Eklat: Hat YouTube-Star Tod eines Angehörigen für Promo genutzt?

21.3.2021, 20:39 Uhr

Was war passiert? Der Reihe nach: Tim Lehmann will Fans seinen ersten professionell aufgenommenen Song im Netz vorstellen. Das Thema dabei könnte emotionaler nicht sein: Das Lied soll den Tod seines kürzlich verstorbenen Opas verarbeiten. Was im Vorfeld der Veröffentlichung jedoch passiert, schockiert mittlerweile im Netz gefühlt ganz Deutschland.

Die Chronologie der Ereignisse: Gemeinsam mit seinem Freund Jan Zimmermann betreibt Lehmann den YouTube-Channel "Gewitter im Kopf". Das Konzept: Der Kanal soll den Alltag im Leben von Jan Zimmermann begleiten, der am Tourette-Syndrom leidet. Mittlerweile kommt der Kanal auf über 2,2 Millionen Follower. Auch dieser Kanal spielt in folgendem Fall eine wichtige Rolle: Auf der Instagram-Seite von "Gewitter im Kopf" wurden vor wenigen Tagen sämtliche Bilder gelöscht. Mehr und mehr wurde dieser "Move" vor allem bei Musikern in Deutschland ein bewusst gewähltes Promomittel: Verschwinden sämtliche Bilder auf einem Account, hatte dies meist zufolge, dass ein Künstler bald ein neues Projekt ankündigte.

So war es auch in diesem Fall: Alle Bilder im Feed waren verschwunden, dann wurde ein neues hochgeladen: Auf schwarzem Hintergrund waren die weißen Worte "Du fehlst mir" zu sehen. Da dieser Post auf dem offiziellen Kanal von "Gewitter im Kopf" erschien, schlussfolgerten zahlreiche User, dass es hier um Jan Zimmermann gehen müsse, der verstorben sei. Gleichzeitig benannte Tim Lehmann einen Youtube-Kanal, den er nicht nutzte, in "Du fehlst" um. Dort erschien dann kurze Zeit später auch ein Video mit dem Titel "'Du fehlst' uns. In tiefer Trauer." Hier erzählt Tim Lehmann dann erstmals, dass es hier nicht um Jan geht, sondern um den Großvater von Tim, der kürzlich verstorben sei.

Mit diesem Wissen kommt es nun kurz davor zum ersten Eklat: Unter dem Instagrampost mit zahlreichen Fragen der User, ob denn hier Jan gestorben sei, beantworten die beiden mit keinem einzigen Wort, dass es sich hier um den Tod eines anderen Menschen handelt. Im Gegenteil: Fast jeder Beitrag wird mit zwei Herzen beantwortet. Heißt: Obwohl man die Kommentare bewusst gelesen und beantwortet hatte, wollte man die User offensichtlich hier immer noch nicht aufklären, dass hier keiner der beiden YouTuber verstorben ist.

Immerhin: In dem YouTube-Video "du fehlst" spricht Lehmann dann erstmals aus, dass sein Großvater vor wenigen Tagen verstorben sei. Der nächste Schritt kann dann am Ende jedoch wohl nur noch mit bewusster Promo begründet werden: So wird ein Trailer des Videos auf dem Hauptkanal "Gewitter im Kopf" hochgeladen, dieser kommt jedoch mit einem gravierenden Unterschied daher: So ist das Video absichtlich so geschnitten, dass hier nun bewusst nicht zu hören ist, dass der Opa von Tim gestorben ist. Erneut müssen Fans, die das erste Video nicht komplett gesehen haben, davon ausgehen, dass hier der zweite Protagonist des Kanals "Gewitter im Kopf" verstorben ist.

Dabei fällt auf: Der bewusst geschnittene Trailer wird nach zwei Tagen wieder gelöscht, jetzt postet Tim Lehmann auf Instagram einen Trailer und ruft seine Fans dazu auf, diesen so oft es geht zu teilen. Nach und nach merken User erst jetzt – nach Tagen - dass es hier nicht um den Tod von "Gewitter im Kopf"-Mitbegründer Jan Zimmermann, sondern um das Ableben des Großvaters von Tim Lehmann geht. Diese Verwirrung hätten die beiden jedoch direkt nach Posten des ersten "Du fehlst"-Fotos auf Instagram in den Kommentaren aufklären können.

Weiterer Eklat um Musikvideo

Nun kommt es jedoch direkt zum nächsten Aufreger: Mittlerweile ist auch klar, dass der Zeitpunkt, an dem das Musikvideo auf YouTube erscheinen soll, zumindest als fragwürdig bezeichnet werden darf. So gibt Lehmann bekannt, dass es an einem Donnerstag um 23.59 Uhr online gehen wird. Dieser Zeitpunkt ist als Musiker mehr als wichtig: So beginnt auf dem Papier immer freitags um 0 Uhr eine neue Chartwoche. Exakt sieben Tage später wird dann ausgewertet, wie erfolgreich Singles oder Alben in Deutschland starten. Sämtliche Musiksongs in der Bundesrepublik werden eben genau deshalb fast ausschließlich donnerstags um 23.59 Uhr veröffentlicht. Rein rechtlich hat sich Lehmann hier absolut nichts zu Schulden kommen lassen. Was jedoch zumindest für kritische Nachfragen sorgt: So erklärt er in einem Video, wie nah er seinem Großvater stand und wie sehr er nun in seinem Leben fehle. Der Song solle Lehmann dabei helfen, den Tod zu verarbeiten. Dass dieser dann genau so erscheint, dass er möglichst viel kommerziellen Erfolg in der Musikbranche einspielt – hinterlässt zumindest einen Beigeschmack – vor allem, wenn man die eben beschriebenen Schritte, die zuvor zusätzlich eingeleitet wurden – mit einrechnet.

Die Diskussion für die breite Masse aufgemacht hat der YouTuber: "KuchenTV". Dieser erhebt in seinem rund 15 Minuten langen Video schwere Vorwürfe gegen das "Gewitter im Kopf"-Duo. In dem Beitrag, der mittlerweile über eine halbe Million Klicks erreicht hat, spricht der Influencer davon, dass es seiner Meinung nach "so richtig eklig" sei, dass die beiden Männer bewusst die Angst ihrer Fans geschürt haben, dass ein Teil von "Gewitter im Kopf" verstorben sei, statt direkt über den genauen Sachverhalt aufzuklären. Mittlerweile haben die Macher von "Gewitter im Kopf" sich geäußert und erklärt, dass dies keine Promo hat sein sollen, "KuchenTV" dazu: "Sorry, Jungs, das glaube ich euch aber von vorne bis hinten nicht."

Zudem sei sein Kommentar unter einem Post von "Gewitter im Kopf", in dem er erstmals seine Bedenken an dem Vorgehen äußerte, gelöscht worden. Weitere User hätten sich bei ihm gemeldet und erklärt, dass sie von "Gewitter im Kopf" auf Instagram sogar blockiert wurden, nachdem sie ebenfalls kritische Kommentare zu dem Vorgang hinterlassen hätten.

Immer mehr YouTube-Stars äußern sich kritisch

Auch Deutschlands erfolgreichster Streamer "MontanaBlack", der bereits mit "Gewitter im Kopf" gemeinsam vor der Kamera stand und erklärt, ein "gutes Verhältnis" zu den Jungs zu haben, hat ebenfalls in einem Video klargemacht, dass er die Art und Weise, wie die Zuschauer bewusst in Unklarheit gelassen wurden, mehr als grenzwertig sehe. Zudem habe auch für ihn die Tatsache, dass ein Song, der eigentlich vor allem dafür da sein solle, den Tod eines Menschen zu verarbeiten, der jedoch dann bewusst so publiziert wird, um größtmöglichen kommerziellen Erfolg zu erzielen, zumindest einen faden Beigeschmack. Allein dieses Video kommt mittlerweile auf über eine Million Klicks.

Mit "Justin" hat sich ein weiterer "Big Player" auf YouTube nun ebenfalls zu Wort gemeldet. Auch er erklärt in einem Video, dass er entsetzt sei und es ihm genauso gegangen sei, wie zahlreichen Fans von "Gewitter im Kopf": Er habe das Video mit einem Freund gemeinsam angesehen und ebenfalls direkt Bedenken gehabt, dass man das Thema so auf jeden Fall falsch verstehen könne. Auch dieses Video hat bislang 200.000 Klicks gesammelt.

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