „Das geht von der Lebensrealität der Betroffenen weg“, sagt Petzoldt. Die Politbande will deswegen Brücken bauen zwischen dem Stadtrat, den Betroffenen und der aktiven Szene. Die meisten Parteien seien sich einig, dass die Situation so nicht tragbar ist. Bislang gebe es noch keine Kooperationen, „wir wünschen uns in Zukunft eine Zusammenarbeit mit allen demokratischen Parteien “, sagt Seeger.

Wie es jetzt weitergeht

Wichtig sei, dass es ein „kontinuierlicher Verbesserungsprozess“ ist, betont Petzoldt. „Wir müssen da dran bleiben, um eine diskriminierungsarme Verwaltung zu schaffen. Dafür braucht es eine Bereitschaft von allen.“ Dabei müsse beides bearbeitet werden, sowohl die strukturelle als auch die Haltungsfrage.

„Wir müssen alles daran setzen, dass alle Behörden und besonders die Ausländerbehörde zugänglich sind“, sagt auch Liberova von der SPD. Dafür sei es wichtig, kleine Schritte zu gehen. Auch die SPD will sich mit anderen Parteien, besonders den Grünen und der Politbande abstimmen.

Sowohl SPD als auch Politbande planen, in naher Zukunft nochmal einen Antrag mit konkreteren Kritikpunkten und Verbesserungsvorschlägen zu stellen. Vielleicht auch zusammen. Und vielleicht mit Erfolg. Denn: „Manchmal passieren auch in der Politik Wunder“, wie Liberova sagt.