Comeback des „Heroin Chic“
Lebensgefährlicher TikTok-Trend: Wie „SkinnyTok“ den Schlankheitswahn der 90er Jahre zurückholt
12.05.2025, 05:00 Uhr
Blasse Haut, Augenringe, ausgemergelte Gesichtszüge, ein drastisch abgemagerter Körper: All das klingt nicht nur äußerst ungesund, sondern es war auch ein Schönheitsideal der 1990er Jahre. Dieser „Heroin Chic“ genannte Look wurde beispielsweise durch Models wie Kate Moss verkörpert, wurde oft mit dem Missbrauch von Heroin in Verbindung gebracht und war gewissermaßen das Gegenteil des eher kurvigen Schönheitsideale der 1980er Jahre.
Wer in den vergangenen Jahren einen Blick in Social Media geworfen hat, könnte eigentlich den Eindruck bekommen haben, dass dieses ungesunde Schönheitsideal längst Vergangenheit ist - schließlich sind selbst auf den Laufstegen der internationalen Modewelt und bei Formaten wie „Germany‘s Next Topmodel“ längst alle Körperformen vertreten. „Body Positivity“ ist dabei der Schlüsselbegriff, der besagt: Jeder Körper ist schön und wertvoll. Hauptsache, die Besitzerin oder der Besitzer fühlt sich darin wohl.
Seit etwa 2023 jedoch gibt es auf dem Sozialen Netzwerk TikTok eine wachsende Gegenbewegung. Unter dem Hashtag „SkinnyTok“ beleben Influencer und Nutzer extreme Schlankheitsideale wieder und teilen Tipps und Tricks, um abzunehmen. Extreme Fastenmethoden oder ungesunde Appetitzügler: Jedes Mittel ist recht, um dünner zu werden – teilweise bis hin zu gefährlichem Untergewicht.
Der Ursprung von dieses Trends ist wie so oft nicht genau zu bestimmen, lässt sich aber vermutlich auf die zunehmende Verbreitung von Diät- und Fitnessinhalten auf sozialen Medien zurückführen. Algorithmen wiederum führen zu einer gesteigerten Verbreitung dieser Inhalte, indem sie Nutzern, die einmal darauf geklickt haben, immer mehr davon zeigen. Dies führt zu einer Endlosschleife von extremen Diät-Tipps und ungesunden Schönheitsidealen, für die besonders junge Nutzer anfällig sind, die dadurch ein verzerrtes Körperbild entwickeln können.
Unerreichbares Schönheitsideal
Beim Versuch, dem propagierten (und letztlich unerreichbaren) Schönheitsideal zu entsprechen, kann sich eine Essstörung entwickeln. Mit vielfältigen und gravierenden Folgen: Mangelernährung kann zu Anämie, Schwäche, brüchigen Nägeln und Haarausfall führen - auch Herz-Kreislauf-Probleme wie unregelmäßiger Herzschlag und niedriger Blutdruck sind häufige Folgen. Langfristig kann es auch zu lebensbedrohlichen Zuständen wie Herzversagen und Nierenversagen führen. Auch die mentale Gesundheit leidet stark, da Essstörungen oft mit Depressionen und Angststörungen verbunden sind.
Dabei sind Essstörungen wie Anorexie, Bulimie und Binge-Eating („Fress-Attacken“) ohnehin bereits ein ernstes und weit verbreitetes Problem: Zwischen 5,5 Prozent und 18 Prozent der jungen Frauen und bis zu 2 Prozent der jungen Männer sind von ihnen betroffen. Verschärft wurde die Problematik noch einmal von der COVID-19-Pandemie, in der viele Menschen verstärkt unter Stress und Isolation litten.
Ein konkret auf SkinnyTok zurückführbarer Todesfall ist bislang nicht bekannt. Doch abgesehen vo der Tatsache, dass von einer signifikanten Dunkelziffer ausgegangen werden muss: Wenn sich der Trend weiter verbreitet, dürfte das wohl nur eine Frage der Zeit sein.