Der große amerikanische Roman
100 Jahre „Der große Gatsby“: Ein großes Jubiläum für einen großen Roman
10.06.2025, 08:00 Uhr
2013 kam eine neue Verfilmung von „Der große Gatsby“ auf die Leinwände. Leonardo DiCaprio und Tobey Maguire haben neben den Kolleginnen und Kollegen dafür gesorgt, dass der große amerikanische Roman von F. Scott Fitzgerald wieder in aller Munde war. Ein wahrer Trend der „Roaring Twenties Partys“ war nur eine der Folgen. Die Erstveröffentlichung des Romans war am 10. April 1925; jetzt, 100 Jahre später, gibt es ansprechende Jubiläumsausgaben mit Zusatzinformationen.
F. Scott Fitzgerald hatte der Roman nur wenig Glück gebracht. Eigentlich sollte „Der große Gatsby“ ein künstlerischer wie auch finanzieller Befreiungsschlag werden. Fitzgerald war zu dem Zeitpunkt von Schulden geplagt und hielt sich mit Kurzgeschichten über Wasser, die allerdings nicht viel einbrachten. Sein ausschweifender Lebensstil war dabei keine Hilfe. Allerdings kam der Erfolg von „Der große Gatsby“ erst nach dem Tod seines Autors.
Wer ist „Der große Gatsby“?
Wir erleben die Handlung durch die Augen von Nick Carraway. Er will im Börsengeschäft sein Geld machen, wird in der Handlung der Geschichte von seinem Vater finanziert, ist aber nicht gerade wohlhabend. Mehr durch Zufall ergattert er eine günstige Bleibe außerhalb New Yorks, auf der Halbinsel West Egg. Nicht weit entfernt, auf East Egg, lebt seine Cousine zweiten Grades, Daisy, mit ihrem Mann Tom Buchanan, ein ehemaliger Studienkollege Nicks und schwerreich.
Direkt neben Nicks kleinem Haus lebt Jay Gatsby. Auch er ist schwerreich und bekannt für seine ausschweifenden Partys. Mehr ist über ihn allerdings nicht bekannt, was für seine Gäste, geladen und ungeladene, ein ständiger Grund für Spekulationen über seine Person darstellt.
Schließlich findet Nick heraus, dass sein Nachbar ein ausgesprochener Romantiker ist. Bevor er im Ersten Weltkrieg in Europa gedient hatte, hatte er eine Beziehung mit Daisy. Nach wie vor ist er in sie verliebt, sie ist der Grund, warum sich Gatsby in West Egg niedergelassen hat und warum er seine Partys schmeißt.
Er feiert die großen Partys in der Hoffnung, Daisy würde irgendwann zufällig vorbeikommen, sodass er sie wiedersehen kann. Über Jordan, Profigolferin und gute Freundin von Daisy kommt er in Kontakt und bittet Nick, ein gemeinsames Treffen zu arrangieren.
Vor dem Treffen ist Gatsby unfassbar nervös, sein Haus und Garten sollen perfekt aussehen, er will Daisy beeindrucken. Das Treffen glückt, es kommt zu weiteren Begegnungen zwischen Gatsby und Daisy. Der Materialismus ist dabei allgegenwärtig, nicht zuletzt ist es die unglaubliche Hemdensammlung Gatsbys, die Daisy so sehr beeindruckt.
Doch am Ende führt die Sehnsucht in den Untergang. Gatsby hat sich in seinem ganzen Leben nur ein Ziel gesetzt, sich nur einer Sehnsucht gewidmet, alles andere war nur Mittel zum Zweck. Als dieser Traum zerplatzt, ist der Untergang unausweichlich. Auch wenn er augenscheinlich von äußeren Umständen herbeigeführt wird, wirkt er doch fast wie eine Erlösung. Wie sonst hätte die Geschichte von Jay Gatsby weitergehen sollen?
Was macht „Der große Gatsby“ so faszinierend?
„Der große Gatsby“ ist eine Geschichte der Doppelmoral und des Materialismus. Zahlreiche Affären und die dazu gepaarte Empörung über die Affären anderer sind deutliche Hinweise auf die Heuchelei der allgemeinen Moralvorstellungen. Die ausschweifenden Partys von Gatsby, aber auch von Tom in New York zeugen vom Materialismus und der Konsumfreude. Dazu wird die Imbalance der Welt durch verschiedene Gegensatzpaare immer wieder verdeutlicht: Stall gegen Werkstatt, Provinz gegen Stadt, Neureich gegen Geldadel.
Diese Gegensätze zeigen sich auch in der faszinierenden Geografie des Romans: Zwischen dem urbanen und aufregenden New York und den vornehmen Anwesen der Reichen auf East und West Egg liegt das Tal der Asche, in dem Pferdemist und Asche sich zu Halden stapeln. All die unansehnlichen Überreste, die der Prunk und Protz aus Stadt und Land abwirft, kommen zusammen. Nicht nur Asche und Pferdemist, auch Menschen. Die Abgehängten und Zurückgelassenen, die es nicht geschafft haben, in der Welt der Reichen und Schönen einen Platz zu finden. Abgesondert, aber immer präsent, denn wer zwischen Long Island und New York pendelt, muss hier durch.
Sie leben völlig unterschiedliche Leben, sind aber doch von der gleichen Sinnlosigkeit geplagt. Michaelides, der ein Café am Rande des Aschehaufens führt, sitzt, wenn er mal nicht arbeitet, neben der Tür und schaut auf die Straße. Er lebt im Tal der Asche, seine inneren Gedanken sind für die Welt also uninteressant und werden an dieser Stelle nicht ausformuliert. Doch ist es nicht unwahrscheinlich, dass er sich ganz genauso wie Daisy in ihrem schicken Anwesen fragt, was er mit seiner Zeit eigentlich anstellen soll. Nur hat er weniger davon, weil er seinen Lebensunterhalt selbst verdienen muss.
„Der große Gatsby“ ein Buch der Kontraste und Extreme
Wie soll ein Mensch unter all dem dargestellten Reichtum eigentlich Mensch bleiben? Mit großem Witz und Satire erzählt Fitzgerald von Figuren, die zu Stereotypen werden, und doch in ihrer Mittelmäßigkeit hängen bleiben.
Unsere Hauptfiguren stehen dazu im Kontrast zu den Nebencharakteren. Gatsby ist ein Mann der Extreme. Von den unfassbaren Partys schweift er direkt um zur Zurückgezogenheit, als ihm klar wird, dass sie Daisy nicht gefallen. Sein Leben folgt nur einem Ziel, ohne dieses ist er verloren. Daisy selbst steht nicht besser da. Von anfänglicher Romantik erfasst, brachte sie es nicht fertig, auf Gatsby zu warten und gab sich stattdessen der sicheren Variante, dem superreichen Tom, hin, der in erster Linie einfach da war, als Gatsby fehlte. Doch auch später bleibt sie bei Tom, der generationelle Geldadel hat über den Neureichen gesiegt, dessen Geschäfte ein Rätsel für alle waren. Tom selbst schwankt auch hin und her, er ist selbst ausschweifend, die Monogamie ist nicht sein Steckenpferd. Neben seiner Frau Daisy hat er auch eine Freundin, die ebenfalls verheiratet ist. Gemeinsam haben sie eine geheime Wohnung in New York, doch allgemein kann man ihm nicht gerade Diskretion vorwerfen. Als er dann aber von der Affäre seiner Frau erfährt, ist die Empörung natürlich groß. Letztendlich schafft er es sogar, sie zurückzugewinnen.
Kommentierte Jubiläumsausgabe:
„Der große Gatsby“
von F. Scott Fitzgerald
- übersetzt von Bernhard Robben,
- herausgegeben und kommentiert von Horst Lauinger
- 352 Seiten
- Manesse Verlag
- ISBN: 978-3-7175-2574-5
- 30 Euro
„Der große Gatsby“ hat seinem Autor zu Lebzeiten kein Glück gebracht. Seine Fans waren zwar schnell davon überzeugt, hier ein Meisterwerk von einem Roman vor sich zu haben, was auch das Ziel Fitzgeralds gewesen sein dürfte. Doch auch Fitzgeralds Leben blieb eine Welt der Gegensätze. Denn obwohl sein ausschweifender Lebensstil an die wilden Partys in Der “große Gatsby“ angelehnt sein dürfte (oder umgekehrt) stand seine wirtschaftliche Situation doch im krassen Gegensatz dazu.
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