Promis als "Vorbilder"

Influencer lösen Medikamenten-Engpass aus: Menschen missbrauchen Diabetes-Spritzen zum Abnehmen

Johannes Lenz

Nordbayern-Redaktion

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10.8.2023, 16:38 Uhr
Eigentlich für Diabetiker zur Senkung des Blutzuckerspiegels entwickelt, wird das Präparat Ozempic von vielen als schnelle Abnehm-Hilfe missbraucht.

© IMAGO/Ulrich Roth, www.ulrich-roth.com Eigentlich für Diabetiker zur Senkung des Blutzuckerspiegels entwickelt, wird das Präparat Ozempic von vielen als schnelle Abnehm-Hilfe missbraucht.

Ein TikTok-Trend aus den USA sorgt gerade für Lieferengpässe in fränkischen Apotheken: Influencer berichten von einem angeblichen neuen Wundermittel gegen überschüssige Pfunde. Konkret handelt es sich dabei um das Medikament Ozempic, eigentlich für Diabetiker entwickelt. Seitdem ist die Nachfrage nach dem Diabetes-Mittel rasant gestiegen.

Inspiriert wurden die Influencer unter anderem vom umstrittenen Tech-Genie Elon Musk, der Ozempic als ein Geheimnis seines schnellen Gewichtsverlustes preisgab. Auch andere Promis, unter anderem die Kardashians, sollen zu den Diabetes-Spritzen gegriffen haben. Der Nachahmer-Effekt unter der Bevölkerung ließ nicht lange auf sich warten, leere Lager bei den Apotheken und ausbleibende Dosen für Diabetiker sind die Folge.

Auswirkungen auch in Franken spürbar

Die Praxis für Diabetologie am Nürnberger Nordklinikum hat den Hype um das Präparat bereits zu spüren bekommen. Dort haben Menschen versucht, an ein Rezept für Ozempic zu bekommen, die gar nicht an Diabetes erkrankt waren. Diese Erfahrung bestätigt auch die Medicon Apotheke am Nürnberger Plärrer. Folgen hat das für die Kunden, die tatsächlich an Diabetes leiden: Sie gehen mit leeren Händen nach Hause.

Etwas entspannt hat sich die Lage in der Kleeblatt Apotheke in der Fürther Innenstadt. Dort ist Ozempic seit einigen Tagen wieder verfügbar. Doch auch hier blieb man nicht von den Engpässen verschont, zwischenzeitlich mussten sich Diabetiker auf eine Warteliste für das Medikament setzten lassen. Mitarbeiterin Irina Engel nimmt Ärzte mit in die Verantwortung für die Situation: Sie sollten die leichtfertige Verordnung von Ozempic überdenken, da sie wüssten, wie angespannt die Marktsituation derzeit ist.

Ärzte mitschuldig an Engpässen?

Da es sich bei Ozempic um ein verschreibungspflichtiges Medikament handelt, steht aufgrund der hohen Nachfrage der Verdacht im Raum, dass Ärzte Rezepte auch an Nicht-Diabetiker ausstellen. Der Bayerischen Landesärztekammer sind auf Nachfrage aber keine Fälle dazu bekannt. Die Kammer beschäftigt sich seit Längerem mit Medikamentenengpässen in Deutschland und fordert deshalb eine Rückverlagerung der Arzneimittelproduktion nach Europa.

Starke Nebenwirkungen, lebenslange Behandlung

Adipositas hat sich mittlerweile zur Volkskrankheit entwickelt. Fast jeder fünfte Erwachsene hierzulande ist adipös, also stark übergewichtig. Insgesamt ist mehr als die Hälfte der deutschen Erwachsenen übergewichtig. Die hohe Nachfrage nach Hilfsmitteln zum Abnehmen ist vor diesem Hintergrund nicht verwunderlich.

Dass viele Menschen deshalb jetzt zu Ozempic greifen, ist dennoch fragwürdig. Zwar sorgt der Wirkstoff Semaglutid für eine langsamere Entleerung des Magens und verringert den Appetit. Doch das Diabetes-Präparat ruft nicht selten unangenehme Nebenwirkungen hervor, darunter Durchfall, Erbrechen und Übelkeit. Zudem gilt: Wer einmal zur Spritze greift, muss das ein Leben lang tun. Einfach absetzen lässt sich Ozempic nicht, zumindest nicht ohne Folgen - die verlorenen Kilos kehren dann nämlich wieder zurück.