Doppelmord: Einsatzkräfte als Zeugen

15.01.2014, 06:00 Uhr
Doppelmord: Einsatzkräfte als Zeugen

© David Ebener/dpa

„Töten Sie mich“, sagt der Mann schwach. Die Aufforderung ist unmissverständlich. „Warum sollen wir Sie töten“, sagt der Polizist, dreht sich zu dem Mann um und sieht, dass dieser endlich wach ist. Er setzt sich ans Krankenbett, belehrt ihn: „Sie müssen keine Angaben machen, wir können morgen wieder kommen.“ Doch der Mann will reden — vielleicht auch, um das Gewissen zu erleichtern. Er weiß, was ihm droht, er hat zwei Menschen getötet.

An Tag zwei des Prozesses um den Doppelmord vor gut einem Jahr in einer Wohnung in der Badstraße in Neumarkt steht fest: Der 44-jährige Angeklagte hat seinen Schwiegervater und seinen Schwager mit einem Küchenmesser getötet. Gestern war der Polizist, der ihn einen Tag nach der Tat im Krankenhaus vernommen hat, als Zeuge da. Allein seine Vernehmung dauert fast zwei Stunden, an viele Details kann sich der Beamte jedoch nicht mehr erinnern.

Angriff mit Beil?

„Wir haben ihn nach Absprache mit den Ärzten vernommen. Er war soweit stabil.“ Zunächst schien es, als schlafe er, so der Zeuge.

Doch dann fällt der Satz „Töten Sie mich“ und der Angeklagte beginnt zu erzählen: Er sei zur Wohnung seines Schwiegervaters gegangen, er wollte noch einmal mit ihm reden. Reden über die Vergangenheit und über die Zukunft. Darüber, dass er seine Frau wieder zurückhaben, seine Spielsucht in den Griff bekommen wollte. Alles werde wieder gut, glaubt er.

Der Schwiegervater öffnet ihm, der damals 43-Jährige geht in die Wohnung. Sofort sei er vom Schwiegervater mit Pfefferspray attackiert worden, der Schwager kommt dazu, sagt er am 30. Januar 2013. Wildes Gerangel. Mit einem Beil seien die beiden auf ihn los, hätten ihn an Kopf und Rücken verletzt. Schließlich liegt er auf dem Boden, wird festgehalten. „Ich hatte keine andere Wahl, als die beiden abzustechen. Sonst wäre ich dran gewesen“, sagt er dem Polizisten. „Wenn ich kein Messer gehabt hätte, wäre ich tot.“

Das Messer habe in der Küche gelegen. Er packt es, sticht zu. Er kann sich hinterher nicht mehr erinnern, wie oft und wohin. Das muss der Gerichtsmediziner klären. Er nimmt das Handy, ruft die Polizei und wankt nach draußen. Im Treppenhaus bricht er zusammen. Dort finden ihn Polizei und Feuerwehr.

Beißender Geruch

Zwei Feuerwehrler der FFW Neumarkt schildern ihre Eindrücke. Sie bekommen über die Leitzentrale einen Notruf. Sie rücken wegen Gasalarm aus. Dann werden sie informiert, dass im Treppenhaus eine verletzte Person liegt. In dem Haus gibt es keinen Gasanschluss. „Ich dachte, vielleicht hätte der Verletzte in seiner Wohnung experimentiert“, sagt ein Feuerwehrler. Er und seine Kollegen gehen mit Atemmasken ins Haus, bergen den Verletzten und führen Messungen durch. „Es gab einen beißenden Geruch in der Wohnung und im Treppenhaus“, sagt der Zeuge.

Der Verletzte wird von Rettungssanitätern versorgt. Er habe sich immer wieder übergeben, sein Zustand sei aber nicht lebensbedrohlich gewesen, sagt die Rettungsassistentin. Im Gesicht hatte er stark blutende Schnittwunden, am Rücken ein Hämatom. Woher das komme, könne sie nicht sagen, so die 31-Jährige.

Während der Verletzte im Krankenwagen versorgt wird, betritt ein zweites Notfallteam die Wohnung und entdeckt die beiden Leichen. „Wir machten ein EKG“, sagt ein Notarzt. „Da war nur noch die Nulllinie.“ Alle Zeugen bestätigen vor Gericht, dass in der Küche viel Blut war und ein Messer auf der Ablage lag. Auch haben mehrere Zeugen eine Dose, wohl das Pfefferspray, im Flur liegen sehen.

Dass der Angeklagte aggressiv sei, das kann der Stationsarzt im Bezirkskrankenhaus in Regensburg nicht belegen. Der Angeklagte wurde nach seinem Suizidversuch ins Krankenhaus gebracht. Das war einen Tag vor der Tat, am 28. Januar. Am Morgen des 29. Januar nimmt sich der Stationsarzt gut 40 Minuten Zeit, um mit dem Mann zu reden. „Er war gedrückt, niedergeschlagen“, sagt der Arzt. „Er war recht aufgewühlt.“

Dem Arzt schüttet der Angeklagte unter Tränen sein Herz aus, berichtet von der gescheiterten Ehe. Ihm sei gegen Mittag gestattet worden, nach Neumarkt zu fahren, um aus seiner Wohnung Wäsche zu holen. Dass der Angeklagte das darf, scheint kein Problem zu sein.

Er habe sie nicht getötet, er habe um sein Leben gekämpft, sagt der Angeklagte später der Polizei. Ob er um sein Leben fürchten musste, ist eine Frage, die der Klärung bedarf. Ein Beamter der Spurensicherung sagt, die Verletzungen, allen voran am Rücken, könne er sich auch selbst zugefügt haben. Ein Team der Polizei habe die Szenerie nachgestellt.

Demnach kann es sich nicht so zugetragen haben, wie der Angeklagte sagt. Unstrittig ist, dass Pfefferspray im Spiel war, das wurde an den Wänden im Hausflur und an der Weste eines Getöteten nachgewiesen. Die Herkunft des Messers ist offen. Die Spurensicherung findet in der Wohnung des Angeklagten ein unvollständiges Messerset - ein Messer fehlt.

Brief mit Morddrohung

Bei der Verhandlung waren alle Nebenkläger da, darunter die Witwe und Mutter der Getöteten. Sie war ganz in Schwarz gekleidet, schien oft abwesend. Vernommen wurde noch einmal eine Tochter. Sie könne seit der Tat nicht mehr schlafen. Sie sei psychisch stark belastet, habe ein Kind im fünften Monate verloren.

Der Angeklagte wirkt gefasst, hört aufmerksam zu. Bei der Polizei sagt er damals aus, er sei auf seinen Schwiegervater gut zu sprechen gewesen. Seine Ehefrau habe er mehr geliebt als seine Augen. Trotzdem schlägt er sie wohl immer wieder.

Die schwierige Situation innerhalb der Familie war polizeibekannt. Die Frau zeigt ihren Ex-Mann sogar an. Die Streitereien in der Familie gehen so weit, dass der Angeklagte einen Brief an den Schwiegervater schreibt.

Darin droht er mit Mord. Sollte dem Sohn etwas passieren, werde er ein paar Leute suchen und die Familie töten. Der Brief, der von den Kriminalbeamten sichergestellt wurde, trägt das Datum des 29. Januar 2013.

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