Produkte mit Ethylenoxid belastet

Immer mehr Lebensmittelrückrufe wegen krebserregendem Inhaltsstoff

2.9.2021, 21:28 Uhr
Das krebserregende Pestizid Ethylenoxid wurde in diversen Lebensmitteln nachgewiesen.

© David-Wolfgang Ebener, NNZ Das krebserregende Pestizid Ethylenoxid wurde in diversen Lebensmitteln nachgewiesen.

In den letzten Wochen scheinen sich die Rückrufe von Lebensmitteln zu häufen. Der Grund dafür ist in den meisten Fällen das krebserregende Pestizid Ethylenoxid, das in diversen Speisen nachgewiesen wurde. Die neusten Fälle sind Produkte des baden-württembergischen Lebensmittelunternehmens "Seitenbacher": Sowohl die "Fitness-Riegel ohne Schoko 50g" als auch die "Fitness-Riegel mit Schoko 50g" können eine geringe Belastung des gesundheitsschädlichen Wirkstoffs Ethylenoxid enthalten, teilte der Hersteller am 24. August mit.

Betroffen von der Verunreinigung sind auch Produkte von Vemondo, nämlich der "Vegane Mozzarelli, 100g" und die "Veganen Sticks Cheese-Style, 250g" bei Lidl (Rückruf am 21. August), mehrere Curry-Gerichte der Marke Tasty Bite (Rückruf am 16. August) von Edeka und Rewe und auch diverse Instant-Nudeln (Rückruf am 19. August).

Davor hatte auch der US-amerikanische Nahrungsmittelkonzern "Mars" in Deutschland verschiedene Eiscreme-Produkte zurückgerufen. Betroffen waren davon gleich mehrere bekannte Marken wie Snickers, Bounty, Twix und M&M's (11. August). Zudem wird das Ingwer-Pulver "SCHANI Ginger Powder - Ingwer, gemahlen" der Biebesheimer Firma "Global Foods Trading GmbH", wegen der Überschreitung des Rückstandshöchstgehalts von Ethylenoxid zurückgerufen. Das Produkt hat das Haltbarkeitsdatum 08/23 (Lot-Nr. L2776/AK/W33). Nach Angaben von lebensmittelwarnung.de geht es jeweils um die Verpackungseinheit von 100 Gramm.

Andere Länder reagierten

Nun berichten mehrere Medien von einem möglichen bevorstehenden "Massenrückruf" wegen Ethylenoxid-Belastungen: Offenbar wurden allein 2020 Hunderttausende Tonnen Johannisbrotkernmehl aus der Türkei importiert, das dann für verschiedene Produkte weiterverwendet wurde, die sich nun auch hier in Deutschland im Verkauf befinden. Das Mehl soll deutliche Spuren des Schadstoffs enthalten.

"Einen Richtwert ohne Gesundheitsrisiko gibt es somit nicht und Rückstände des Stoffes in Lebensmitteln sind grundsätzlich unerwünscht", teilte das Bundesinstitut für Risikobewertung mit. In der Europäischen Union ist Ethylenoxid seit 1986 verboten.

Bereits Mitte Juli haben sich die Mitgliedsstaaten darauf verständigt, dass alle Lebensmittel öffentlich zurückgerufen werden müssen, die mit Ethylenoxid belastendes E410 enthalten – auch dann, wenn im Endprodukt die zugelassene Höchstgrenze nicht überschritten wird. Denn auch kleinste Mengen des krebserregenden Stoffes könnten für Verbraucher ein Gesundheitsrisiko darstellen.

Unterschiedliche Handhabe

Trotz der EU-Empfehlung gab es in Deutschland noch keinen öffentlichen Massenrückruf. "Während in Frankreich bereits hunderte Produkte wegen belastetem E410 vom Markt genommen wurden, sind in Deutschland bisher nur wenige Warnungen ergangen", bemängelt die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch.

Frankreich reagierte demnach direkt nach der Bekanntmachung der Verunreinigung der Eissorten von "Mars" und rief hunderte Produkte mit dem schädlichen Verdickungsstoff zurück.

Derzeit sammelt das Portal Unterschriften für eine Petition, mit der sie sich an die Verbraucherschutzminister der Bundesländer wenden wollen. Sie fordern dabei, dass die Lebensmittelbehörden fortan konsequent durchsetzen, dass alle mit dem krebserregenden Stoff belastete Produkte öffentlich zurückgerufen werden.

EU-Gremium erlässt neue Verordnung

Nicht wegen des betroffenen Johannisbrotkernmehls, aber zumindest wegen anderer Kontaminationen wurde inzwischen ein EU-Gremium tätig: Mit Blei und Cadmium belastete Lebensmittel gelten als große Gesundheitsgefahr, nicht nur für Säuglinge und Kleinkinder. Die EU verschärfte jetzt die zulässigen Grenzwerte. Grund sind neue Daten:

Offenbar gibt es keine Schwelle bei Bleiwerten, unterhalb derer gesundheitliche Schädigungen für den Menschen sicher ausgeschlossen werden können. Zudem äußerte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit zuletzt Besorgnis darüber, dass die derzeitige ernährungsbedingte Exposition gegenüber Blei die neurologische Entwicklung von Föten, Kleinkindern und Kindern beeinträchtigen könnte.

Für zum Beispiel Säuglingsnahrung, Gewürze, Weine und Salz gelten von Montag an strengere oder zusätzliche Höchstgehalte für Blei. Ab Dienstag gibt es zudem neue Cadmium-Grenzwerte für etliche Obst-, Gemüse- und Getreidesorten sowie Ölsaaten.

Immer mehr Erkrankungen an Krebs

"Im Rahmen des europäischen Krebsbekämpfungsplans haben wir uns verpflichtet, den Gehalt karzinogener Inhaltsstoffe weiter zu verringern", sagte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides zum Inkrafttreten der neuen Regeln der Deutschen Presse-Agentur.

Der europäische Plan zur Krebsbekämpfung wurde bereits im Februar vorgestellt und sieht neben neuen Grenzwerten noch etliche andere Maßnahmen vor. Zu ihnen gehören zum Beispiel ein EU-Krebsvorsorgeprogramm und ein EU-weites Netz von Krebszentren. "2020 wurde bei 2,7 Millionen Menschen in der EU Krebs diagnostiziert. Weitere 1,3 Millionen Menschen starben an der Krankheit, darunter über 2000 junge Menschen", erklärt die EU-Kommission.

Ob die deutschen Behörden dem offenbar belasteten Johannisbrotkernmehl nachgehen werden und ob tatsächlich Massenrückrufe folgen, bleibt noch abzuwarten.

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