"Influencer Marketing": So beeinflussen uns Internet-Stars

20.12.2017, 05:49 Uhr

© Hendrik Schmidt/dpa

Konzentriert verschiebt die Frankfurterin Maria Stojcevic mit dem Zeigefinger die Regler auf ihrem Smartphone-Bildschirm. Sie erhöht den Kontrast, verändert leicht die Helligkeit und passt die Farben an. Das Foto, das die 20-Jährige gerade bearbeitet, zeigt sie selbst im knappen Fitness-Outfit und mit durchtrainiertem Körper. In der rechten Hand hält sie eine weiße Dose mit grünem Logo, die sie gerade zum Trinken ansetzt. Nach etwa zehn Minuten ist das Foto fertig bearbeitet.

Maria macht das, was zahlreiche Social-Media-Nutzer mit großer Reichweite tun: Sie betreibt "Influencer Marketing". Eine Form der Werbung, die mit dem Social-Media-Hype der vergangenen Jahre gewachsen ist. Im Bereich Lifestyle, Mode und Fitness gehört die Methode mittlerweile zum PR-Alltag.

Influencer sind vor allem junge Leute wie Maria Stojcevic. Sie lassen ihre Abonnenten in Form von Bildern und kurzen Videos an ihrem Alltag teilhaben. Die Netzwerker zeigen, wie sie durch Fitness und gesunde Ernährung einen flachen Bauch bekommen haben, welche Deko-Elemente in eine hippe Wohnung gehören oder wie sie ihre Haare für die nächste Party stylen. Eine persönliche Note bekommen die Postings durch direkte Interaktion mit den Fans. Ratschläge, Tipps und aufmunternde Worte reihen sich in den Kommentaren aneinander. Vor allem bei der jungen Zielgruppe schafft der digitale Austausch, den Idole mit ihren Fans zelebrieren, Vertrauen und vermeintliche Nähe.

Es geht um Reichweite und Vertrauen

Firmen und PR-Agenturen wissen dieses enge Verhältnis für sich zu nutzen. Sie bezahlen Influencer für Produktplatzierungen. "In keinem anderen Medium sind Unternehmen so nah dran am Konsumenten wie in sozialen Netzwerken", erklärt Felix Beilharz, Online-Marketing-Experte aus Köln. Neben der Foto-App Instagram sind auch YouTube, Snapchat und Facebook beliebte Ausspielkanäle für versteckte Produktplatzierung. "In einer Welt, die immer mehr von Werbung überflutet wird, genießen Influencer noch die wichtigsten Eigenschaften: Reichweite und Vertrauen", sagt Beilharz.

Diese Faktoren haben auch zum Erfolg von Pamela Reif oder Caro Daur beigetragen, zwei absolute Königinnen der Branche. Beide sind mittlerweile international bekannt und können sich über mehrere Millionen Abonnenten freuen. Durch Produktplatzierungen verdienen sie sehr viel Geld. "Wenn es an die Million Follower rangeht, zahlen wir etwa 4000 Euro pro Posting", verrät eine Mitarbeiterin einer Münchener PR-Agentur, die ihren Namen nicht nennen möchte.

In Deutschland gibt es laut "Influencer DB" – dem führenden Analyse-Software-Anbieter – rund 3600 Personen mit so vielen Fans. "Für uns ist Influencer-Marketing die beste Möglichkeit, um eine große Reichweite bei genau der richtigen Zielgruppe zu erreichen", erklärt die Mitarbeiterin weiter. Diese Strategie verfolgen immer mehr PR-Agenturen, die zwischen Social-Media-Stars und Firmen vermitteln.

Die Marketing-Methode geht mittlerweile über den Lifestyle-Bereich hinaus. Selbst Lebensmittel wie Hüttenkäse oder Einhorn-Toilettenpapier schaffen es auf die Fotos der Stars.

Maria Stojcevic will sich von dem Trend nicht abhängig machen. Mit 30.000 Followern ist die Reichweite bei ihr deutlich geringer. Sie kann davon nicht leben. "Es ist ein netter Zuverdienst, aber nicht mehr", gibt die 20-Jährige zu. Freunde von ihr haben mit 100.000 Followern bereits ihren Job gekündigt, um ausschließlich als Instagramer zu arbeiten. Auch Maria freut sich über eine wachsende Fan-Gemeinde. Ihren Beruf als Bankkauffrau würde sie dafür aber nicht aufgeben.

Widerstand formiert sich

Außerhalb der Branche formiert sich derweil Widerstand gegen die Werbeform. "Gibt es eine Gegenleistung für die Erwähnung des Produkts, die der Influencer gegenüber dem Konsumenten nicht deutlich macht, dann sprechen wir von Schleichwerbung", erklärt Medienrechtsanwalt Stephan Dirks aus Kiel. "Wenn es sich um bezahlte Inhalte handelt, müssen sie zum Beispiel durch Hashtags wie #werbung oder #sponsored gekennzeichnet sein", so der Rechtsexperte.

Viele dieser Hashtags stehen allerdings erst am Ende eines langen Textes und sind für die Mehrheit der Abonnenten auf den ersten Blick nicht sichtbar. Bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht drohen Influencern Abmahnungen, die laut Dirks im vierstelligen Bereich liegen können. Die Landesmedienanstalten der Bundesländer nennen in einem offiziellen Schreiben Geldstrafen von bis zu 50.000 Euro. Auch den Verbraucherzentralen ist die unzureichende Kennzeichnung ein Dorn im Auge.

Spielen mit Vertrauen

"Kinder und Jugendliche müssen erkennen können, was Werbung und was eigene Meinung ist. Das ist in vielen Fällen nicht so“, kritisiert Susanne Einsiedler vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Der Erfolg des „Influencer Marketing“ basiert zu einem Großteil auf der Ahnungslosigkeit der jungen Konsumenten. Der Verein hat bereits drei Unterlassungsverfahren gegen Influencer eingeleitet. Zu einem Gerichtsurteil kam es jedoch nie, weil sich die Parteien mit der Abgabe von Unterlassungserklärungen außergerichtlich einigen konnten.

Trotzdem könnte die Werbeform genauso schnell verschwinden, wie sie aufgekommen ist. "Influencer spielen mit ihrem höchsten Gut, nämlich dem Vertrauen ihrer Follower", sagt Marketing-Experte Beilharz, "wie jede Werbeform nutzt sich das irgendwann ab." Laut dem Branchen-Kenner sind viele Konsumenten jetzt schon überfordert. Sie können zwischen Empfehlung, bezahlter Kooperation oder persönlicher Vorliebe nicht mehr unterscheiden.

Selbst wenn rechtliche Konsequenzen noch auf sich warten lassen, könnte die Werbe-Strategie an ihrem eigenen Erfolgsgeheimnis, nämlich dem Vertrauen der Fans in ihre Idole, scheitern. Die Stars der Branche basteln längst an anderen Geschäftsmodellen wie Fitness-Apps.

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