Experte betont Effekte

Migration als wirtschaftliche Belastung oder Stärkung? Was Zuwanderung kostet und was sie bringt

Alicia Kohl

Redakteurin

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09.06.2025, 17:29 Uhr
Gerade Erwerbsmigration aus Nicht-EU-Ländern sollte gefördert werden, meint Wirtschaftswissenschaftler Martin Werding. (Symbolbild)

© IMAGO / imagebroker Gerade Erwerbsmigration aus Nicht-EU-Ländern sollte gefördert werden, meint Wirtschaftswissenschaftler Martin Werding. (Symbolbild)

An den deutschen Grenzen wird schärfer kontrolliert, der Familiennachzug eingeschränkt, Verfahren aufgeschoben. Migration steht derzeit wieder im Fokus der politischen Diskussion, es wird über die Gefahren durch Einwanderung gesprochen und versucht, Deutschland als Zielland unattraktiver zu machen. Dabei wird meist emotional argumentiert. So werden die positiven Effekte von Migration gerne mal außen vor gelassen. Martin Werding, führender Wirtschaftswissenschaftler und Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bochum, hat sich das in einer Kurzexpertise genauer angeschaut. Zusammenfassend sagt Werding: „Mehr Zuwanderung verbessert die Tragfähigkeit.“ Das heißt, dass Migration in der Summe die öffentlichen Haushalte entlasten könnte.

Zurückzuführen sei das zum Beispiel darauf, dass Migrantinnen und Migranten meist jünger seien als die bestehende Bevölkerung. Sobald sie in den Arbeitsmarkt einsteigen können, sind sie also erstmal nicht auf staatliche Zahlungen wie Rente oder erhöhte gesundheitliche Versorgung angewiesen. Stattdessen zahlen sie Steuern und ins System ein, ohne dass der deutsche Staat beispielsweise die komplette Bildungsphase finanzieren musste. „Zuwanderung hilft außerdem bei der Bewältigung von Fachkräftemangel“, sagt Werding in einer Informationsveranstaltung vom Mediendienst Integration. Politisch will er zum Thema Migration nicht Stellung beziehen, betont aber: „Aus ökonomischer Sicht müssen wir dringend auf die Erwerbsmigration achten, die brauchen wir.“

Entlastung für den Staatshaushalt

Seinen Berechnungen hat der Professor einen Durchschnitt von Zuwandernden und den verschiedenen Zuwanderungsformen aus den vergangenen rund zehn bis zwölf Jahren zugrunde gelegt. Neben Fluchtmigration gebe es viel Zuwanderung aus EU-Ländern. Das „zarte Pflänzchen“ der reinen Erwerbsmigration aus Nicht-EU-Ländern gebe es nur sehr wenig. „Gerade deswegen darf in der Welt nicht zur Kenntnis genommen werden, dass wir die Erwerbsmigration nicht kultivieren, wenn wir Migration zu offensiv abwehren“, so Werding.

Geht man von einer um 200.000 Personen höheren jährlichen Netto-Zuwanderung nach Deutschland aus, reduziere das die dauerhaft bestehende Finanzierungslücke der öffentlichen Haushalte um knapp 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Gemessen in Werten für 2024 wären das rund 104 Milliarden Euro jährlich, heißt es in der Expertise. Heruntergerechnet auf einzelne Personen entlastet demnach jede Zuwanderin und jeder Zuwanderer den Staatshaushalt um 7100 Euro im Jahr.

Werding betont, dass das bestehende System wirtschaftlich langfristig so oder so nicht tragbar sei, weshalb bisherige Berechnungen zur Zuwanderung öffentlich oft falsch verstanden wurden. Laut den aktuellen Berechnungen, die er im Auftrag des Bundesfinanzministeriums für den Tragfähigkeitsbericht angestellt hat, sind die Effekte der Zuwanderung für den Staatshaushalt insgesamt positiv.