Undercover-Aktion

Flasche voller Urin wird bei Amazon zum Bestseller - das steckt dahinter

Anton Dietzfelbinger

E-Mail zur Autorenseite

25.10.2023, 10:58 Uhr
Was steckt hinter dem Verkauf von Urin bei Amazon?

© IMAGO/Steinach Was steckt hinter dem Verkauf von Urin bei Amazon?

Ein prägnanter Name, eine professionelle Aufmachung und ein Logo, das nicht beispielhafter für einen Energydrink sein könnte. "Release Energy" hat alles, was es braucht, um erfolgreich zu werden. Im Minutentakt wird bestellt, zwölf Stunden nach Verkaufsstart ist das Getränk in den Amazon-Charts unter der Kategorie "Bitter Lemon".

Jetzt stellt sich heraus, dass es sich dabei um eine perfekt geplante Aktion eines Journalisten handelt. Statt eines Energydrinks befindet sich in den Flaschen menschlicher Urin. Von Amazon-Paket-Fahrern und Fahrerinnen. Die meisten Zusteller haben zu viel an einem Tag zu tun, sodass sie nicht einmal eine Pause machen können, um auf die Toilette zu gehen. Die Fahrer sind also gezwungen, in eine Flasche zu urinieren.

Amazon weiß um diese katastrophalen Umstände, doch anstatt die Lieferanten zu entlasten, wurde ihnen damit gedroht, sie zu entlassen, sollten mehrmals Urinflaschen in den Autos entdeckt werden, berichtet die "Süddeutsche Zeitung". Daher schmeißen sie die Urinflaschen oft aus dem Fenster.

Dem britischen Reporter Oobah Butler fiel das auf. Er ist bekannt für seine Täuschungsaktionen und versuchte bereits vergeblich sich selbst inkognito unter die Amazon-Fahrer zu schmuggeln. Butler sammelte also Dutzende der Urinflaschen und plante einen Clou, der möglichst viel Aufmerksamkeit gewinnen soll.

Mit Unterstützung von Freunden gründet er die fiktive Marke "Release" und listet den Urin, abgefüllt in professionellen Flaschen, bei Amazon. Die Zutaten gibt er, wie es sich gehört, ganz ordnungsgemäß preis: Wasser, Kreatinin, Harnstoff, Harnsäure und so weiter. Also offensichtlich Urin. Den Algorithmus von Amazon stört das nicht und es wird als Getränk eingestuft. Freunde und Freundinnen des Journalisten geben unmittelbar unzählige Bestellungen auf. Selbstverständlich ohne auch nur eine einzige Urinflasche erhalten oder getrunken zu haben.

Am selben Tag führt der Urindrink die Kategorie "Bitter Lemon" bei Amazon an, Personen, die nicht mehr zu Butler Freundeskreis gehören, bestellen den vermeintlichen Energydrink. Damit beendet er das Projekt, weil er erreicht hat, was er wollte. Erneut wurde Aufmerksamkeit für die schlechten Verhältnisse für Amazon-Lieferanten geschaffen und gezeigt, dass der Konzern seinen selbst auferlegten Ansprüchen nicht gerecht wird.

Veröffentlicht wurde die Aktion in der Dokumentation "The Great Amazon Heist". Es werden dort auch noch weitere Probleme aufgeführt, wie beispielsweise, dass Butlers vier- und sechsjährigen Nichten Messer oder Rattengift ohne weiteres über Amazon bestellen können.